Archiv 9-10/2001

Kandidat 1

Nun, diese Metapher wird wohl in verschiedenen Medien zu lesen und zu hören sein, aber kurz und knapp ist sie wirklich:

"Scharping unter Beschuss" (Spiegel-online, 5.9.2001)

Unsere Laudatio: Wenn der oberste Befehlshaber ohne Deckung unter Beschuss gerät, dann sind wir aber wirklich nur bedingt abwehrbereit. Hoffen wir, dass die mallorquinische Luftabwehr wenigstens funktioniert. Oder ist für den Swimming-pool schon die Marine zuständig?

Kandidat 2

Der nächste Beleg ist ein Paradebeispiel für die didaktisch-erklärende Leistungsfähigkeit von Metaphern. Recht unbedarft verwenden wir - bzw. die Presse, die Politik, die PR - den Begriff der global player, wenn die Sprache auf weltweite agierende Unternehmen kommt. Felix Kolb, Sprecher des 'globalisierungskritischen' Attac, remotiviert diesen Begriff, wenn er über internationale Waren- und Geldströme sagt:

"Zurzeit ist der Welthandel wie ein Fußballspiel am steilen Hang, und der Norden spielt oben" (Westfälische Rundschau, 11.9.2001)

Unsere Laudatio: Als Metapher geht dies durch! Die Zweidrittelwelt des Südens kann ökonomisch in der Tat kaum gegen die G8 von Genua punkten. Nicht metaphorisch - so arg ist's bestellt - stimmt es nun wieder gar nicht. Denn, so werden die Freunde des FC St.Pauli aus unserer Hamburger Redaktion klagen: Willst Du den Norden oben spielen sehen, musst Du die Tabelle drehen... da hilft auch keine Globalisierungskritik.

Kandidat 3

Mit vier Wochen Unterbrechung geht es weiter mit der Metaphernkiste, und langsam stellen wir entsetzt fest, was sich alles seit dem 11. September NICHT geändert hat. So beschert uns der an die Überlegenheit westlicher Zivilisation glaubende Herr Berlusconi ein Revival der Bananenmetaphorik:

"Kurz vor den italienischen Parlamentswahlen im Mai warf Fiat-Ehrenpräsident Giovanni Agnelli überraschend sein Gewicht in die Waagschale. In ihrer Kritik am Premierkandidaten Silvio Berlusconi behandle die ausländische Presse die Italiener wie „die Wählerschaft einer Bananenrepublik", erboste sich der mächtigste Industriepatron des Landes und gewährte dem Medienmagnaten Schützenhilfe. Bananen wachsen in Italien auch 100 Tage nach dem Amtsantritt Berlusconis noch nicht. Doch die ersten Früchte der Regierungstätigkeit, die der Chef der römischen Rechtsallianz nun erntet, wecken denn doch Assoziationen an die geächteten Tropenstaaten" (Süddeutsche Zeitung 4.10.2001, 26).

Unsere Laudatio: Italien eine Bananenrepublik? Niemals! In der Tat ist zwar die regierungsamtliche Amnestie just für die Vergehen, die dem italienischen Premier vorgeworfen werden, wie die Banane ein krummes Ding, doch sollten wir zur Ehrenrettung der deliziösen Südfrucht schreiten: Aus dem Land von Tutti frutti kennen wir so schmackhafte Fruchtzubereitungen, dass die Regentschaft des abendländischen Fundamentalisten Berlusconi samt ihrer Unappetitlichkeiten diese Metapher wahrlich nicht verdient hat.

Kandidat 4 (unser Sieger)

Auch im Herzen der deutschen Südstaaten ist vortreffliches Metaphorisieren zu beobachten. Beim Lokalderby zweier Münchener Fußballvereine musste der eine nach anfangs gar nicht mal so schlechter Leistung gegen Ende des Spiels die kräftige Niederlage einstecken. Dem Radioreporter fiel dazu folgendes ein:

"Die 60er - als Löwen gestartet, als Bettvorleger gestrandet" (WDR2, 14.10.2001, 17.12 Uhr).

Unsere Laudatio: Strandende Löwen erscheinen uns schon arg kurios - werden das Seelöwen sein? -, und als Freunde der Metapherntheorie fragen wir uns zudem, wo die Linguistik wohl gestrandet wäre, hätte Aristoteles dereinst an Stelle des berühmten BeispielsatzesAchill ist ein Löwe das Exempel Achill ist ein Bettvorleger zur Erläuterung der Metapher als Stilmittel herangezogen. Dieser Beleg bringt uns endlich auch mal theoretisch weiter und ist daher stark preisverdächtig.

Kandidat 5

Von der grünen Wiese nun zum ewiggrünen Faden. Das nächste Beispiel ist uns vom Bonner Evergreen-Chor beschert worden:

"Unser Repertoire besteht aus zahllosen Einzelstücken unterschiedlichster Stilarten. Auftritte bei Hochzeiten, Jubiläen, Trauerfeiern, öffentlichen Festen und privaten Feiern erfordern von uns große Vielseitigkeit vom geistlichen Lied über Gospels, Oldies, Evergreens, Musical-, Jazz- und Popsongs. Eine Herausforderung besonderer Art stellt das jährliche Konzert dar. Einen grünen Faden durch den Urwald dieses Repertoires zu legen und dem Publikum jedes Mal einen gut gerundeten Spannungsbogen unter einem bestimmten Motto zu servieren, ist uns bisher gelungen" (aus einer Informationsbroschüre zum Jubiläumskonzert am 26.10.2001).

Unsere Laudatio: Das ist echtes Künstlertum. Urwälder werden zu Bögen gerundet ohne sich zu verbiegen und anschließend verzehrt. Grüne Fäden halten all dies zusammen, während die Nahrungsaufnahme durch die Ohren erfolgt. Die Synästhesie ist ein Meister aus Bonn und residiert in Tannenbusch.

Metaphernkiste

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