Archiv 4-5/2001

Kandidat 1 (unser Sieger)

Der erste Kandidat wurde gewissermaßen von Harald Schmidt für uns auserlesen, und zwar handelt es sich um ein Zeugnis metaphorischer Kreativität deutscher Theaterregisseure:

"Wie etwa die Türken gegen die Libanesen sind, so bin ich - geradezu rassistisch - gegen das Eindringen weiblicher Regisseure. Daraus können Sie jetzt so einen richtigen Salat formulieren, den mir dann alle im nächsten Interview aufs Butterbrot schmieren." (Peter Stein, in Welt am Sonntag, 15.4.2001, re-zitiert von Harald Schmidt am 17.4.2001)

Unsere Laudatio: Diese metaphorische Verwendung sprengt die Regularitäten traditioneller Nahrungsmetaphorik. Ein aufs Butterbrot geschmierter, zuvor erst zusammenformulierter Salat, zugleich selbst Produkt aus einer Analogie von Rassismus und Misogynie, stellt einen neuen Metapherntyp dar. An dem Butterbrot werden die Semantiker lange zu knabbern haben. Hoffen wir, dass sich das deutsche Theater daran nicht verschluckt. Sonst kommt's faustdick...

Kandidat 2

Der zweite Kandidat entstammt der medizinischen Fachzeitschrift Hörzu und thematisiert die Wirksamkeit fernöstlicher Therapien:

"Obwohl es nur wenige hieb- und stichfeste Argumente zur Wirksamkeit der Akupunktur gibt, bestätigen viele Fallberichte ihre Wirksamkeit" (Hörzu 16/2001, 177)

Unsere Laudatio: Auf die hieb- und stichfeste Akupunktur haben wir lange gewartet. Dieses Metaphernspiel ist so unauffällig, dabei aber so ausbalanciert zwischen leicht lavierendem Bildspender und Bildempfänger, dass es einfach Erwähnung verdient. Wir fragen uns unterdessen, ob es auch eine fernöstliche Tradition des Metapherngebrauchs gibt. Und wenn ja, erfahren wir darüber auch in der Hörzu?

Kandidat 3

Der dritte Kandidat hat im Gegensatz zu seinen Konkurrenten seinen Ursprung in einer fremden Sprache - hier dem Französischen - und einem anderen Medium, dem Hörfunk. Doch geht es hier um gleichsam globales, nämlich die Entlassungsrituale in internationalen Verkaufsketten...

"Les employés de C&A ne veulent pas être mangés à la sauce Marks & Spencer" (RMC [Radio Monte Carlo], 5.5.2001, 16 h 01)

Unsere Laudatio: Wir haben ein schönes Beispiel für die Furcht vor metaphorischem Kannibalismus. Und es steckt so viel in diesem Bild: Die Furcht vor angelsächsischer, in Frankreich geächteter Pfefferminzsoße, die gefräßige Mentalität globalisierter Börsen und natürlich das profunde Wissen um die Mechanismen des Fressens und Gefressen-werdens. Und dass beim Sender aus dem Land Ernst August' Schwiegervaters die Kunst der metaphorischen Verdichtung so ausgeprägt sein kann, allein das verdient Nennung...

Kandidat 4

jetzt wirds spacig:

"Marsmission in den Sternen" (taz, 17.5.2001)

Unsere Laudatio: Ganz im Gedenken an Douglas Adams fragen wir uns da: Ja wo denn sonst? Doch keine Panik! Die unendlichen Weiten der Weltraummetaphorik werden hier hübsch spielerisch ausgelotet. Astrologie als Bildspender für Astronomie, uns gefällt das sehr; die Sterne stehen also günstig für eine Platzierung bei metaphorik.de!

Kandidat 5

Als Sprach- und Literaturbegeisterte MetaphorikerInnen liegt uns das Schicksal der Sprachenvielfalt doch sehr am Herzen. Metaphorische Unterstützung kommt aus Spanien, und zwar von Antoni Puigverd in einem Diskussionsbeitrag Hamburguesa o cocidos 

"La uniformidad y el mercado empiezan con el dólar, continúan con las lenguas y acaban eliminando al diferente y al raro. En la variedad ha estado siempre el gusto. Se trata de comunicarse, es decir: de dominar muchas lenguas. Algunas serán -¿por qué no?- autopistas planetarias. No tienen por qué ser incompatibles con los senderos o las carreteras secundarias. En este campo como en el de la naturaleza, el combate está entre simplificación y complejidad. Lo simple es la hamburguesa lingüística. Lo complejo es más caro, más difícil de guisar, pero también más sabroso, sutil y divertido. Más fielmente humano." (El Pais, 20.5.2001)

Unsere Laudatio: Die großen Sprachen der Globalisierung (hier: Englisch und Spanisch) als Autobahnen mit Fast food-Anbindung zu metaphorisieren, während es doch netter sei, daneben noch die guten Regionalküchen auf kleinen sprachlichen Nebenpfaden z.B. des Euskera oder des Katalanischen zu erreichen, halten wir für eine gelungene Verknüpfung von Verkehrs- und Nahrungsmetaphorik. Sprechen und Genießen gehören zusammen, diese Metapher mundet uns sehr.

Metaphernkiste

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