Kriegskiste 3/2003

Kriegskandidaten

Der Krieg bringt weit schrecklichere Dinge hervor als den Missbrauch an der Sprache. Wir wollen dennoch in der Metaphernkiste auf diesen verweisen. Als eine erste Orientierung seien zunächst zwei englischsprachige Beiträge empfohlen: ein Text von George Lakoff (Metaphor and War, again) vom 18.3.2003 sowie den Vorläufertext (Metaphor and War - The Metaphor System Used to Justify War in the Gulf) aus dem Januar 1991, in dem es um die metaphorischen Rechtfertigungen dieses Krieges ging, sowie ein Beitrag von Terry Jones vom 24.2.2003 (First Bomb the Language, Then the Iraqis). Eigene Beispiele werden wir in Kürze selbst kommentieren.

Kandidat 1

Auffällig in der Medienberichterstattung ist schon ein Bestreben, in diesem dritten nicht die entlarvten Lügen aus dem zweiten Golfkrieg wiederzuverwenden. Ein unreflektierter Gebrauch etwa von Medizinmetaphorik (Bomben als 'chirurgische Eingriffe') konnten wir bislang nicht ausmachen, möge es so bleiben. Was sich dennoch einschleicht, ist eine - zwar distanzierte, aber dennoch faszinierte - Beschreibung vermeintlich technisch moderner Waffen. So schreibt die Süddeutsche Zeitung in einem Interview mit Mounir Bouchenaki, Stellvertretender Generaldirektor für Kultur bei der Unesco in Paris

Bouchenaki:" [..] Anders als in Ägypten, wo die meisten Relikte aus Stein gebaut sind, sind viele Tempel und Paläste im Irak aus Sand und Lehm. Das macht sie besonders anfällig." SZ : "Die US-Regierung betont immer wieder, dass so genannte intelligente Bomben ihr Ziel ganz genau treffen könnten?" Bouchenaki : "Fehlschüsse kommen immer vor. Abgesehen davon muss ein Ziel nicht unbedingt direkt getroffen werden. Oft genügt es, wenn eine Bombe in der Nähe explodiert. Allein die Druckwelle kann ein Gebäude zerstören." (SZ, 18.3.2003)

Unsere Laudatio: Die Lüge von intelligenten Bomben sollte nicht einmal in distanzierendem Sprachduktus wiederholt werden. Erstens verlangt Intelligenz Belebtheit - nichts ist so tot wie eine Bombe -, und die einzige Form von Intelligenz, die eine Bombe zeigen könnte, wäre die, nicht zu explodieren. [do]

Kandidat 2

Metaphorische Manipulationen können sich auch in routinenmäßig verfassten Agenturmeldungen verstecken. Schon die Textsorte des dokumentarisch verfassten Berichts, an die wir aus ganz anderen Kontexten gewöhnt sind, suggeriert uns Normalität:

"Laut CNN soll heute Morgen der erste US-Soldat im Gefecht getötet worden sein. Bislang gibt es keine offizielle Bestätigung für den Tod eines US-Soldaten. Laut CNN soll es sich um einen Angehörigen der Marineinfanterie handeln. Es lägen keine Informationen darüber vor, wo sich der Zwischenfall ereignet hat, heißt es." (spiegel-online, 21.3.2003)

Unsere Laudatio: In diesem Beispiel erkennen wir zunächst ein Zeugnis für die Bedeutungserweiterung des sprachlichen Bildes vom 'Gefecht'. Wo mit tödlichen Geschossen hantiert wird, sind noch transparente Anklänge an Degen- und Florettduelle mindestens fehlleitend. Weiter bezeichnend ist zudem die Titulierung des Soldatentods als 'Zwischenfall', so, als würde das Morden und Sterben nicht zu den Regeln eines jeden Kriegs gehören. [do]

Kandidat 3

Ausgerechnet die friedensbewegte taz fällt auf verharmlosende Medizinmetaphern herein:

"'Unruhiges Warten auf mehr', so lässt sich die Stimmung in Bagdad am Tag nach den ersten US-Luftangriffen beschreiben. Am Telefon gaben sich viele erleichtert, dass die erste Angriffswelle nicht die erwartete amerikanische Schocktherapie darstellte" (taz, 21.3.2003, S.3)

Unsere Laudatio: Therapeutisches Bombardieren, das ist ein erstklassiger metaphorischer Fehlgriff, der eines weiteren Kommentars nicht bedarf. [do]

Kandidat 4

In Bagdad kommt derzeit alles schlechte von oben:

"Die amerikanischen Truppen haben ihren Angriff mit einem Bombenhagel auf Bagdad fortgesetzt" (WDR5, 24.3.2003, 6.30 Uhr).

Unsere Laudatio: (Un-)Wetter und Krieg ist eine der ältesten Verbindungen im sprachlichen Bild. Sturm, Blitz, Tornados und jetzt also der Hagel halten für menschengemachtes Töten her. Doch keine Naturkatastrophe kann anrichten, was die tödlichen Geschosse können. Und die Bomben sind eben nicht schicksalhaft wie der eisige Niederschlag. Mögen die Zeiten wiederkommen, an denen wir bei Bombenwetter an warme Frühlingstage denken können! [do]

Kandidat 5

Der Krieg und die Natur scheinen sich doppelseitig metaphorisch zu verbinden. In Bombenhagel und Blitzkrieg wird die todbringende Armee metaphorisch zur Naturkraft, und jetzt - glaubt man dem deutschen Fernsehen - ergreift das mesopotamische Wetter selbst Kriegspartei: Sandstürme sind Verbündete der irakischen Armee:

"Die Natur scheint sich mit den Irakern verbündet zu haben. Die Sichtweite beträgt zum Teil nur sechs Meter" (ARD, tagesschau 25.3.2003, 20.02 Uhr)

Unsere Laudatio: Die Fernsehberichterstattung produziert durch die Verbindung von Bildern, die an Lawrence von Arabien erinnern, und metaphorischer Kriegsprosa, die meteorologischen Zufällen intentionale Handlungen zuschreibt, puren Kitsch. Dies erleichtert die Integration des Kriegs in die Fernsehunterhaltung. Die Feststellung reduzierter Sichtweite für die Militärs indes weist uns subtil auf etwas hin, das wir schon immer ahnten: Wer Kriege führt, handelt kurzsichtig. Sandstürme bräuchte es nicht für diese Einsicht. [do]

Kandidat 6

Nach massiven Bombenabwürfen auf den Ein-Personen-Gegner der 'Koalitionstruppen', Saddam Hussein, ist dieser immer noch im Amt. Eine prima Lebensversicherung und ein guter Architekt sind daran schuld, nimmt man folgenden Beleg ernst:

"REPUBLIKANISCHE GARDE UND FEDAJIN Saddams Lebensversicherung Nach fast einer Woche Krieg haben massive Luftangriffe auf die Republikanische Garde und andere Machtpfeiler Saddam Husseins das irakische Regime jedoch nicht zum Wanken gebracht." (aus spiegel-online, 28.3.2003)

Unsere Laudatio: Die Mischung aus Versicherungs-, Architektur- und Boxkampfmetaphorik erinnert uns an einen Werbespot für ein Versicherungsunternehmen. Nur ach, wäre es schön, würden sich nur die Protagonisten des Krieges als Einzelpersonen blutige Nasen holen; wir würden Ihnen wohldotierte Lebensversicherungs- und vor allem Ruhestandpolicen gönnen. Mario Adorf, übernehmen Sie! Damit wir alle auch noch was davon haben... [do]

Kandidat 7 (unser Sieger)

Je länger der Krieg dauert, desto vertrauter wird er uns, desto tauglicher sind seine Hauptdarsteller als Ausgangs-, nicht mehr nur als Zielpunkt von sprachlichen Bildern. So schrieb die taz über den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn:

"An Warnungen hat es nicht gefehlt, als Mehdorn im Dezember das neue Tarifsystem der Bahn einführte. Er hat es trotzdem getan - und geriert sich jetzt, wo sich das Unternehmen als Fehlschlag entpuppt, wie ein Donald Rumsfeld des deutschen Schienenverkehrs: Unflätig beschimpft er jene Hasenfüße unter den Politikern oder der eigenen Kundschaft, die seine Durchhalteparolen nicht mehr hören wollen." (taz, 31.3.2003, S.13)

Unsere Laudatio: Die Dominanz des Kriegsthemas wird an diesem Beispiel offensichtlich. Umgekehrt würde eine Metaphorisierung von Minister Rumsfeld - ein 'sprechender' Eigenname obendrein - durch Bahnchef Mehdorn kaum funktionieren. Inspirierend ist die Analogie dennoch: Niemals würden die jetzt ihr blutiges Handwerk erledigenden Truppen ihre Kriegsziele erreichen, müssten sie vorher noch korrekt eine Bahnfahrkarte lösen. Der Zug wäre längst abgefahren. [do]

Kandidat 8

Wenn der Krieg die Schlagzeilen bestimmt, dann werden Spenden gesammelt. Ein Rundschreiben von Helmut Kutin vom Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e.V. zur Förderung der SOS-Kinderdörfer begründete sein Anliegen so:

"Viele Kinder sind mit ihren Eltern aus dem umkämpften Land geflohen. Andere Kinder haben auf dieser Odyssee der Angst alles verloren: Sie haben niemanden mehr, der sich um sie kümmert. Diese Kinder dürfen nicht zum Strandgut des Krieges werden! Sie brauchen Hilfe!" (o.D., verschickt Ende März 2003)

Unsere Laudatio: Kinder sind immer Sympathieträger in der Spendeneinwerbung. Was an diesem Beispiel auffällt, ist die emotionalisierende Verwendung von Seefahrtsmetaphorik, in Verbindung von Mythologie und Schiffsbruch. Die Frage ist nur, ob angesichts der Zurückhaltung vieler Deutscher - mit dem Argument des Verursacherprinzips, dem zu folge erst einmal die kriegsführenden Länder für die von ihnen angerichteten Schäden aufkommen sollten, wird wenig gespendet - die SOS-Kinderdörfler (sic) mit dem havarierten Bildspender auf Spendersuche sich nicht auf dem falschen Dampfer befinden. [kg/do]

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