Konferenzbericht RaAM9 in Lancaster

Anke Beger

„Metaphor in Mind and Society” war das Thema der neunten Konferenz der „International Association for Researching and Applying Metaphor” (RaAM), die vom 4.-7. Juli 2012 an der Lancaster University in England stattfand.

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Konferenzbericht RaAM9 in Lancaster
Anke Beger, Universität Flensburg (anke.beger@uni-flensburg.de)
„Metaphor in Mind and Society” war das Thema der neunten Konferenz der
„International Association for Researching and Applying Metaphor” (RaAM),
die vom 4.-7. Juli 2012 an der Lancaster University in England stattfand.
Wie das Thema der diesjährigen RaAM 9 bereits andeutet, begrüßte die RaAM
Forschungsbeiträge, die den Gebrauch von Metaphern und Metonymien in
diversen Gesellschaftsbereichen untersuchen und dabei unterschiedliche
Perspektiven einnehmen sowie verschiedene Methoden anwenden. Dies
zeigte sich in der Vielfalt von Sektionen, in denen das Department of Linguistics
and English Language der Lancaster University als Ausrichter der RaAM 9 die
gewaltige Anzahl von insgesamt 156 Vorträgen neben den Plenarvorträgen
und der Poster-Sektion organisierte. Die verschiedenen Sektionen boten unter
anderem Vorträge zur bildhaften Sprache in akademischen, politischen,
religiösen und wirtschaftlichen Diskursbereichen. Darüber hinaus reichte die
Spannbreite der Themen von Emotionsmetaphern über Metaphern im
Gesundheitswesen und den Medien bis hin zu Metaphern in der Literatur.
Auf der eher theoretisch-methodologischen Seite fanden sich zum Beispiel
Sektionen zur Metapherntheorie und zu computer-assistierten bzw. -basierten
Korpus-Untersuchungen. Jenseits der gesprochenen und geschriebenen
Sprache sind besonders die Sektionen zu Metaphern und Metonymien in der
Gestik und zu visuellen sowie multimodalen Metaphern zu erwähnen.
Besonders an der RaAM 9 war allerdings auch, dass explizit die Erforschung
von Metaphern und Metonymien in Ausdrucksformen jenseits von Sprache
begrüßt wurde. Dies zeigte sich in der Ausstellung „Soundings: thought over
time“, die am 4. und 5. Juli besucht werden konnte, und der dazugehörigen
audiovisuellen Aufführung von Susan Ryland, Helen Thomas und Michael
Beiert. Diese Kollaboration stellte figuratives Denken in Kunst und Musik dar,
indem ein Musikstück als Antwort auf die Werke der Künstlerin Susan Ryland
kreiert wurde.
Die RaAM 9 bot somit nicht nur eine immense Vielzahl an Vorträgen, sondern
auch eine enorme Bandbreite an Forschung zu figurativer Sprache und
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Kognition. Leider fanden die Vorträge in bis zu zehn parallel stattfindenden
Sektionen statt. Dies bedeutete nicht nur eine Verdopplung der Parallel-
Sektionen im Vergleich zur RaAM 8 an der Vrije Universiteit Amsterdam 2010,
sondern auch, dass man Vieles gar nicht wahrnehmen konnte. Auch die
Poster-Sektion kam etwas kurz, da sie nur auf eine halbe Stunde angesetzt
war, und ungünstigerweise zwischen dem zweiten Plenarvortrag und der
Hauptversammlung der RaAM stattfand, sodass es vielen Interessierten nicht
möglich war, schon vorher mit den Autoren der Poster zu sprechen oder über
den angesetzten Zeitrahmen hinaus bei den Postern zu verweilen.
Sehr erfreulich war hingegen, dass der wissenschaftliche Nachwuchs genau
wie bei der vergangenen RaAM 8 besonders gefördert wurde. Neben einer
Anzahl von Stipendien für finanziell bedürftige und/oder besonders
leistungsstarke DoktorandInnen wurden fünf Vorträge von NachwuchswissenschaftlerInnen
ausgewählt, die in einer eigenen Sektion um den „Best
PhD Paper Prize“, der für das qualitativ hochwertigste Promotionsprojekt
verliehen wurde, konkurrierten. Darüber hinaus wurde der qualitativ hochwertigste
publizierte Artikel eines (bereits promovierten) Nachwuchswissenschaftlers
mit dem „Early Career Research Paper Prize“ ausgezeichnet.
Auch im sozialen Programm wurde ein Abend mit der Bezeichnung „PhD
Party“ der Vernetzung der DoktorandInnen gewidmet. Der mündliche Zusatz
während des Weinempfangs, dass auch all jene, die sich noch jung fühlen,
eingeladen seien, brachte dankenswerter Weise auch renommierte
WissenschaftlerInnen dazu, sich unter den wissenschaftlichen Nachwuchs zu
mischen, offen und zugänglich zu sein und sogar bei ausgelassenem
Beisammensein Karaoke zu singen.
Ebenfalls ähnlich wie bei der letzten Konferenz der RaAM ging der
eigentlichen Tagung auch bei der diesjährigen RaAM 9 am 4. Juli ein Tag mit
zwei zweieinhalbstündigen „pre-conference workshops“ voran. Man konnte
sich entscheiden, ob man „Methods of researching metaphor in gesture“ (Irene
Mittelberg und Cornelia Müller) oder „Corpus linguistics methods in
metaphor analysis“ (Anatol Stefanowitsch) wahrnehmen wollte. Aufgrund der
großen Nachfrage bei letzterem Workshop erklärte sich Anatol Stefanowitsch
freundlicherweise bereit, seinen Workshop noch ein zweites Mal während der
Konferenz anzubieten.
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Nach der Eröffnungsrede am 5. Juli stellte der erste von drei einstündigen
Plenarvorträgen den Auftakt zur eigentlichen Konferenz dar. Albert Katz
(Department of Psychology, The University of Western Ontario, USA) stellte in
seinem Vortrag „Obligatory, optional and social functions of metaphor“
vielfältige experimentelle Metaphernstudien vor, um einen Überblick der
Untersuchungen im Rahmen der Kognitiven Metapherntheorie der letzten
Jahrzehnte zu geben, Forschungslücken aufzuzeigen und Möglichkeiten für
zukünftige Forschung vorzuschlagen. Dabei kritisierte er zunächst, dass die
Kognitive Metapherntheorie für ihren Grundsatz, dass man anhand sprachlicher
Ausdrücke Rückschlüsse auf die kognitiven Strukturen ziehen kann,
bisher keinerlei Beweise geliefert hat, die diesen Grundsatz in der psychologischen
Realität belegen. Vielmehr sei die Argumentation im Rahmen der
Kognitiven Metapherntheorie zirkulär. Zur Abhilfe führte Katz daraufhin
psychologische Studien an, die diese Beweise liefern können. Im zweiten Teil
seines Vortrags beschäftigte sich Katz vorrangig mit der laut ihm bislang
weitgehend ignorierten sozialen Dimension von Metaphern und kam zu dem
Schluss, dass Metaphern die Aufmerksamkeit auf soziale Interaktion richten
und wichtige Informationen zur Identität der Gesprächspartner liefern.
Auch Andreas Musolff (Language and Communication Studies, University of East
Anglia, UK) sorgte in seinem Vortrag “What have Cognitive Metaphor Studies
done for CDA (and vice versa)?” für einen Überblick der Forschung im
Rahmen der Kognitiven Metapherntheorie, allerdings aus einem anderen
Blickwinkel. Anhand des Konzepts PARASITE, das in seiner geschichtlichen
Entwicklung wiederholt metaphorisch gebraucht wurde und zum Beispiel im
gesellschaftlichen und politischen Diskurs über Immigranten interessant für
Forschungsarbeiten der Kritischen Diskursanalyse ist, zeigte Musolff, dass der
Wandel dieses Konzepts seit dem 16. Jahrhundert die Frage aufwirft, was
eigentlich die Ursprungsdomäne dieses Konzepts darstellt.
Der dritte und letzte Plenarvortrag von Masako K. Hiraga (Graduate School of
Intercultural Communication, Rikkyo University, Japan), der gleichzeitig auch den
Abschluss des wissenschaftlichen Programms der RaAM 9 darstellte, trug den
Titel „The sound of silence: The interplay of metaphor and iconicity in haiku
texts“. In ihrem Vortrag stellte Hiraga eine detaillierte Analyse zweier Haikus
(traditionelle japanische Kurzgedichte) von Bashō Matsuo vor. In ihrer
Analyse der beiden in gegenseitiger Beziehung stehenden Texte arbeitete
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Hiraga anhand von metaphorischen Lesarten und Ikonizität, aber auch durch
das Untersuchen der Grammatik und Phonologie, die verborgenen intertextuellen
Beziehungen zwischen den beiden Gedichten heraus. Ihre Analyse
ließ sie zu der neuen Interpretation kommen, dass die beiden Gedichte in der
Tat als ein Text angesehen werden können.
Im Hauptteil der RaAM 9, den die oben bereits erwähnten 156 zwanzigminütigen
Vorträge mit anschließender Diskussion bildeten, ließ sich, wie es
bei einer RaAM Konferenz zu erwarten war, vor allem erkennen, dass die
meisten Studien sehr praxis- und anwendungsbezogen sind. Während zwar
viele Forschungsbeiträge noch im Rahmen der Kognitiven Metapherntheorie
nach Lakoff (1993)1 und Lakoff und Johnson (1980)2 arbeiten, ließ sich dennoch
auch stärker Kritik und Zweifel an den Grundsätzen der Kognitiven
Metapherntheorie erkennen. Dies zeigte sich unter anderem in Vorträgen zu
dem relativ neuen Konzept der gezielten Metapher (deliberate metaphor, vgl.
Steen 2008, 2010)3. Zudem ist erfreulicherweise festzustellen, dass der Verwendung
von transparenten und reliablen Methoden immer mehr Beachtung
geschenkt wird. Hierbei waren besonders oft Anwendungen der Metaphor
Identification Procedure (MIP) der Pragglejaz Group (2007)4 und deren an der
Vrije Universiteit Amsterdam überarbeiteten und weiterentwickelten Version
MIPVU zu finden. Auch in den Diskussionsphasen zeigte sich eine kritische
Sensibilität für methodisches Vorgehen. Kritische Anmerkungen wurden aber
als hilfreich und fruchtbar empfunden und oft in Kaffee- oder Mittagspausen
weiterdiskutiert. Sie änderten nichts daran, dass die Atmosphäre der RaAM 9
sich durch Kollegialität, Offenheit und Ungezwungenheit auszeichnete.
Zudem stellte die ältere Forscher-Generation nach der „PhD Best Paper“
Sektion zufrieden fest, dass die Forschungsarbeit des wissenschaftlichen
1 Lakoff, George (1993): “The Contemporary Theory of Metaphor”, in: Ortony, Andrew
(ed.): Metaphor and Thought, Cambridge: Cambridge University Press, 202-251.
2 Lakoff, George/Johnson, Mark (1980): Metaphors We Live By, Chicago: The University of
Chicago Press.
3 Steen, Gerard (2008): “The Paradox of Metaphor: Why we need a three-dimensional
model of metaphor”, in: Metaphor and Symbol 23, 213-241.
Steen, Gerard (2010): „When is metaphor deliberate?“, in: Alm-Arvius, Christina/
Johannesson, Nils-Lennart/Minugh, David (eds.): Selected Papers from the 2008 Stockholm
Metaphor Festival, 43-63.
4 Pragglejaz Group (2007): “MIP: A Method for Identifying Metaphorically Used Words in
Discourse”, in: Metaphor and Symbol 22 (1), 1-39.
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Nachwuchses sich durch hohe Qualität und rigorose Methodenbewusstheit
auszeichnet. Generell hinterließen all diese Aspekte ein Gefühl des Aufbruchs
in ein neues Kapitel der Metaphernforschung, in dem noch stärker interdisziplinär
gearbeitet wird und Grundsätze der letzten drei Jahrzehnte, die
oftmals unkritisch als Fakt angenommen wurden, neu überdacht werden.
Neben dem wissenschaftlichen Programm bot die RaAM Konferenz auch in
diesem Jahr wieder ein attraktives Rahmenprogramm. Die Conference Reception
und die oben bereits erwähnte PhD Party am ersten Abend im Stadtzentrum
Lancasters sowie das Conference Dinner am darauffolgenden Abend auf dem
Campus der Lancaster University nutzten viele Wissenschaftler dazu, neue
Netzwerke aufzubauen oder alte Kontakte zu intensivieren bzw. zu pflegen.
Am letzten Konferenztag wurde darüber hinaus im Anschluss an das wissenschaftliche
Programm eine gemeinsame Tour zum Lake District angeboten.
Eine anschließende Veröffentlichung ausgewählter Beiträge der RaAM 9 ist
nicht geplant, es wurde aber von den Sponsoren der Konferenz, John Benjamins
Publishing Company und Cambridge Scholars Publishing, dazu aufgerufen, sich
eigeninitiativ zusammenzuschließen und entsprechende Vorschläge einzureichen.
Die nächste RaAM Konferenz, die RaAM 10, wird vom 23.-27. Juni
2014 an der University of Cagliari auf Sardinien stattfinden. Im dazwischenliegenden
Jahr wird das Specialised Seminar der RaAM vom 2.-3. Mai 2013
von der Adam Mickiewicz University in Poznań in Polen ausgerichtet.