Vorwort / Preface

Vorwort

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Seit Anfang 2020 wird die Menschheit durch die globale Krise von SARS-CoV-2 bestimmt. Die Pandemie stellt nicht nur eine Herausforderung für die
medizinische Forschung und Versorgung dar, sondern ebenfalls für die von der pandemischen Lage betroffenen Gesellschaften. Die Krankheitsvorbeugung durch Isolation der Infizierten, die starke Einschränkung von Mobilität, die Schließung von Orten des öffentlichen Lebens oder die Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Homeoffice stellen neben der Überwindung individueller und kollektiver Krankheitsfolgen erhebliche soziale Probleme dar.
metaphorik.de hat die Pandemie zum Anlass genommen, einen Themenband zur metaphorischen Rahmung von Krankheit und Gesundheit zu erstellen. Gibt es so etwas wie kollektiv geteilte Konzepte dieser einschneidenden Situation, die sich durch die Analyse des Metapherngebrauchs erschließen lassen? Werden Fragen von Krankheit und Gesundheit global einheitlich oder interkulturell unterschiedlich verhandelt? Wie werden unterschiedliche Formen von Krankheit metaphorisch gerahmt? Wird in den verbreiteten Vorstellungen zwischen körperlicher und seelischer Gesundheit unterschieden?

[...]

Preface
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Since the beginning of 2020, humanity has been determined by the global crisis of SARS-CoV-2. The pandemic is not only a challenge for medical research and medical care, but also for societies affected by the pandemic situation. Preventing the disease by isolating infected people, severely restricting mobility, closing places of public life, or relocating workplaces to home office, pose significant social problems in addition to overcoming individual and collective consequences of the disease.

metaphorik.de has taken the pandemic as an occasion to compile a thematic volume on the metaphorical framing of illness and health. Is there anything like collectively shared concepts of this drastic situation that can be revealed by analysing the use of metaphors? Are questions of illness and health negotiated in a globally uniform way or are there intercultural differences to be identified?
How are different forms of illness framed metaphorically? Is a distinction being made in the common conceptualisation between physical and mental health?

[...]

 

Bochum, Bremen, Essen, Flensburg, Hamburg und Saarbrücken im Sommer
2022
Martin Döring
Olaf Jäkel
Katrin Mutz
Dietmar Osthus
Claudia Polzin-Haumann
Judith Visser

 

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Seite 7


Vorwort
Seit Anfang 2020 wird die Menschheit durch die globale Krise von SARS-CoV-2
bestimmt. Die Pandemie stellt nicht nur eine Herausforderung für die
medizinische Forschung und Versorgung dar, sondern ebenfalls für die von der
pandemischen Lage betroffenen Gesellschaften. Die Krankheitsvorbeugung
durch Isolation der Infizierten, die starke Einschränkung von Mobilität, die
Schließung von Orten des öffentlichen Lebens oder die Verlagerung von
Arbeitsplätzen in das Homeoffice stellen neben der Überwindung individueller
und kollektiver Krankheitsfolgen erhebliche soziale Probleme dar.
metaphorik.de hat die Pandemie zum Anlass genommen, einen Themenband zur
metaphorischen Rahmung von Krankheit und Gesundheit zu erstellen. Gibt es
so etwas wie kollektiv geteilte Konzepte dieser einschneidenden Situation, die
sich durch die Analyse des Metapherngebrauchs erschließen lassen? Werden
Fragen von Krankheit und Gesundheit global einheitlich oder interkulturell
unterschiedlich verhandelt? Wie werden unterschiedliche Formen von Krankheit
metaphorisch gerahmt? Wird in den verbreiteten Vorstellungen zwischen
körperlicher und seelischer Gesundheit unterschieden?
Gleich mehrere der in diesem Sammelband vereinten Beiträge beziehen sich auf
aktuelle bzw. vergangene Pandemien und deren öffentliche Betrachtung.
Oumari Boukari betrachtet auf der Basis eines ausführlichen Gesprächskorpus
Vorstellungen zu Covid-19 in der Elfenbeinküste und zeigt vielfältige Perspektivierungen
auf, von der Kriegsmetaphorik bis hin zu kollektiv verankerten
Vorstellungen von Krankheit als moralischer Bestrafung. Dario Del Fante setzt
zwei unterschiedliche Pandemien miteinander in Bezug. In einer diachron
vergleichenden Studie analysiert er die gewählte konzeptuelle Metaphorik der
US-amerikanischen Presseberichterstattung zur spanischen Grippe vor gut 100
Jahren mit gegenwärtigen Pressebeiträgen zu Covid-19. Sondes Hamdi
wiederum zeigt in ihrer Studie zur Corona-Medienberichterstattung in
Tunesien, dass zahlreiche Konzeptionen zur Pandemie sprach- und
kulturraumübergreifend geteilt werden. Helga Mannsåker nimmt in ihrem
Beitrag Entwicklungen in den metaphorischen wie metonymischen Konzeptualisierungen
dessen in den Blick, was heute als 'Schizophrenie' bezeichnet
wird. Korpusgrundlage sind Lehrtexte und wissenschaftliche Studien aus
Skandinavien, die zwischen dem späten 19. Jahrhundert und den 2010er Jahren
publiziert worden sind. Die diachrone Perspektive wird ebenfalls von
metaphorik.de 32/2022

Allesandra Zurolo eingenommen. Sie untersucht Krankheits- und Gesundheitsmetaphern
in Lehrbüchern, wobei ihre Perspektive vom 16. Jahrhundert bis in
die Gegenwart reicht.
In einem weiteren, nicht auf das Schwerpunktthema bezogenen Artikel zeigen
Nina Drewes und Karolina Küsters auf Grundlage der deutschen und
italienischen Migrationsdebatte zwischen 2015 und 2018 Strategien zur
Konstruktion und Dekonstruktion potenziell auch persuasiver konzeptueller
Metaphern auf. Für die Metaphernforschung bietet diese Betrachtung über ihre
empirische Evidenz hinaus wertvolle Hinweise zum einen zur Dynamik
metaphorischer Konzepte, zum anderen zur bewussten öffentlichen Verhandlung
einzelner Sprachbilder.
Dieser Themenband macht deutlich: Die Aktualität der Krisen geht nicht an den
Interessen der Metaphernforschung vorbei. Der nächste Themenband
(metaphorik.de 33) wird sich ebenfalls mit Fragen von Metapher und Gesundheit
beschäftigen und den Schwerpunkt Covid-19 fokussieren. Wir danken allen
Beiträgerinnen und Beiträgern für ihr großes Engagement, das es uns
ermöglicht, 20 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe von metaphorik.de im
Dezember 2001 weiterhin ein wichtiges Forum für die Metaphernforschung
darzustellen. Widmen möchten wir diese Ausgabe dem Gedenken an Harald
Weinrich (1927-2022), der mit seinen wertvollen und lehrreichen Überlegungen
zur Metapher weite Teile der kognitiven Metapherntheorie vorweggenommen
hat. In unserer Ausgabe 25 (2014) hat Harald Weinrich uns die Ehre erwiesen,
15 Fragen zur Metaphernforschung zu beantworten. Möge die Erinnerung an
ihn lebendig bleiben und auch künftige Forschungen zur Metaphorik
inspirieren!
Außerordentlich bedanken möchten wir uns bei Kerstin Sterkel (Saarbrücken)
für die wie immer herausragende Arbeit beim Einrichten der Layout- und
Druckvorlagen sowie beim Wehrhahn Verlag für die Publikation der
Druckausgabe.
Die Zeiten sind derzeit nicht einfach. Während die Pandemie noch nicht beendet
ist, ist die Ukraine Opfer eines Angriffskriegs, müssen auch Kolleginnen
und Kollegen dortiger Universitäten aus dem Land fliehen. Was in anderen
Epochen floskelhaft klingt, wird nun sehr ernst und relevant: Allen unseren
Leserinnen und Lesern wünschen wir Gesundheit und Frieden!
 


Preface
Since the beginning of 2020, humanity has been determined by the global crisis
of SARS-CoV-2. The pandemic is not only a challenge for medical research and
medical care, but also for societies affected by the pandemic situation.
Preventing the disease by isolating infected people, severely restricting
mobility, closing places of public life, or relocating workplaces to home office,
pose significant social problems in addition to overcoming individual and
collective consequences of the disease.
metaphorik.de has taken the pandemic as an occasion to compile a thematic
volume on the metaphorical framing of illness and health. Is there anything like
collectively shared concepts of this drastic situation that can be revealed by
analysing the use of metaphors? Are questions of illness and health negotiated
in a globally uniform way or are there intercultural differences to be identified?
How are different forms of illness framed metaphorically? Is a distinction being
made in the common conceptualisation between physical and mental health?
Several of the contributions included in this volume refer to current or past
pandemics and their public consideration. Based on an expansive corpus of
conversations, Oumari Boukari looks at ideas about Covid-19 in Ivory Coast
and shows a wide range of perspectives, from metaphors of war to collectively
anchored perceptions of disease as moral punishment. Dario Del Fante relates
two different pandemics to each other. In a diachronic comparative study, he
analyses the chosen conceptual metaphors of the US press coverage of the
Spanish flu a good 100 years ago with contemporary press articles on Covid-19.
In her study of Corona media coverage in Tunisia, Sondes Hamdi shows that
numerous conceptions of the pandemic are shared across languages and
cultural spaces. Helga Mannsåker, in her contribution, looks at developments
in the metaphorical and metonymic conceptualisations of what is now referred
to as ‘schizophrenia’. Her corpus consists of teaching texts and scientific studies
from Scandinavia published between the late 19th century and the 2010s. The
diachronic perspective is also taken by Allesandra Zurolo. She examines disease
and health metaphors in textbooks, with her perspective ranging from the 16th
century to the present.
In another article not related to the main topic, Nina Drews and Karolina
Küsters show strategies for the construction and deconstruction of potentially
persuasive conceptual metaphors based on the German and Italian discussion
metaphorik.de 32/2022

on migration between 2015 and 2018. For the research on metaphors, this
observation offers valuable information beyond its empirical evidence, on the
one hand on the dynamics of metaphorical concepts, and on the other hand on
the conscious public negotiation of individual metaphors.
This thematic volume illustrates: The relevance of crises is not missed by the
interests of metaphor research. The next thematic volume (metaphorik.de 33) will
also deal with questions of metaphor and health, and focus on Covid-19. We
would like to thank all contributors for their great commitment, which enables
us to maintain an important forum for metaphor research 20 years after the
publication of the first issue of metaphorik.de in December 2001. We would like
to dedicate this issue to the memory of Harald Weinrich (1927-2022), who
anticipated large parts of cognitive metaphor theory with his valuable and
instructive reflections on metaphor. In our issue 25 (2014), Harald Weinrich
honoured us by answering 15 questions on metaphor research. May his memory
be kept alive and inspire future research on metaphor!
We would like to express our extraordinary gratitude to Kerstin Sterkel
(Saarbrücken) for her outstanding work in setting up the layout and print
templates, and to the Werhahn Verlag for publishing the print edition.
Times are not easy at the moment. While the pandemic has not yet ended,
Ukraine is the victim of a war of aggression, which means colleagues from
universities there also have to flee the country. What sounds cliché in other eras
is now becoming extremely serious and relevant: We wish all our readers health
and peace!

Bochum, Bremen, Essen, Flensburg, Hamburg und Saarbrücken im Sommer
2022
Martin Döring
Olaf Jäkel
Katrin Mutz
Dietmar Osthus
Claudia Polzin-Haumann
Judith Visser