15 Fragen an Richard Waltereit

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Seite 89

15 Fragen über Metaphernforschung an Richard Waltereit[1]

1. Haben Sie eine oder mehrere Lieblingsmetapher(n)? Wenn ja, welche und warum?

Da fällt  mir im Moment leider keine ein. Ich bin ja auch nicht wirklich ein Metaphernforscher, sondern höchstens ein Metonymieforscher.

2. Wozu Metaphernforschung?

Aus meiner Sicht zeichnet Metaphern besonders aus, dass sie eine kreative Zuordnung von Ausdruck und Bedeutung sind oder sein können. Dies setzt sie von der üblichen Bedeutungszuordnung ab, bei der ein Sprecher sich immer am in der Sprache schon Vorgegebenen, Traditionellen orientiert. Diese Sonderstellung von Metaphern lädt dazu ein, an ihrem Beispiel vielfältige Fragen von Sprachwandel und Sprachvariation zu untersuchen. Metaphern können uns so einen Einblick darin geben, wie Sprache generell funktioniert.

3. Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Fragen in Bezug auf die aktuelle Forschung über Metaphern?

(siehe 4)

4. Welche Trends oder Entwicklungspotenziale sehen Sie derzeit im Gebiet der Metaphernforschung?

Die Metaphernforschung könnte von einer verstärkten Integration quantitativer soziolinguistischer Methoden profitieren. Metaphern sind einzigartige Fälle von kreativer Bedeutungsbildung durch einzelne Sprecher. Es bietet sich an, mit dem feinkörnigen Instrumentarium der quantitativen Soziolinguistik zu überprüfen, wie sich neue Metaphern in der Sprachgemeinschaft verbreiten und mit der Zeit katachrestisch werden.


5. Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen Metapher und Metonymie ein?

Ich finde es schwer, von einem Verhältnis zu sprechen. Metonymien operieren auf einer völlig anderen Ebene als Metaphern, sie haben mit einem oft kaum merklichen Perspektivwechsel bei der Referenz zu tun, während Metaphern wirkliche Kreationen sind.

6. Welche Form der Metaphernforschung bewundern Sie und warum?

7. Welche Form der Metaphernforschung sehen Sie eher kritisch und warum?

Ich kann die Fragen 6, 7 und 9 nicht beantworten, da ich nicht alle jüngeren Entwicklung der Metaphernforschung verfolgt habe.

8. Wenn Sie für fünf Jahre Direktorin/Direktor eines Forschungszentrums „Metapher und Gesellschaft“ wären, was würden Sie tun?

Was mich im Moment beschäftigt ist die Frage, wie groß der kreative Beitrag eines einzelnen erwachsenen Sprechers zum Sprachwandel wirklich sein kann. Neuere Arbeiten von William Labov haben  mich davon überzeugt, dass der kindliche Spracherwerb entgegen dem, was ich früher dachte, sehr wohl zum Sprachwandel beitragen kann, nämlich dann, wenn die Sprachgemeinschaft selbst heterogen ist. Mit anderen Worten, wir brauchen nicht für jeden Fall von Sprachwandel anzunehmen, dass ein Erwachsener eine Innovation gemacht hat, die sich dann durch die Sprachgemeinschaft verbreitet. Im Fall der Metaphern scheint es jedoch nach wie vor plausibel, von einer solchen Innovation auszugehen, mehr als z.B. bei Metonymien. Wenn ich so ein Forschungzentrum leiten würde, würde ich in einem großangelegten Projekt überprüfen, ob diese Annahme richtig ist.

9. Welchen Bereich – außerhalb Ihres eigenen Forschungsgebietes – finden Sie besonders spannend?

10. Wer oder was hat Sie in Bezug auf die Erforschung der Metapher besonders geprägt?

Mich hat die Forschung zur historischen Semantik von Andreas Blank und Peter Koch an der FU Berlin in den 1990er Jahren sehr geprägt. Es war ein großes Privileg, daran teilhaben zu können.

11. Wie würden sie Kindern das erklären, was Sie gerade tun?

Ich sage, dass ich herausfinden will, warum Leute früher anders gesprochen haben als heute.

12. Welches Wissen würden Sie jungen Menschen über Metaphern und deren Wirkung mitgeben wollen?

Ich glaube, die Metaphernforschung kann Menschen dafür sensibilisieren, wie die Wahl des sprachlichen Ausdrucks selbst schon Botschaften transportiert.

13. Welches Fachbuch lesen Sie gerade und warum?

Ich lese gerade eine neue Biographie Ferdinand de Saussures, von John Joseph. Mich interessiert der historische und biographische Hintergrund Saussures.

14. Welchen Roman lesen Sie gerade und warum? Was gefällt Ihnen an diesem Roman?

Ich habe gerade F. Scott Fitzgeralds ersten Roman „This side of paradise“ gelesen. Mir gefällt daran die Schilderung der amerikanischen Gesellschaft vom Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive eines enorm privilegierten Jugendlichen, und die Schilderung seiner zunehmenden Desillusionierung aber auch Selbsterkenntnis in der Art eines Entwicklungsromans.

15. Welche hier nicht gestellte Frage ist für Sie wichtig oder vielleicht sogar die wichtigste?

Dr. Richard Waltereit

Arbeitsort:

Newcastle University (Newcastle-upon-Tyne)

Arbeitsschwerpunkte:

Meine Forschungsschwerpunkte sind die historische Sprachwissenschaft des Französischen und die anderer romanischer Sprachen, besonders des Italienischen. Generell interessiert mich, wie Sprachgebrauch sich auf Sprachwandel auswirkt. Ich habe besonders zu Grammatikalisierung, Reanalyse, Diskurs- und Modalpartikeln, und reflexiven Anaphern in diesen Sprachen gearbeitet.

Werdegang:

Ich habe an der FU Berlin promoviert, in Tübingen habilitiert und bin seit 2006 in Newcastle. Ich gebe Kurse in französischer und jetzt auch italienischer Philologie, forsche natürlich weiter in diesen Bereichen, betreue Doktoranden und bin Direktor unseres Centre for Research in Linguistics and Language Sciences.

 

Wichtigste Publikationen:

Zu meinen wichtigsten Publikationen würde ich meine drei Monographien Metonymie und Grammatik (1998), Abtönung (2006) und Reflexive Marking in the History of French (2012) zählen, sowie meine Aufsätze Modal particles and their functional equivalents (2001), Reanalysis vs. Grammaticalization (2002, mit Ulrich Detges), Imperatives, interruption in conversation, and the rise of discourse markers: a study of Italian guarda (2002), À propos de la genèse diachronique des combinaisons de marqueurs. L'exemple de bon ben et enfin bref (2007), Diachronic pathways and pragmatic strategies: Different types of pragmatic particles from a diachronic point of view (2009, mit Ulrich Detges).



[1]
            Es können alle Fragen, gerne aber auch ausgewählte Fragen, beantwortet werden. Es besteht keine Notwendigkeit, alle Fragen zu beantworten. Ein Teil der hier aufgeführten Fragen ist durch die Rubrik „12 Fragen an…“ der Zeitschrift GAIA inspiriert. Sie wurden thematisch verändert und um weitere Fragen ergänzt.