Die Entmachtung der Metapher Zur Dekonstruktion sprachlich vermittelter Feindbilder im europäischen Flüchtlingsdiskurs

Marco Agnetta

Marco Agnetta, Saarbrücken (m.agnetta@mx.uni-saarland.de)

Abstract

Angesichts der erhöhten und manchmal als bedrohlich empfundenen Immigration in die europäischen Länder nähren wir alltäglich anhand von Sprachbildern die einseitig negative Vorstellung vom Immigranten als einer Gefahr: Eingebürgert hat sich mittlerweile die Rede vom Flüchtling als Naturkatastrophe, Parasit oder Krankheitserreger. Sie wird oft nicht einmal mehr als problematisch empfunden. Solche diskriminierenden und darüber hinaus nicht nur von Rechtspopulisten immer wieder zur Manipulation instrumentalisierten Metaphern werden allerdings im gesamtgesellschaftlichen Rahmen zunehmend in Zweifel gezogen und systematisch dekonstruiert. Der vorliegende Beitrag will u. a. auf der Grundlage der kognitiven Metapherntheorie aufzeigen, welche verschiedenen kommunikativen Strategien mit diesem Ziel zum Einsatz kommen. Herangezogen werden dafür deutsche, italienische und französische Primärtexte aus dem Web, darunter Blogs, Blogkommentare, Tweets, Facebookseiten und online-journalistische Beiträge.

In view of the increased immigration to European countries, which is often perceived as menacing, we daily fuel the notion of immigrants being a danger by means of metaphors: talk of the refugee as a natural disaster, parasite or pathogen has now become established.
And this is often not even held to be problematic. However, such discriminating metaphors, which are often exploited by right-wing populists, have over the last few years increasingly been questioned and systematically deconstructed. Based on the cognitive metaphor theory the present contribution aims to show which different communicative strategies are used for this purpose. It compiles German, Italian and French primary texts from the Web, including blogs, blog comments, tweets, Facebook pages and online journalistic articles.

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Seite 11

1.   Einführung

Die kognitive Metapherntheorie, wie sie Lakoff und Johnson in unter­schied­lichen Studien, vor allem aber in ihrer vielzitierten Abhandlung Metaphors we live by (1980) umrissen haben, leitet bekanntlich eine Wende im Denken über Metaphern ein. Hier ist nicht der Ort, um diese Theorie noch einmal in er­schöpfender Weise zu würdigen. (Die meisten der nachfolgend zitierten, für unser Thema einschlägigeren Studien fußen auf der in dieser Abhandlung dargelegten Theorie.) Vielmehr kann es an dieser Stelle bei der nachfolgenden Auf­zählung von einigen Hauptthesen des kognitiven Ansatzes belassen wer­den, die u. a. Pielenz zusammengetragen hat und auf die im Laufe des vor­liegenden Beitrags mehrfach Bezug genommen wird:

  1. Der Mensch ist konzeptuell strukturiert.
  2. Das konzeptuelle System des Menschen bestimmt seine Wahrnehmungen und seine Handlungen.
  3. Das konzeptuelle System des Menschen ist wesentlich metaphorisch.
  4. Die menschlichen Handlungen und Wahrnehmungen sind wesentlich metaphorischer Art (Pielenz 1993: 66).

Diese aufeinander aufbauenden Grundaussagen greift auch Wehling in ihrem unlängst erschienenen Buch Politisches Framing (2016) auf, das in seinem essayistischen Stil zwar für den interessierten Laien konzipiert, jedoch auch für den Erforscher kognitiver Metaphern ein bündiges, formgerecht belegtes und v. a. praxisnahes Kompendium zur Hand gibt. Der Tenor dieser Aus­führungen führt zur Formulierung einer fünften These, die auch von Pielenz zwar immer wieder berücksichtigt wird, in seinem oben zitierten Katalog allerdings nicht explizit Eingang gefunden hat:

  1. Aufgebaut und aktiviert werden Teile des menschlichen Systems durch einkommende – in vielen Fällen: sprachlich vermittelte – Informationen.

Dies ist eine eigene Formulierung. Bei Wehling ist lediglich die Rede von der Sprache als „Schaltzentrale unseres Denkens“ (2016: 82). In der These 5 schwingt vielmehr die Überzeugung mit, dass einkommende Informationen nicht nur sprachlich vermittelt sein müssen und dass auch andere semiotische Ressourcen wie Bilder und Musik als solche „Schaltzentralen“ fungieren können. Gerade im Diskurs um die Metapher – davon zeugen auch die fol­gen­den Ausführungen an einigen Stellen – kann ja die Nähe des „Sprachbildes“ (der Metapher) zum „materiellen Bild“ (welcher Materialität auch immer: Photographie, Gemälde etc.) nicht geleugnet werden (vgl. Stöckl 2004: vi). Nach Stöckl kann ein Rezipient bei der Verarbeitung von materiellen und sprachlichen Bildern auf konzeptuelle Strukturen zurückgreifen, „die für beide gleiche kognitive Leistungen und Funktionen bereitstellen“ (2004: 226). Das beschriebene Verhältnis von Bild und metaphorischem Ausdruck nennt er „funktionale Isomorphie“ (ebd.).

Und schließlich muss eine letzte These Erwähnung finden, die im Folgenden Wichtigkeit erlangt:

  1. Der Aufbau und die Aktivierung von Teilen des menschlichen Systems erfolgt stets nach kulturspezifischen Regeln.

Auch dieser Umstand ist von Pielenz eingehend beschrieben worden (vgl. 1993: 87ff., 161–171);[1] er sei hier lediglich in der bündigen Form einer These noch einmal angeführt.

Der genannte Thesenkatalog, der im Übrigen auch von Lakoff/Wehling (2007/42016) in monographischer Breite ausgeführt wird und sicher auch noch erweiterbar ist, soll im Folgenden dabei helfen, ein aktuelles Phänomen hoher gesellschaftlicher Relevanz näher zu betrachten, nämlich den Einsatz und die diskursiven Funktionen der Metaphern im gegenwärtigen Reden über die Immigration von Flüchtlingen. Wie andere nur schwer fassbare, weil abstrakte Konzepte wird die als ‚Flüchtlingskrise‘[2] bezeichnete und oft als Bedrohung empfundene Einreise zahlreicher Migranten unter Zuhilfenahme meta­phorischer Wendungen greifbar gemacht und bewertet. Eine synoptische Darstellung der gebräuchlichsten konzeptuellen Metaphern, die im Flücht­lings­diskurs seit 2010 immer wieder aktiviert werden, haben für den italienischen und spanischen Diskurs Saiz de Lobado/Bonomi (2015) und für den deutschen Raum Wehling (2016: 167–179) vorgelegt. Die konzeptuellen Metaphern sind bekannt: Bei weitem der beliebteste Bildspenderbereich ist der einer verheerenden Naturgewalt, gefolgt von kriegerischen und biblischen Allusionen (vgl. Saiz de Lobado/Bonomi 2015: 122–126). Konkret ist etwa – um an dieser Stelle nur ein paar nominale Metaphern zu nennen – die Rede vom Migrantenstrom, vom Zufluss der Flüchtlinge; die Asylsuchenden werden als Welle, Flut, Tsunami, Lawine u. ä. bezeichnet. Die ganzen Bildspender­bereiche, auf die im Reden über Flüchtlinge rekurriert wird, beschwören zum Großteil unaufhaltsame Katastrophenszenarien herauf.

Im Folgenden wird es in Abgrenzung hierzu allerdings nicht vorwiegend um die „Konstruktion und den Gebrauch von Sprachbildern“ (so der Untertitel der deutschen Fassung von Lakoff/Johnson 1980/2011) gehen, sondern viel­mehr um die Infragestellung bzw. die gezielte gesellschaftliche De­konstruktion solcher metaphorischer Wendungen. Der Akzent soll also nicht primär auf den diskursiven Einsatz von Metaphern durch die ursprüng­lichen Sender gesetzt werden, sondern rückt vielmehr den Rezipienten in den Vorder­grund, der dieses immer auch zur Manipulation missbrauchte Sprach­mittel bewusst infrage stellt. Insofern wird die Frage wieder auf­gegriffen, die Pirazzini (1998) zwar schon aufgeworfen, allerdings in anderer als der hier präsentierten Weise beantwortet hat: „Wie können wir schon etablierte Metaphern widerlegen?“ Dass viele der erwähnten Metaphern mitt­ler­weile „etabliert“ sind, ja fast schon zum „Common Sense“ (Lakoff/Wehling 2007/42016: 31) in bestimmten Gesellschaftsschichten avanciert sind, zeigt z. B. der simple Umstand, dass die meisten uns aktuell anmutenden Metaphern wie „Flüchtlingsstrom“ und „Das Boot ist voll!“ bereits in früheren Diskursen über den Zuzug von Ausländern Verwendung gefunden haben, etwa in der Zeit des Nationalsozialismus und in den 1990er Jahren (vgl. Hönigsperger 1991).

Der vorliegende Artikel rückt in Übereinstimmung mit der dargelegten Zielsetzung nicht primär jene oft negativ konnotierte Einschätzung der Migrationsbewegung durch Politiker[3] und Teilen der politischen Berichter­stattung[4] in den Fokus, sondern vielmehr die kommunikativen Strategien, die von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren verfolgt worden sind, um auf den u. U. problematischen Metapherngebrauch in ebenjenen Reden und Texten hinzuweisen. Das bedeutet allerdings nicht, dass mittler­weile nicht auch einige Politiker und Journalisten für das Thema sensibilisiert sind. Alle konsultierten Primärquellen stammen aus dem Web, das bekanntlich die herkömmliche Kommunikationspraxis revolutioniert, die Rolle der Bürger als bloße Rezipienten aufhebt und in dieser Hinsicht u. a. das Potenzial aufweist, zum effektiven demokratischen Instrument zu werden. Herangezogen wurden genauer gesagt journalistische Blogs und die jeweils auf sie Bezug nehmenden Blog- bzw. Leserkommentare, andere journalistische Webformate sowie online-Publikationen, Youtube-Videos, Tweets und Facebook-Seiten (vgl. 5.1). Verfolgt wird in diesem Rahmen ein theoretisch-systematischer Ansatz, weswegen die Analyse notwendigerweise kursorisch bleibt und sich auf einige wenige, aber aussagekräftige Exempla beschränkt. Es wird sich dabei zeigen, dass sich die meisten der von Debatin 1995 vorgestellten und 2011 nochmals synoptisch aufgegriffenen „Operationen“ (2011: 198ff.) zur kritischen Metaphernreflexion auch bei der Dekonstruktion der oben ge­nannten Metaphern ausfindig machen lassen. Andererseits kann Debatins Liste aber auch um weitere Strategien zur Metaphernkritik ergänzt werden.

2.   Zur Ausgangslage: Die metaphorische ‚Fabrikation des Feindes‘

Die Überschrift dieses Abschnitts bezieht sich auf einen Essay Umberto Ecos, der u. a. Folgendes konstatiert:

Einen Feind zu haben ist nicht nur wichtig, um die eigene Identität zu definieren, sondern auch, um sich ein Hindernis aufzubauen, an dem man das eigene Wertesystem demonstrieren und durch dessen Bekämpfung man den eigenen Wert beweisen kann. Deshalb muss man, wenn man keinen Feind hat, sich einen fabrizieren (Eco 2011/2016: 9).

Der Feind, das sind im gegenwärtigen europapolitischen Diskurs nicht zuletzt die Flüchtlinge, die in der täglichen Berichterstattung manchmal mehr, manch­mal weniger subtil als ein solcher beschrieben werden, indem ihr be­drohliches Anderssein in den Mittelpunkt gerückt wird:


 

Il discorso dominante sull’immigrazione e i suoi protagonisti, più che risaltare le affinità e i punti di contatto, tende a mettere in evidenza le differenze (spesso negative) rispetto a l’emittente della comunicazione (Saiz de Lobado/Bonomi 2015: 116).

Dies ist auch nach Eco (2011/2016: passim) die Hauptkomponente bei der Fabrikation des Feindes. Da Eco eine andere Akzentsetzung verfolgt, geht er in seinem lesenswerten Essay nicht näher darauf ein, dass die von ihm als unabdingbar beschriebene „Fabrikation“ des Feindes in vielen Fällen durch den Einsatz von Metaphern vollzogen wird.

Da Feindbilder in intersubjektiv plausibler Weise vermittelt werden sollen, werden sie in einen argumentativen Kontext eingebunden. In einem solchen fungiert die Metapher, wie spätestens mit Pielenz’ herausragender Studie Argumentation und Metapher deutlich geworden ist, als „ein Verfügungsraum oder Bündel von Schlußregeln“ (Pielenz 1993: 105; Hervorhebungen im Original). Auf diesen Gedanken soll im Folgenden eingegangen werden. Metaphern stellen nach Pielenz einen integralen Bestandteil alltäglicher und wissen­schaftlicher Argumentationen dar. Insofern weisen sie eine Parallele zur Aristotelischen Topik auf (vgl. 1993: 13 und insbes. 119–139). Die argumen­­tative Logik einer Metapher wie die von der Flüchtlingswelle, ‑flut oder ‑lawine könnte also durch den folgenden Syllogismus klassischer Form vereinfacht dargestellt werden:

Funktion im Syllogismus

Argumentationsschritte

Textpragmatische Funktion

Prämisse 1 (P1),
Obersatz

Wellen/Fluten/Lawinen sind gefährlich.

Vorausgesetztes und anhand der Textmetapher aktiviertes Welt- bzw. Erfahrungswissen

Prämisse 2 (P2),
Untersatz

Flüchtlinge sind Wellen/ Fluten/Lawinen.

Textuelle Metapher

Schlussfolgerung (S)

Ergo: Flüchtlinge sind gefährlich.

Explizierte oder implizierte Konklusion

(P = Prämisse; S = Schlussfolgerung)

Durch die Verwendung einer textuellen Metapher (z. B. „Flüchtlingsflut“) (P2), die sich als Aktualisierung einer konzeptuellen Metapher (Migrations­bewegung als Naturgewalt) beschreiben lässt, aktiviert der Sender beim Rezipienten die zur Interpretation relevanten Wissensbestände über den Bildspenderbereich (P1).[5] Diese senderseitige Inbezugsetzung zweier unter­schied­licher Konzepte veranlasst den Rezipienten zur Projektion von Merk­malen des Bildspenders auf den Bildempfänger und schließlich zu einer ent­sprechen­den Inferenzziehung (S). Der besprochene Syllogismus lässt sich in etwas ver­änderter Form anhand des auch von Pielenz (1993: 52) herange­zogenen Argumentationsmodells von Öhlschläger (1979: 99) folgendermaßen veran­schaulichen:

Abb. 1: Argumentationsmodell nach Öhlschläger (1979: 99) und Anwendung

Der Sender verwendet die Metapher der „Flüchtlingswelle“ als Argument zur Stützung der zu legitimierenden, also noch in Frage stehenden Konklusion „Flüchtlinge sind gefährlich“, indem er dem Rezipienten die Analogie zwischen einreisenden Menschen mit einer Naturbedrohung nahelegt.[6] Wenn nun Pielenz (1993: 105) die Metapher als „Verfügungsraum oder Bündel von Schlußregeln“ beschreibt, meint er damit die konzeptuelle Metapher – in diesem Fall: Migrationsbewegung als Naturkatastrophe –, die durch die textuelle Metapher als Argument evoziert wird und gleichzeitig auch das zur Konklusion führende Weltwissen aktiviert. Die Schlussregel bzw. Schluss­präsupposition, auf deren Grundlage der Inferenzprozess stattfindet, muss, wie Pielenz (1993: 30f.) weiter beobachtet, „nicht notwendig expliziert werden – implizit ist sie als Grundlage des Schrittes vom Datum [sc. Argument] zur Conclusion in jeder Argumentation enthalten“. Und auch kann gerade in der um correctness bemühten politischen Rede die in diesem Fall allzu eindeutige und daher sanktionswürdige Konklusion unausgesprochen bleiben. In diesem verkürzten und vom Rezipienten zu ergänzenden argumentativen Dreischritt liegt ja eben die suggestive Kraft der Metapher. Insofern fungiert die textuelle Metapher auch als Face-Saving-Strategie.

In argumentationstheoretischer Hinsicht sind Rezipienten dann anfällig für Manipulation, wenn sie die Gültigkeit eines Syllogismus mit dessen Wahr­heitsgehalt gleichsetzen. Die Gültigkeit bezeichnet dabei allein die logische Stringenz, mit der sich S aus P1 und P2 ableiten lässt. Der Wahrheitsgehalt hingegen ergibt sich aus der Übereinstimmung der Prämissen mit der gege­benen Realität. Auf diesen wesentlichen Unterschied geht Pielenz (1993: 18) mit folgendem Beispiel ein:

Funktion im Syllogismus

Argumentationsschritte

P1

Alle Fische haben Flügel.

P2

Wale sind Fische.

S

Wale haben Flügel.

 

 

Dieser Syllogismus kann Gültigkeit für sich beanspruchen, basiert aber auf unwahren Prämissen. Die Differenz zwischen Gültigkeit und Wahrheit ist hier leicht zu durchschauen, da der durchschnittliche Rezipient auf der Grundlage seines Weltwissens den Wahrheitsgehalt dieser Aussage – wenn sie nicht etwa in einem fiktionalen Rahmen zu verorten ist – richtig einzuschätzen weiß. Dies ist allerdings nicht immer der Fall bei einer metaphorischen Argumentation. Insofern die Metapher bestimmte Rezeptionswege zutage fördert und andere unterschlägt, fungiert sie als Legitimationsbasis für gewisse, auch verkürzende und daher problematische Konklusionen. Diese wiederum werden jedoch nicht als solche wahrgenommen, weil sie durchaus argumentative Gültigkeit und Plausibilität (nicht aber Wahrheitskonformität) für sich beanspruchen können.

3.   Strategien zur Dekonstruktion metaphorisch konstruierter Feindbilder

Die oben (s. Kap. 1) genannten Thesen (3) und (4) der kognitiven Metaphern­theorie heben hervor, dass der Mensch nur mithilfe metaphorischer Systeme Sach­­verhalte wahrnehmen, Gedanken fassen und letztlich sein Handeln steuern kann. Metaphern sind allerdings, wie Sprachwissenschaftler von Bühler (1934/1982: 179) bis Wehling (2016: 72, 80) immer wieder herausstellen, stark selektiv und eignen sich deshalb auch zur ideologischen Perspekti­vierung bestimmter Sachverhalte. Solche u. U. manipulative Metaphern finden im politischen Diskurs und der sich auf diesen beziehenden Berichterstattung tagtäglich Verwendung (vgl. Lakoff/Wehling 2007/42016). Dass Teile unserer Wahrnehmungen, Denkprozesse und Handlungen sprachlich fremdgesteuert sind und damit einem gewissen – auch dem Missbrauch durch Dritte offen­stehenden – Automatismus unterliegen, kann fatalistisch anmuten. Der politische Diskurs ist aber keine Einbahnstraße, sondern ist dialogisch angelegt. Und in jedem Dialog geht es um Aushandlung der Inhalte und der zu deren Übermittlung adäquaten Ausdrücke. Es obliegt also in erster Linie der Rezipientenschaft, manipulative Sprachverwendung zu durchschauen. Wo der Feind unter (oder auch ohne) Zuhilfenahme von Metaphern bereits ‚fabriziert‘ wurde, muss eine mündige, kritische und demokratische Gesell­schaft um die Dekonstruktion solcher Feindbilder bemüht sein. Diesem An­liegen kann in Form eines „bewussten Journalismus“ entsprochen werden, wie ihn Lakoff/Wehling (2007/42016: 176ff.) skizzieren. Aber es können auch institutionell organisierte gesellschaftliche Organe geschaffen werden, welche die Funktion einer um Objektivität und Perspektivenvielfalt bemühten Instanz übernehmen. Die öffentliche Beschreibung der Vielfalt der Meinungen und Gegen­meinungen fungiert dann als gesellschaftliches Korrektiv zu der Ver­mittlung einzelner Weltbilder durch Politiker und Parteien, die in Bezug auf die Realität oft und gewollt fragmentarisch bleiben.

In den folgenden Abschnitten wird es darum gehen, „gegenargumentative Techniken“ (Pirazzini 1998: 174) zu sammeln, die ihren Ausgang nehmen von einer gegebenen und als manipulativ empfundenen Argumentation durch Metaphern. Denn zwar kann man der Macht von Metaphern – hierin kann mit der kognitiven Metapherntheorie übereingestimmt werden – nicht prinzipiell entgehen, sehr wohl aber der manipulativen Macht einzelner und von einem Kollektiv als problematisch eingestuften Metaphern. Mit welchen kommuni­kativen Strategien dies von statten laufen kann, soll nachfolgend beschrieben werden.

Debatin hat bereits „sechs verschiedene Operationen“ (2011: 198) zur Me­taphern­kritik zusammengetragen. Die folgende Aufzählung stützt sich auf seine eigene synoptische Darstellung (vgl. 2011: 198–201). Exemplifiziert werden die einzelnen Arten der Metapherndekonstruktion am Beispiel der Metapher vom Flüchtlingsstrom. (1) Die erste Strategie besteht in der Wieder­belebung und (Re‑)Metaphorisierung verblasster Metaphern und weiterer lexika­lisierter Ausdrücke, um die dahinterstehende strukturierende konzeptuelle Metapher bzw. den Bildspenderbereich und seine diskursiven Implikationen aufzudecken. Die Rede vom Flüchtlingsstrom ist in vielen europäischen Ländern, wie einige der bisher bereits im Fußnotenapparat zitierten Beispiele gezeigt haben, eine mittlerweile lexikalisierte Metapher, die von ihren Ver­wendern oft sogar als unproblematisch angesehen wird. Dennoch gehört diese textuelle Metapher zur Konzeptmetapher Flüchtling als Naturgewalt und favorisiert in subtiler Weise die Beschreibung des Flüchtigen als dingliche Be­drohung. Durch die Remetaphorisierung soll dieses unbewusste Schlussver­fahren ins Bewusstsein gerückt werden. (2) Eine zweite Strategie besteht in der metaphorischen Erweiterung bzw. im kreativen Fortspinnen einer gegebenen konzeptuellen Metapher. Diese Strategie könnte im gegenwärtigen Flücht­lings­diskurs beispielsweise dann Anwendung finden, wenn man davon sprechen würde, dass Flüchtlingsströme letztlich auch die Mühlen westlicher Wirtschaften ankurbeln. (3) Weiterhin können gegebene Metaphern eine Veränderung und Transformation erfahren, d. h. die vormalige Intention hinter einer Metaphernverwendung wird durch eine Reinterpretation ins Gegenteil verkehrt. Es könnte in Bezug auf den Flüchtlingsstrom beispielsweise auch die positive Eigenschaft des Wassers als Lebensspender hervorgehoben werden, anstatt allein von der Bedrohlichkeit großer Wassermassen zu sprechen (das Beispiel in (2) beinhaltet bereits ansatzweise eine solche positive Reinter­pretation). (4) Eine Metapher kann auch durch gezieltes Wörtlichnehmen, also gewissermaßen von innen her dekonstruiert werden. Wasserströme etwa können verschiedensten Sportarten als Voraussetzung dienen. Solche Konnota­tionen werden allerdings mangels Relevanz in der gegenwärtigen Flücht­­lings­debatte nicht aktiviert. Würden sie es doch, könnten sie gegebenen­falls die gesamte konzeptuelle Metapher ad absurdum führen. (5) Wider­sprochen wird einer Metapher z. B. auch dadurch, dass der Sachverhalt, um den es geht, anhand einer anderen Metapher konzeptualisiert wird. Debatin nennt dieses Phänomen „Metaphernkonfrontation“ (vgl. ebd.: 200). Ein Beispiel hierfür ist die unten näher beschriebene Ergänzung der Metapher Flüchtling als Naturgewalt anhand derjenigen des Flüchtlings als willkommener Gast. (6) Als letzte Dekonstruktionsstrategie führt Debatin die Historisierung der gegebenen Metapher an, die auf einen bestimmten historisch-kulturellen Bedeutungshorizont zurückgeführt und dadurch in ihrem Geltungsbereich ein­gegrenzt wird.

Im vorliegenden Beitrag soll von den vorliegenden Korpustexten (vgl. 5.1) ausgegangen und die Strategien zur Entmachtung der negativ konnotierten Flücht­lings­metaphern zusammengetragen werden. Die beobachteten dis­kursiven Mittel decken sich zum Teil mit den von Debatin beschriebenen Operationen der Metaphernreflexion, können diese allerdings auch um weitere ergänzen. Dies sei nachfolgend in tabellarischer Form dargestellt, bevor die nachstehenden Kapitel die rechte Spalte detailliert wiederaufgreifen:

Debatin (2011: 198ff.)

Vorliegender Beitrag

(1) Wiederbelebung der Metapher

Die Paraphrase im Dienste der Metaphernkritik (3.1.2)

(2) Metaphorische Erweiterung

 

(3) Transformation der Metapher

 

(4) Erschöpfung der Metapher

 

(5) Metaphernkonfrontation

Vielfalt der Bildspender (3.1.1)

(6) Historisierung der Metapher

 

 

(7) Vielfalt der Bildempfänger; Bsp.: Metaphern­parodie (3.1.3)

 

(8) Globale gegen nationale Diskurse (3.1.4)

 

(9) Bild gegen Sprachbild (3.2)

 

Zunächst soll aber noch einmal auf die Selektionsmechanismen der Metapher eingegangen werden, die diese für Manipulation und Propaganda so wertvoll machen. Es wird sich nämlich zeigen, dass sämtliche Strategien zur Me­taphern­kritik u. a. darauf abzielen, der selektiven Arbeit von Metaphern entgegen­zuwirken.

3.1 Vielfalt gegen Selektion

„Wie man so sagt, nichts funktioniert so gut wie eine Kamera, wenn es darum geht, aus einem Berg einen Maulwurfshügel zu machen“, schreibt Goodman (1968/1973: 27) in seiner bekannten Monographie Sprachen der Kunst, wenn er daran geht, jegliches Sehen als selektives, weil stets von einer bestimmten Perspektive aus erfolgendes Erblicken zu definieren. Mit einem Bild, und hier ist genauer eine Photographie gemeint, lässt sich eine Perspektive fest- und jemand anderem vorhalten. Selten aber wird dieser selektive Charakter hinter­fragt, denn ein Photo fixiert scheinbar objektiv Gegebenes und Wahrhaftes (vgl. Barthes 1964/1993: 1424) und leistet deswegen ganze Überzeugungs­arbeit. Ähnlich geschieht dies auch bei sprachlichen Bildern.

Das von der kognitiven Metapherntheorie als unvermeidbar charakterisierte Denken in Sprachbildern (vgl. These 3 und 4 in Kap. 1), legt den Benutzer auf eine bestimmte Perspektive auf einen zu erfassenden Gegenstand bzw. Sachverhalt fest. Als Metaphern­rezipient muss man sich dieser Tatsache bewusst sein: Ein sprachlicher Input, in diesem Fall die im politischen Kontext geäußerte Metapher, reduziert unsere Wahrnehmungs-, Verarbeitungs-, Interpretations- und Handlungs­fähigkeit (vgl. Lakoff/Wehling 2007/42016: 13–31; Wehling 2016: 20–80). Dieser Mechanismus, der die Komplexität eines zu Erfassenden herabsetzt, ist eines der wichtigsten Merkmale der Metapher und er trägt dazu bei, dass wir uns Abstraktes oder gar Unbekanntes in ökonomischer Form erschließen und aneignen können. Aber wie genau lässt sich die Fähigkeit von Metaphern, „Wissen [zu] schaffen“ (vgl. Jäkel 2003), mit ihrer notwendigerweise immer selektiven Wirkung vereinbaren, wo doch ein Phänomen immer nur dann als vollumfänglich verstanden gilt, wenn es in seiner Ganzheit und nicht nur in Teilen beschrieben wurde? Ist wahre Erkenntnis durch notwendigerweise selektive Metaphern überhaupt möglich?

Um sich an einer Antwort auf die Frage nach dem Wirklichkeitsbezug der Metapher zu versuchen, kann ein kleiner Exkurs zur epistemischen Funktion von Sprache im Allgemeinen vorgenommen werden. Für sich genommen ist nämlich bereits die Einzelsprache als Werkzeug zur Erkenntnis nichts anderes als das Ergebnis einer Selektion. Zur Veranschaulichung dieses Sachverhalts kann auf einen Vergleich eingegangen werden, den Mitte der siebziger Jahre Louis Hjelmslev geprägt hat: Sehr vereinfachend zusammengefasst bezeichnet der dänische Strukturalist einen gedanklichen Sachverhalt, auf den über Zeichen Bezug genommen wird, als zunächst sprachunabhängigen, unsicht­baren „Inhaltssinn“ (Hjelmslev 1974: 55) bzw. als „ein unanalysiertes amorphes Kontinuum“ (ebd.: 56). Dieser Inhaltssinn liegt im Verborgenen und ist eben allein durch die einzelsprachlichen Zeichen sichtbar, die zu seiner Beschreibung verwendet werden, die sog. „Inhaltsform“ (ebd.: 56). Sie macht die „amorphe ‚Gedankenmasse‘“ in dieser bestimmten Form als „Inhalts­substanz“ erfahrbar. Der Vergleich, den Hjelmslev bringt, ist nun folgender: Die Form wird auf den Gedanken bzw. die Sinnzone projiziert „wie ein ausgespanntes Netz seinen Schatten auf eine ungeteilte Fläche niederwirft“ (ebd.: 60). Die kontinuierliche Oberfläche des unsichtbaren dreidimensionalen Gegenstands wird durch die Projektion des Schattens auf sie also teilweise sichtbar gemacht.

Abb. 2: Eigene Darstellung der Erschließungsfunktion der Sprache nach Hjelmslev

Angewendet auf den hier interessierenden Gegenstand bedeutet dies: Auch der Gebrauch bestimmter Metaphern (als Zeichen bzw. Inhaltsform) verhält sich wie eine Netz, das seinen Schatten über den zu erklärenden Sachverhalt (Inhaltssinn) wirft. Sichtbar ist allerdings nur jener Teil des Inhaltssinns, der vom Schatten des Netzes erfasst wird (d. h. die Inhaltssubstanz). Die von der Projektion nicht erfassten, nur intuierbaren Zwischenräume liegen weiterhin im Verborgenen. Darin liegt ja gerade die selektive Funktion der Metapher begründet: Es wird eben nicht alles an einem Sachverhalt sichtbar gemacht, sondern nur jene Konstituenten, die von der eigenen Struktur erfasst werden. Und so kann auch der Rezipient der metaphorischen Rede den bezeichneten Sachverhalt nur so erkennen, wie die Metapher diesen präsentiert.

Wie die Kognitionsforschung bewiesen hat, bestimmen die in einem Diskurs ge­brauchten Metaphern, was wir in der durch sie beschriebenen Angelegenheit denken – und was nicht (vgl. These 5). Lakoff/Wehling (2007/42016: 28) bringen für diesen Umstand die bündige Formel ins Spiel: „Metaphors hide and highlight“. Analog hierzu sind schon für Black (1962: 34) Metaphern „half concealing, half revealing“. Für den Metaphernrezipienten kann dies nun mehrere Auswirkungen haben: Handelt es sich bei dem zu Verstehenden um eine unbekannte Größe, kann eine Metapher, so selektiv sie auch ist, eine nützliche Hilfestellung zu ersten Konzeptualisierung sein. Die Metapher ist damit ein höchst effektives Lerninstrument, denn durch die Analogie mit einem bereits bekannten Bildspenderbereich wird der bild­empfangende Bereich nach und nach erschlossen. Volle Erkenntnis dieses Gegenstands oder Sachverhalts erlangt ein Rezipient allerdings – Hjelmslevs Metapher aufgreifend –, wenn er versucht, das erschließende Netz immer eng­maschiger werden zu lassen, um das amorphe Kontinuum immer detaillierter abzubilden. An dieser Stelle muss aber darauf hingewiesen werden, dass auch Hjelmslevs metaphorischer Vergleich seine Grenzen aufweist, denn schließlich wirft ein immer engmaschigeres Netz einen immer dichteren und folglich auch die Sicht auf den Gegenstand erschwerenden Schatten. Man kann also eine andere, ähnliche Metapher heranziehen, um das abstrakte Phänomen des Metaphernwirkens zu beschreiben. Als eine solche Veranschaulichung kann die Vorstellung eines Drahtgittermodells helfen. Ein Drahtgittermodell ist ein v. a. in den Ingenieurswissenschaften verwendetes Instrument zur Darstellung dreidimensionaler Gegenstände, das die Kanten und Oberflächen­ver­än­derungen desselben anhand eines Netzes abbildet. Je engmaschiger dieses Netz ist, umso authentischer bildet das Drahtgittermodell den Gegenstand ab, auf den es verweist.

Eine Metapher wirkt wie ein solches Drahtgittermodell. Sie ist zwar selektiv-vereinfachend, vermag aber einen Gegenstand oder Sachverhalt abzubilden, d. h. erfahrbar zu machen. Aus der allgemeinen kognitionswissenschaftlichen Beobachtung, dass wir nur in Metaphern denken können, und der gleich­zeitigen Ambition eines reflektierten Menschen, die selektive Wirkung von Metaphern zu hinterfragen, ergibt sich nun die Frage danach, auf welche Weise man sein Erkenntnisspektrum in Bezug auf einen Sachverhalt erweitern kann. Ein mündiges Individuum und eine ebensolche Gesellschaft, der bzw. die eine Sachlage wirklich durchdringen will, begnügt sich nicht mit nur einer Perspektive auf denselben. Er konsultiert verschiede Redeweisen über den ihn interessierenden Sachverhalt, die auf den zu verstehenden Umstand ein anderes als das schon bekannte Netz projizieren, und dann wieder ein anderes etc. Nur durch die Überlagerung mehrerer – metaphorischer wie nicht-metaphorischer – Redeweisen wird das auf den zu erfahrenden Gegenstand projizierte Netzt immer engmaschiger, nur so werden die Zwischenräume des Nicht-Erkannten immer kleiner. Der Nach‑, ja, Mitvollzug mehrerer und unterschiedlicher metaphorischer und nicht-metaphorischer Reden über den gleichen Gegenstand wirken dem selektiven Mechanismus einer einzelnen konzeptuellen Metapher entgegen. In den folgenden Unterkapiteln sollen deswegen einige Strategien vorgestellt werden, die den Zweck haben, einer etablierten metaphorischen Redeweise zusätzliche Perspektiven zur Seite zu stellen.

3.1.1   Vielfalt der Bildspender

Eine Möglichkeit, das heuristische Netz, das zur Erklärung der gegenwärtigen Flüchtlingseinwanderung herangezogen wird, immer engmaschiger zu ge­stalten, ist die Superposition oder Pluralität unterschiedlicher und durchaus auch miteinander konkurrierender konzeptueller Metaphern. Im vorange­gan­genen Abschnitt zum Beispiel konnten wir dies bereits experimentieren: Das Verständnis von der Wirkungsweise der Metapher konnten wir nach einer ersten Annäherung über einen Vergleich von Hjelmslev (Schatten­projektion) noch weiter verfeinern, indem wir eine andere Metapher (Drahtgittermodell) hinzugezogen haben. Die Selektionsmechanismen einer Metapher werden dadurch aufgedeckt, dass zusätzliche und anders strukturierte Metaphern diese ergänzen oder gar anfechten. Für die wissen­schaftliche Metaphern­analyse muss hier ein onomasiologischer Ansatz zum Tragen kommen, der „von der Sache des Zielbereichs ausgehen und sämtliche Metaphern untersuchen“ (vgl. Jäkel 2003: 128; vgl. auch ebd.: 132) würde, die zur Beschreibung des einen Bildempfängers, in diesem Fall der Einwanderung flüchtiger Menschen, herangezogen werden. Der Rezipient, der mit unter­schied­lichen Metaphern für diesen einen Sachverhalt konfrontiert ist, versucht bei seiner Interpretation die nicht zusammenpassenden oder einander wider­sprechenden Aussagen miteinander zu vereinbaren und gelangt so zu neuer Erkenntnis. Die Pluralität der Metaphern bedeutet für den Rezipienten damit einen Zuwachs an Wahrnehmungs-, Deutungs- und letztlich auch Handlungs­rahmen.

Von Nahem betrachtet gehört die konzeptuelle Metapher vom Flüchtling als Naturkatastrophe zu einer einseitigen Beschreibung. Stefanowitsch bringt es auf den Punkt, wenn er in seinem Blog schreibt: „mit der Flut­me­tapher lässt sich nichts Positives über Flüchtlinge und den Umgang mit ihnen sagen“ (Stefanowitsch 19.01.2016).[7] Diese und ähnliche Metaphern lassen positive Assoziationen mit Flüchtlingen schlicht nicht zu, fördern statt­dessen Vorurteile zutage und stehen letzten Endes dem Aufbau jeglicher Empathie im Weg. Gegen diesen selektiven Sprachgebrauch wenden sich Initiativen von (auch prominenten) Einzelpersonen und Gruppen im Netz, die seit etwa 2013[8] unter dem erfolgreichen Motto „refugees welcome“ eine neue kon­zeptuelle Metapher immer weiter stärken, nämlich die vom Flüchtling als Gast. Die rege aktiven Facebook-Gruppen @RefugeesWelcome, @fluechtlingewillkommen und @refugeeswelcomeitalia zählen am 20.08.2017 rund 36.750, 58.540 bzw. 18.640 Mitglieder. Das Titelbild der letztgenannten Gruppe nennt das programma­tische Ziel in Form eines klaren Adhortativs: „Creiamo insieme una nuova cultura dell’accoglienza“. Das Bild der Gastfreundschaft („accoglienza“), das auch in Deutschland (vgl. z. B. Matuschek 01.09.2015; Löbbert 13.09.2015), Frankreich (vgl. Agier 14.10.2016) und jüngst noch einmal vom Papst Franziskus (vgl. Vatican Insider News 14.08.2017) evoziert wird, legt in radikaler Abgrenzung zu den oben genannten Metaphern neue Perspek­tiven auf die Migranteneinfuhr frei. Die Reifizierung der Einwanderer zur Naturkatastrophe wird aufgehoben. Der Fatalismus angesichts einer höheren Naturgewalt weicht einem Grundmuster zwischenmenschlichen Ver­haltens: Es handelt sich bei den Flüchtlingen nunmehr um ebenbürtige Menschen, wenn nicht gar um gern gesehene Freunde, die man sich ins Haus holt, um mit ihnen zu feiern und zusammenzuleben. Die aufnehmende Gesell­schaft besetzt nicht mehr die Rolle des Opfers, sondern ihre Mitglieder werden zu selbstbestimmten „Herbergseltern“ (Löbbert 13.09.2015).[9] Und obwohl die konzeptuelle Metapher von der Gastfreundschaft auch den logischen Schluss zulässt, dass Flüchtlinge eben nur auf Zeit geduldet werden, und dieser wiederum von Rechtspopulisten instrumentalisiert werden könnte (vgl. Stefanowitsch 19.01.2016), bestimmte dieses Sprachbild beispielsweise die Hand­­lungen jener Personen, die im September 2015 am Bahnhof München standen, um die ankommenden Flüchtlinge wärmstens willkommen zu heißen (vgl. SZ.de 05.09.2015).

Eine andere, primär positiv konnotierte Metapher wäre die vom Flüchtling als Bereicherung, wie sie etwa der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, im Oktober 2015 aufgegriffen hat (vgl. Welt N24 30.10.2015). Auch sie findet sich im gegenwärtigen Immigrations­diskurs, auf sie kann hier aber aus Platzgründen nicht nach­gegangen werden. Es sei hier nur die Bemerkung gestattet, dass auch diese Metapher leicht zu dekonstruieren wäre, wenn man z. B. Bereicherung als Aus­beutung interpretiert.

Der Flüchtling als Naturkatastrophe – der flüchtige Mensch als Gast. Das letztgenannte Sprachbild ersetzt nicht das erste, sondern gesellt sich zu ihm – vor allem nach den etlichen, über die Medien verbreiteten Aufrufen prominenter Deutscher (vgl. Welt 27.08.2015; Focus online 30.12.2015), die damit für viele als Vorbild wirkten. Die früheren und traditionellen Metaphern sind allerdings nicht apriorisch falsch, sondern beinhalten eben jenen ernstzunehmenden Verweis auf eine womöglich irrationale, aber dennoch deutlich spürbare und reale Angst vor dem Fremden. Ein neuer Bild­spenderbereich bietet Rezipienten aber eine konzeptuelle Alternative; und das bedeutet, um mit der kognitiven Metapherntheorie zu sprechen, dass andere Denk- und Handlungsschemata zur Verfügung gestellt werden. Durch die Überlagerung dieser zwei konkurrierender heuristischen Netze bzw. durch die „Metaphernkonfrontation“ (Debatin 2011: 200) kann die Gesellschaft ihre Erkenntnisse über einen Sachverhalt erhöhen. Weil zwei verschiedene Me­taphern unterschiedliche Selektionen vornehmen, unterschiedliche Größen mit unterschiedlichen Beziehungen zueinander abbilden, können sie ge­meinsam betrachtet bereits ein authentischeres Bild vom darzustellenden Sachverhalt abgeben als sie dies getrennt voneinander vermögen. Die Inbezug­setzung zweier unterschiedlicher metaphorischer Projektionen be­deutet für den Rezipienten eine differenziertere Sicht auf den jeweiligen Sach­verhalt, und diese eröffnet ihm in letzter Konsequenz ein breiteres Handlungs­spektrum.

3.1.2   Die Paraphrase im Dienste der Metaphernkritik

Die Vielfalt der Perspektiven, die bereits als heuristisch wertvoll beschrieben wurde, kann nicht nur durch die Hinzuziehung unterschiedlicher Metaphern für den gleichen Bildempfänger erzielt werden, sondern auch durch andere Mittel, etwa durch die um Wörtlichkeit bemühte Metaphernparaphrase. Die Metapher als Mittel zur Erkenntnis muss daher nicht alternativlos bleiben. Im Kontext der Metaphernkritik zielt die wörtliche Paraphrase darauf, die u. U. unbemerkt zirkulierenden Metaphern als solche ins Bewusstsein treten zu lassen. Dies beinhaltet auch Debatins erste „Operation“ zur Metaphern­reflexion, d. h. die (Re-)Metaphorisierung verblasster Metaphern und anderer Lexeme, die gemeinsam einen einheitlichen Bildspenderbereich konturieren (vgl. Debatin 2011: 198f.). Die Remetaphorisierung kann auf unterschiedlichen Wegen erzielt werden, etwa durch graphische Hilfsmittel wie An­führungszeichen („begreifen“), ein Bindestrich (be-greifen), die Kursivierung (‚begreifen‘) (vgl. Jäkel 2003: 51f.) sowie durch die Auflösung einer Metapher in Form eines Vergleichs, ist doch die Vergleichspartikel ‚wie‘ oder ‚als‘ bereits eine Abschwächung der mit der Metapher intendierten Gleichung (man beachte den pragmatischen Unterschied zwischen ‚Immigrantenstrom‘ und ‚Immigranten sind wie ein Strom‘).

Auch bei der Paraphrasierung der Metapher ist das Ziel die Aufdeckung der Selektion, die mit dem Sprachbild einhergeht. Allgemein wird das tertium comparationis zwischen Bildspender und Bildempfänger eruiert, um Aussagen darüber zu machen, inwiefern eine Metapher für die Beschreibung eines Sachverhalt legitimierbar ist und ob das zu Verstehende durch die verwendete Metapher erschöpfend oder eben nur fragmentarisch wiedergegeben ist. Zum Beispiel mag der Flüchtling insofern mit einer Flut verglichen werden, als sich einige Bürger durch ihn bedroht fühlen. Empfundene Bedrohlichkeit fungiert in einem solchen Argumentationszusammenhang als tertium comparationis zwischen wörtlicher und metaphorischer Rede. Der Flüchtling wird durch die Flutmetapher gleichzeitig aber auch reifiziert. Von denen, die ein Interesse an der Metapherndekonstruktion haben, kann diese Reifizierung deswegen kritisiert werden, weil hier unzulässigerweise ein tertium comparationis (nämlich ‚Unbelebtheit‘) eingeführt wird, das nicht auf beide Vergleichs­größen zutrifft. In den letzten Jahren weisen Beiträge im Netz vermehrt auf die Asymmetrie in solchen konstruierten und womöglich stillschweigend hinge­nommenen Gleichungen hin. Die hier mehrfach zitierte Sprach- und Metaphernforscherin Wehling (18.03.2016) z. B. meldet sich auf der Website von Spiegel Online selbst mit einem Gastbeitrag zu Wort. Und auch wird in einem Artikel auf evangelisch.de auf die einseitig negative Darstellung von Flüchtlingen durch Naturmetaphern hingewiesen (vgl. Klein 13.11.2015).

Gestützt wird die wörtliche Paraphrase und Erklärung einer Metapher durch Fakten. Zwar bemerkt Wehling zu Recht, dass im politischen Diskurs sehr oft die Aktivierung (metaphorischer) Frames und nicht die Darlegung von Fakten entscheidend ist (vgl. Wehling 2016: 17, 42, 45). Doch gerade die Bürger, auf die es bei der politischen Entscheidungsfindung nun einmal auch ankommt, muss dieser Umstand nahegebracht werden. Erst auf der Grundlage glaub­hafter Fakten, nicht subtil vermittelter Metaphern kann ein mündiger Bürger verantwortliche Handlungsentscheidungen treffen. Aus diesen Gründen hat etwa der gemeinnützige Verein Pro Asyl mittlerweile in der dritten Auflage die Broschüre Pro Menschenrechte. Contra Vorurteile (32017) herausgegeben, in der er „Argumente und Fakten für eine sachliche Diskussion“ (Pro Menschen­rechte 2017: 3) rund um die Einwanderung von Flüchtlingen zusammen­getragen hat. Im letzten Abschnitt gibt die Broschüre den Lesern Tipps zur Hand, deren Befolgung „gegen Unkenntnis, Vorurteile und Rassismus“ (ebd.: 34) wirken sollen. Einer der Vorschläge lautet:

Achten Sie auf die Macht der Worte. Wenn Politiker*innen die Asylantragszahlen „alarmierend“ nennen oder Medien von „Flüchtlingswellen“ sprechen, löst das Ängste aus. Sachlich be­trachtet sind viele Begriffe unangemessen, sogar falsch. Machen Sie Medien und Ihr Umfeld darauf aufmerksam (Pro Menschenrechte 2017: 34).

Als Ersatz für die genannten Metaphern werden neutralere Begriffe wie „Flüchtlings-“ und „Migrationsbewegung“ empfohlen (vgl. Klein 13.11.2015). Scheuermann (23.01.2016) befürwortet u. a. den Begriff des „Zuzugs“.

Die wörtliche Paraphrase und Erklärung einer Metapher hat u. U. auch das Ziel, die mit der Metapher oft mitvollzogene Verallgemeinerung bzw. Stereo­typisierung rückgängig zu machen. Die textuelle Metapher der „Flücht­lingsflut“ beispielsweise lässt sich als Kondensierung der Aussage „Alle Flüchtlinge sind eine Flut“ auffassen. Sie stellt im oben angeführten syllogistischen Schema die Prämisse 2 bzw. den Untersatz und im Argumen­tations­modell die Behauptung bzw. das Argument dar. Was bei der Analyse einer solchen Metapher manchmal ausgeklammert wird, ist, dass diese Prämisse zwei Glieder hat und die zwei gegenläufigen Tendenzen Konkretion und Abstraktion in sich vereint: „Alle Flüchtlinge“ ist das Subjekt, „sind eine Flut“ stellt das Prädikat dar. Die kognitive Theorie geht vom Regelfall aus, dass mit der Metapher eine Konkretisierung einhergeht, dass also meistens ein abstraktes Explanandum durch ein alltagsnahes, konkreteres Explanans erfahrbar gemacht wird (vgl. Lakoff/Johnson 1980/2011: 128). Jäkel (2003: 28f., 41) spricht in diesem Kontext vom Normalfall der Unidirektionalitätsthese. Mit der Prädikation ist wie bereits gesagt eine Konkretisierung bzw. Rück­kopplung an eine beim Rezipienten als bekannt vorausgesetzte Erfahrung verbunden. Tatsächlich wird mit der Metapher von der Flüchtlingsflut (o. Ä.) die Einwanderung als abstraktes Konzept anhand eines nicht nur grund­sätzlich konkreteren Phänomens fassbar gemacht, sondern gleichzeitig auch eines solchen, das gerade in den letzten Jahren auf nationaler wie globaler Ebene von sich reden machte: Die Bilder der Flutkatastrophen in Deutschland (2002 und 2010) und die verheerenden Tsunamis im indischen (2004) bzw. pazifischen Ozean (2011) und deren Konsequenzen dürften viele Bürger noch vor Augen haben. Die hohe publizistische Wellen schlagende Rede des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und seines Innenministers Roberto Maroni vom „tsunami umano“ datierte keine drei Wochen nach dem letztgenannten Naturereignis[10] und ist im eu­phe­mistischen Sinne von ihren Urhebern ‚bestens platziert‘ worden, um Ängste ähnlichen Ausmaßes auf die Flüchtlingsdebatte in Italien (und darüber hinaus) zu übertragen.

Gleichzeitig erfährt allerdings das Subjekt der Prämisse („alle Flüchtlinge“) eine Stereotypisierung, die immer eine Abstraktion vom individuellen Fall hin zu einem unterstellten Gleichverhalten ganzer Kollektive bedeutet. Eine solche Stereotypisierung ist, wie Eco (2011/2016) anhand etlicher Beispiele erläutert, eine der wichtigsten Komponenten bei der Fabrikation des Feindes. Die Metapher von den Immigranten als Wassermasse erfüllt auch diesen Zweck in probater Weise (vgl. Hönigsperger 1991: 238) und aktiviert höchst tendenziöse Frames (vgl. Saiz de Lobado/Bonomi 2015: 130), die keinen Platz für zwischen­menschliche Empathie vorsehen. Wehling schreibt: „Wassermassen lassen kaum Raum für Individualität: Niemand denkt bei einer Welle, einer Flut oder gar einem Tsunami als erstes an eine astronomisch hohe Zahl kleinster Wassermoleküle“ (Wehling 2016: 175). Mit den Flut-, Wellen- und Lawinen­metaphern eröffnet sich ihrem Sender also die Möglichkeit einer in vielen Fällen unzulässigen Verallgemeinerung unter dem Deckmantel einer kon­kreten und alltagsnahen Sprache.

Auch auf diese mit dem Metapherngebrauch intendierte Wirkung der Stereotypisierung will die paraphrasierende Metaphernkritik hinweisen. Das Ziel ist hier die Bewusst- und Rückgängigmachung der mit der Metapher vollzogenen Verallgemeinerung. Die Aufmerksamkeit eines bewussten Journalismus soll demnach vom Kollektiv der Einreisenden wieder weg- und auf die individuelle, und das bedeutet menschliche Seite der Migrations­bewegung, auf die Geschichten und Einzelschicksale hingelenkt werden. Diese Strategie kann deswegen auch als Humanisierungs- und – da die Metapher der Flüchtlingswelle eine Reifizierung der Betroffenen geltend machte – Rehumanisierungs­tendenz betrachtet werden. Der italienische Journalist Gad Lerner z. B. bemerkt in seinem Politblog, dass die von der da­maligen italienischen Regierung instrumentalisierte und durch die Tsunami-Metapher als bedrohlich charakterisierte Einwanderung eine dramatische menschliche Kehrseite hat („certamente drammatica per i suoi risvolti umani“; Lerner 01.04.2011). Und auch Scheuermann formuliert: „Die Katastrophen­metaphern verschleiern auch, für wen die Flucht eigentlich eine Katastrophe ist: für die Flüchtlinge“ (Scheuermann 23.01.2016). Ähnlich weist auch die oben genannte Broschüre mit dem Haupttitel „Pro Menschenrechte, gegen Vorurteile“ Formulierungen auf, die den flüchtigen Menschen in den Vorder­grund rücken und nicht seine vermeintliche Zugehörigkeit zu einem unüber­schaubar großen und als bedrohlich empfundenen Kollektiv – dies geschieht übrigens in gänzlicher Übereinstimmung mit dem Motto der herausgebenden Institution Pro Asyl: „Der Einzelfall zählt“ (ProAsyl).

3.1.3 Vielfalt der Bildempfänger

Kritik an einer zirkulierenden Metapher kann nicht nur durch die Hinzu­ziehung einer anderen Metapher (vgl. 3.1.1), sondern auch durch die (partielle) Wiederaufnahme desselben Sprachbilds geäußert werden. Der Unter­­schied zur oben besprochenen Dekonstruktion von Metaphern anhand der Fakten bzw. der wörtlichen Paraphrasierung derselben ist, dass sich die Kritik in diesem Fall diskursiv auf die von der Gegenseite geprägte Metapher einlässt, spielerisch mit ihr umgeht, um sie gewissermaßen von innen aus­zuhöhlen.

Von dieser Strategie raten Lakoff/Wehling (2007/42016: 76ff.) und Wehling (2016: 52, 55ff.) ab, würde doch durch die Wiederaufnahme der kritisierten Metapher, auch durch die bloße Negierung, auf das Weltbild der Gegenseite noch einmal eingegangen und dieses damit in den Köpfen der Rezipienten nur noch bestätigt und neuronal gefestigt werden. Durch die Rekapitulation des gegnerischen Diskurses würde man versäumen, die eigene Ideologie, geprägt von einem eigenen metaphorischen Netz, an die Öffentlichkeit zu tragen (vgl. Wehling 2016: 56, 64). Dies mag für Politik und Berichterstattung einen wert­vollen Ratschlag darstellen; eine reflektierende Metapherntheorie und ‑kritik kommt um die Nennung ihres zu kritisierenden Gegenstands nicht umhin. Gerade die Negierung der ursprünglich bemühten Metapher, z. B. „das Boot ist [eben] nicht voll“ (zit. nach Hönigsperger 1991: 231, Hinzufügung und Hervorhebung: M.A.), kann sich als effektives kritisches Instrument heraus­stellen, da sie der Gegenseite die Grundlage ihrer Argumentation, das hand­lungslegitimierende „Bündel von Schlußregeln“ (Pielenz 1993: 108), ent­zieht. Für einen Rezipienten ist es nämlich auch wichtig, im Rahmen eines Feedbacks den Sendern eines in seinen Augen unpassenden Sprachbildes mitzuteilen: „Ich lasse mich nicht auf die Metapher ein, ich akzeptiere nicht die argumentativen Implikationen eurer Metaphern.“ Von solchen Beispielen zur bloßen Negierung einer Metapher wird im Folgenden allerdings abgesehen. Stattdessen soll auf eine weitere Möglichkeit der Metaphernkritik, die Metaphernparodie, eingegangen werden.

Als besonders geistreich kann sich der Fall herausstellen, in dem eine zu ent­machtende Metapher im eigenen Diskurs wieder aufgegriffen wird, um sie diesmal allerdings in einer gegenläufigen Argumentationskette zu verwenden. Ein Beispiel hierfür findet sich in einem Leitartikel im Fluter, dem Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung. Scheuermanns Beitrag vom 23.01.2016 trägt den Titel:

Mach mal nicht so ’ne Welle
Ja, es kommen viele Flüchtlinge. Aber was hat das mit Lawinen oder
Wellen [zu] [sic!] tun? Fabian Scheuermann über die Flut von Katastrophenmetaphern in der Aktuellen Debatte.

(Scheuermann 23.01.2016)

Sowohl mit dem saloppen Haupttitel „Mach nicht so ’ne Welle“, der trotz des für den Phraseologismus üblichen Singulars an alle Sender und Befürworter der Katastrophenmetaphern gerichtet zu sein scheint, als auch mit der Be­zeich­nung des beobachteten Metapherngebrauchs als Flut, greift der Autor des Artikels auf den prominentesten Bildspenderbereich in der Flüchtlings­debatte zurück. Damit überlistet er in gewisser Weise die Mechanismen des ‚Metaphernverstehens‘[11] und stützt damit gleichzeitig die eigene Argumen­tation. Zur Erklärung dieser Behauptung kann man sich Pielenz’ Beobachtung hinsichtlich der Wirkung von Metaphern beim Rezipienten ins Gedächtnis rufen: „Indem man eine Metapher annimmt, akzeptiert man das mit ihr verbundene Bündel von Schlußregeln“ (Pielenz 1993: 108). Der Bürger, der die Metaphern von der Flüchtlingswelle bzw. ‑flut in bewusster oder unbewusster Weise akzeptiert hat, geht von der Richtigkeit der Schlussregel „Wellen bzw. Fluten sind gefährlich“ aus. Indem nun Scheuermann den Gebrauch der Metaphern des Flüchtlings als Naturgewalt wiederum als Welle und Flut bezeichnet, bestätigt er die gleiche Schlussregel, ja macht sie sich zunutze, um zu einer analogen, und dennoch abweichenden Konklusion zu gelangen. Das ließe sich folgendermaßen darstellen:

 

Abb. 3: Argumentationsmodell nach Öhlschläger (1979: 99) und Metaphernparodie

Scheuermann nutzt die Bereitschaft von Bürgern, die Schlussregel „Fluten sind gefährlich“ zu akzeptieren, aus, um die eigene Metaphernkritik auf ihr aufzubauen. Wenn vom Rezipienten die Metapher „Immigranten sind eine Flut“ akzeptiert und zum Syllogismus „Eine Flut ist schlecht; ergo sind Immigranten schlecht“ ergänzt wird, so kann derselbe Rezipient dazu angehalten werden, sich zumindest kritisch mit dem Sprachbild Metaphern über den Immigrantendiskurs sind eine Flut auseinanderzusetzen, das ja mit der erstgenannten Metapher die gleiche argumentative Basis teilt. Ange­sichts der Pluralität der Konklusionen (bei gleichbleibender Schlussregel) wird der Rezipient dazu aufgefordert, den Widerspruch zwischen ihnen irgendwie auf­zulösen. Mit seiner Titelwahl reitet hier der Metaphernkritiker also sou­verän auf der von seinen Gegnern gemachten Welle.

Einen ähnlichen Fall kann man an einer Aussage des Geschäftsführers von Pro Asyl, Günter Burkhardt, festmachen, der Wolfgang Schäubles Vergleich der Flüchtlingseinwanderung mit einer Lawine ebenso mit einem Sprachbild kommentiert: Metaphern, wie sie der amtierende Finanzminister gebraucht, seien „Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten“ (n-tv.de 12.11.2015). Auch dieses Statement macht sich die bekannte Wassermetaphorik zunutze, um davor zu warnen, welche Auswirkungen dieses metapherndurchzogene Reden über Flüchtlinge gesamtgesellschaftlich haben kann, nämlich die Stärkung und Mobilisierung rechtspopulistischer Bevölkerungsschichten.

3.2 Globale gegen nationale Diskurse

Jede Kultur definiert sich u. a. über ihr eigenes Metaphernnetz (vgl. Pielenz 1993: 174). Welche Metaphern zur Erklärung bestimmter lebensweltlicher Sach­verhalte herangezogen werde, hängt somit von kulturspezifischen Regeln ab (s. o., These 6). Das Bild der Flüchtlinge als bedrohliche Naturgewalt scheint, wie nun mehrfach angeklungen ist, in Europa eine gewisse Uni­versalität zu verbuchen. Es gibt allerdings kreative textuelle Metaphern, welche die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit dadurch wecken, dass sie sich zwar in diese konzeptuelle Metapher einfügen lassen, durch ihre Anschau­lichkeit allerdings den sich bisher eigentlich zurückhaltenden und fast unbemerkt strukturierenden Bildspender schlagartig entlarven. Dies ist etwa der Fall bei Berlusconis Rede vom „tsunami umano“ und Schäubles Vergleich der Flüchtlinge mit einer Lawine. Diese Metaphern blieben im nationalen, aber vor allem auch im internationalen Rahmen nicht unbemerkt und gaben hier wie dort Anlass zu übernationaler Kritik. Solche kreativen Metaphern initiierten heteronationale Diskurse zum Reden über Flüchtlinge, die wie­derum als eine Form der Metaphernkritik gewertet werden können.

Schäubles nun mehrfach angeführte Metapher von der Flüchtlingslawine etwa wurde in den deutschen Medien und von Politikerkollegen heftig kritisiert (vgl. n-tv.de und Zeit 12.11.2015).[12] Auch in Italien (vgl. euronews 12.11.2015) und Frankreich (vgl. lepoint 25.11.2015) wurde über den Vergleich berichtet und Kritik geäußert. Es handelt sich bei dieser Metapherndekonstruktion zwar um eine Sonderform der Metaphernparaphrase, dieser ‚Blick von außen‘ hat allerdings seine eigenen Auswirkungen auf die beiden involvierten Sprach­gemeinschaften: Zum einen erhöht eine internationale Metaphernkritik den Legitimationsdruck für den ausgangskulturellen Metaphernsender. Kurz: Schäuble muss auf der internationalen Bühne für seinen Vergleich einstehen. Dies legt folgendes Zitat aus einem Artikel auf www.lepoint.fr nahe:

Avalanche... Le mot a été lâché. Non pas par les manifestants hargneux qui ont recommencé à défiler dans les rues de Dresde chaque lundi soir sous la bannière de Pegida, mais par Wolfgang Schäuble, le très influent ministre des Finances d’Angela Merkel (lepoint 25.11.2015).

Was die Metapher sanktionswürdig mache, ist nach dem Autor dieses Online-Artikels der Umstand, dass es sich bei dem Urheber derselben nicht um einen beliebigen Pegida-Anhänger, sondern um den Finanzminister Wolfgang Schäuble als ein amtierendes Mitglied des Merkel-Kabinetts handelt. Seine Äußerung ist demnach auch als Affront gegenüber der deutschen Bundeskanzlerin und ihrer Willkommenspolitik gewertet worden (vgl. ebd.). Zum anderen erhält die heteronationale Berichterstattung ein Moment des Präventiven, wird doch die für inadäquat befundene ausgangskulturelle Metapher bei der Zielrezipientenschaft als sanktionswürdiges und daher zu meidendes Negativbeispiel charakterisiert.

3.3 Bilder gegen Sprachbilder

Die bisherigen Ausführungen sollen in der Analyse eines Tweets kon­vergieren, der sich explizit gegen die Metapher vom Flüchtigen als Naturgewalt richtet. Nicht ein für Twitter typischer aphoristischer Text und auch kein reines Bild, sondern ein verbale und piktoriale Zeichen miteinander verbindendes und damit polysemiotisches Kommunikat soll hier herangezogen werden. Die Verbindung von Wort und Bild ist bei der nachfolgend vorgestellten Strategie zur Kritik etablierter Metaphern sogar von zentraler Bedeutung.

Die Metapher bzw. das Sprachbild weist wie oben angedeutet in mehrfacher Hinsicht eine Nähe zum materiellen Bild auf (vgl. Stöckl 2004: 212) – nicht nur in Bezug auf die selektive Wirkung, sondern auch etwa hinsichtlich der kognitiven Verarbeitung. Ein Bild lässt sich schneller und damit womöglich auch unbedachter verarbeiten als eine abstrakt-wörtliche Umschreibung eines Sachverhalts (vgl. Hörmann 1978: 462). Stöckl (2004: 224) merkt diesbezüglich an, dass bildhafte Sprache als ganzheitliche Gestalt rezipiert und verarbeitet wird. Auch hierdurch wird die manipulative Wirkung der Metapher ver­schleiert. Der Rezipient einer eingängigen textuellen Metapher akzeptiert unbewusst ein ganzes Bild (die dahinterstehende konzeptuelle Metapher) und hinterfragt dieses oft deswegen nicht, da es als Ganzes intuitiv erfasst und als plausibel erachtet wird. Eine wörtliche Darlegung abstrakter Sachverhalte und Fakten ist aus kognitiver Sicht aufwändiger zu verarbeiten und anfälliger für kritische Hinterfragung (vgl. Hörmann 1978: 462). Nichtsdestotrotz eignet sich auch das materielle Bild als Strategie zum Kommentar bzw. zur Kritik einer metaphorischen Aussage (und umgekehrt). Dies soll am folgenden Tweet von Erik Marquardt, Mitglied des Parteirats von Bündnis 90/Die Grünen, dargestellt werden, dar am 12.11.2015 als Antwort auf Schäubles Lawinen­metapher mit dem Hashtag #Lawine veröffentlicht wurde.

 

Abb. 4: Marquardt 12.11.2015

Die geläufigen Metaphern von der „Flüchtlingswelle“ etc. gelten für Marquardt als ein mittlerweile etablierter Irrglaube („Da es ja oft verwechselt wird [...]“). Angesichts des unterstellten manipulativen Einsatzes solcher Metaphern, sieht sich der Metaphernkritiker gezwungen, die eingebürgerte ‚uneigentliche‘ metaphorische Rede mit einer Präsentationsform aufzudecken, die man sonst aus Kinderfibeln und Bildwörterbüchern kennt, nämlich die Nennung eines Lemmas mitsamt einer naheliegenden bildlichen Dar­stellung.[13] Das Ziel dieses Tweets ist eindeutig und lässt sich unter Zuhilfe­nahme semiotischer Terminologie folgendermaßen beschreiben: Die anhand der Metaphern ursprünglich geschaffene und mit jedem Metapherngebrauch immer weiter gefestigte Kopplung der aus dem Bereichen Natur und Natur­katastrophe stammenden Lexeme (als signifiants) mit den in visuellen Medien allgegenwärtigen Bildern von flüchtigen Menschenmengen (als signifié) soll durch Marquardts immerhin 821 Mal geteilten und 892 Mal mit ‚Gefällt mir‘ markierten „Erklärung“ wieder aufgebrochen werden.

Den Lemmata „Welle“, „Flut“ und „Lawine“ hinterlegt Marquardt, der übrigens selbst Photograph ist, konnotationsarme Bilder. Mit Barthes könnte man von „images denotées“ (Barthes 1964/1993: 1420) sprechen. Dieser Text-Bild-Bezug (Lemma – konnotationsarmes Bild) ist charakteristisch für die pragmatische Funktion des Tweets, mit dem sein Urheber die metaphorische Bindung von Naturgewalt und flüchtigen Menschen aufgehoben und die Naturphänomene durch die visuelle Rückkopplung wieder ‚wörtlich‘ ver­standen wissen will. Das vierte Bild der Serie muss eher das Interesse des Rezipienten wecken, denn über die Denotation hinaus kann es auch Anlass zu etlichen konnotativen Assoziationsleistungen geben, es ist also klassifizierbar als eine „image connotée“ (ebd.). Die Text-Bild-Verknüpfung im vierten Quadrant bricht mit derjenigen der ersten drei. Nur wenn der Rezipient Marquardts Hinweis „Da es ja oft verwechselt wird [...]“ folgt und den Tweet als Beitrag zur aktuellen Flüchtlingsdebatte interpretiert, kann er – das Schema der Serie fortführend – das eigentlich passende Lemma zum Bild inferieren, nämlich „Flüchtling“, denn man sieht im Hintergrund eine bepackte, in einer Reihe stehende und durch (Grenz-)Polizisten überwachte Menschenmenge. Bilder wie dieses kursieren seit langem in den europäischen Medien. Mar­quardt verwendet aber bewusst nicht das Lexem „Flüchtling“ oder „Immigrant“, sondern ein Hyperonym dazu: „Menschen“. Die mit den ersten drei Quadranten vollzogene plakative Rückkehr zur wörtlichen Bedeutung der metaphorisierten und vielgebrauchten Lexeme „Welle“, „Flut“ und „Lawine“ wird also im vierten Quadrant aufgegeben. Hier wird mit dem Bild von den Immigranten eine Bezeichnung kombiniert, die bewusst abstrahiert von ihrer Eigenschaft als Fremde und ihrer Funktion als Einreisende. Aufgenommen wird dies schon im Bild, steht doch ein kleiner Junge im Fokus, der zwar zur Gruppe der Flüchtigen gehörend, den grundlegenden Bedürf­nissen aller Kinder auf dieser Welt nachgeht: Lachen und Essen. Die De­konstruktion der geläufigen Sprachbilder kulminiert damit in einen demonstrativen Aufruf zur Empathie mit den Immigranten, die mit den Rezipienten dieses Kommunikats die gemeinsame Basis des Menschseins teilt.

Man könnte Marquardt ebenso einen manipulativen Sprach- und Bild­gebrauch vorwerfen, denn schließlich kommen konnotationsreiche Bilder, wie Barthes (1964/1993: 1427f.) beobachtet hat, vorzugsweise in Kontexten der Ideologievermittlung zum Einsatz. Hätte der Urheber des Tweets eine objektive Wissensvermittlung zum Ziel, gäbe es keinen Anlass für eine Textbild-Verknüpfung im vierten Quadranten, die den Rezipienten einerseits zu aufwendigen Inferenzen („Menschen“ statt eigentlich „Flüchtlinge“) ‚nötigt‘ und andererseits bewusst eine Empathie weckende Zielgruppe (nämlich das Kind als Inbegriff eines harmlosen Individuums) in den Mittelpunkt steht. Natürlich ist also auch Marquardts Tweet Teil einer Ideologie, einer solchen aber, die an humanitäre Ideale appelliert und zurückführt zum menschlichen Recht, als Individuum wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden.

Der beschriebene Tweet vereint, wie angeklungen sein dürfte, verschiedene der bereits genannten Strategien zur Metaphernkritik in sich: Es entlarvt den metaphorischen Charakter gängiger (u. U. unreflektierter) Ausdrücke im Diskurs um den Immigrantenzuzug durch die Aufzählung der verschiedenen Bildspender (Welle, Flut, Lawine). Durch die Rede von „Menschen“ hebt er die von den kritisierten Metaphern bewirkte Reifizierung zur Naturgewalt auf. Der Plural dieses Lexems rückt dabei in den Vordergrund, dass es sich nicht um eine einheitliche und bedrohliche Masse, sondern um eine Menge von verschiedensten Individuen handelt. Eine ähnliche Funktion haben übrigens auch die bunten Strichmännchen in der oben erwähnten, u. a. von dem Verein Pro Asyl herausgegebenen Broschüre (vgl. Pro Menschenrechte 2017: Titelseite, 7), die gleichzeitig Vielfalt, Individualität sowie – durch die immer gleiche Form der Strichmännchen (aber nicht -frauchen) – die gemein­same Basis des Menschseins hervorhebt.

Einige der Kommentatoren von Marquardts Tweet scheinen die bewusst dekonstruierende Strategie hinter seiner Metaphernkritik zu verkennen, wenn sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich bei „Flüchtlingswellen“ etc. um nicht ernstzunehmende Metaphern, ja lediglich um „eine verfluchte Formulierung“ (Kommentator von einem ähnlich lautenden Tweet von Heiko Maas; vgl. Maas 12.11.2015) handle und diese damit völlig hinnehmbar seien. In den Kommentaren zu Marquardts Tweet ist zu lesen: „Sprachliche Bilder dienen nur der Belebung des Gesagten, sind nie wörtlich zu verstehen“. Damit wäre bewiesen, dass zum einen die Rede von der Metapher als Ornatus nicht nur einen wissenschaftlichen Topos darstellt, sondern auch im Laiendiskurs zur Beschwichtigung der Macht von Metaphern eingesetzt wird, und dass zum anderen populärwissenschaftliche Ausführungen wie die von Lakoff/ Wehling (2007/42016) und Wehling (2016), welche die Erkenntnisse der kognitiven Metaphernforschung der breiten Masse zugänglich machen, weiter­hin vonnöten sind, damit die Macht der Metapher gesamt­gesell­schaftlich betrachtet nicht unterschätzt wird.

4.   Fazit

Am Schluss der Ausführungen kann zu den sechs Thesen zurückgekehrt werden, die in Kap. 1 in Anlehnung an die kognitive Metapherntheorie for­muliert wurden. (Metaphorische) Konzepte bzw. Frames strukturieren die mensch­liche Kognition und bedingen auch die Wahrnehmung und das Handeln eines jeden Menschen (These 1–4). Insofern in einer Gesellschaft bestimmte Frames bevorzugt werden (These 6), sind Gedankengänge und Handlungen von Personen zum Teil berechenbar und somit auch manipulierbar. Die Politik macht sich diesen Umstand schon immer zunutze (vgl. Lakoff/Wehling 2007/42016; Wehling 2016) und achtet auf eine Kommunikation, die die gewünschten Frames aktivieren soll (These 5). Beobachten lässt sich dies im Besonderen an der Metaphernverwendung bestimmter politischer Akteure, die mit ihren Statements stets ein einheitliches Weltbild, eine Ideologie propa­gieren wollen. Ideologische Rede im Allgemeinen und der Metaphern­gebrauch im Speziellen konvergieren im Merkmal der Selektion und Kanalisation der möglichen Perspektivenvielfalt im Hinblick auf einen bestimmten intentionalen Zweck. Gerade aus diesem Grund ist der Einsatz von Sprachbildern und – wie Goodman im obigen Zitat nahelegt – auch von materiellen Bildern ein effektives Mittel der Propaganda. Entgegensteuern kann man dieser ideologischen Reduktion durch eine bewusste Gegenbe­wegung, die von Bachtin (1934f./1979: 165) als Zentri­fugal­kraft weg vom Ideologischen hin zur Vielfalt und dem Dialog polyphoner Stimmen be­schrieben wird. Eine wiss- und folglich auch lernbegierige Person bzw. Gesell­schaft fördert eine solche Perspektivenvielfalt, denn nur eine solche lässt das kognitive Netz, mit dessen Hilfe man die Welt versteht und erklärt, immer engmaschiger werden.

An die Stelle der gelenkten Perspektivierung soll das Eröffnen einer Perspektiven­­vielfalt treten. Die Frage nach der Konstruktion und De­kon­struktion von Metaphern in einer Gesellschaft ist somit sehr eng verbunden mit der Frage nach deren Umgang mit ideologischer Heterogenität. Es geht nicht nur darum, ein Weltbild zu haben und es zu verteidigen, so wie dies etwa von Wehling (2016: 52, 55ff.) impliziert wird, sondern auch darum, andere Weltsichten zu akzeptieren und die eigene auf der Basis von hand­festen Fakten u. U. zu hinterfragen. Rezipienten von ideologisch (und das bedeutet in vielen Fällen: metaphorisch) geprägten Texten, müssen Stellung zum Rezipierten beziehen und womöglich eingesessene Denkmuster über­prüfen. Die Infragestellung der Metaphern, „in denen wir leben“ (Lakoff/ Johnson 1980) und mit denen wir täglich argumentieren (Pielenz 1993), gehört zu einem verantwortungsvollen Individuum und einer ebensolchen Gesell­schaft dazu – gerade auch wenn diese bewusste Abwendung von einge­fahrenen Denk‑, Wahrnehmungs- und Handlungsmustern mitunter ein aufwändiges, „überaus mühevolles und schmerzhaftes Unterfangen“ (Pielenz 1993: 156) darstellt und überdies die soziale Identitätsstiftung – die eben nicht mehr nur über die Fabrikation des Feindes zu erzielen ist – womöglich wesent­lich erschwert.

5.   Quellenverzeichnis

5.1 Primärquellen

bg – Blog (einer Einzelperson); fb – Facebook-Seite; oj – Online-Journalismus (institutionell); op – Online-Publikation; tw – Tweet; yt – Youtube-Video.

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@RefugeesWelcome – fb.,
https://www.facebook.com/RefugeesWellcome/ (29.08.2017).

@refugeeswelcomeitalia – fb.,
https://www.facebook.com/refugeeswelcomeitalia/ ( 29.08.2017).

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BAMF 2013 – op. BAMF (ed.) (2013): Willkommens- und Anerkennungskultur. Handlungsempfehlungen und Praxisbeispiele. Abschlussbericht Runder Tisch „Aufnahmegesellschaft“https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/ DE/Publikationen/Broschueren/abschlussbericht-runder-tisch-aufnahmegesellschaft.pdf;jsessionid=0D2CA51A55286F07FC495B82BE1ADBC0.1_cid368?__blob=publicationFile (29.08.2017).

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5.2 Sekundärquellen

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Skirl, Helge (2009): Emergenz als Phänomen der Semantik am Beispiel des Metaphernverstehens. Emergente konzeptuelle Merkmale an der Schnittstelle von Semantik und Pragmatik, Tübingen.

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Weinrich, Harald (1958/1976): „Münze und Wort. Untersuchungen an einem Bildfeld“, in: ders.: Sprache in Texten, Stuttgart, 276-290.



[1]    Pielenz (1993: 132) schreibt z. B.: „Metaphern sind geronnener Ausdruck herrschender Meinungen, die als Fundus der Tradition und auch der Innovation in einer Sprachgemein­schaft zum Zuge kommen: In ihnen werden epistemische Leitvorstellungen bewahrt [...].“

[2]    Die Bezeichnung ‚Krise‘ ist bereits Gegenstand der Kritik. Schon seit den 1990er Jahren setzt laut Saiz de Lobado/Bonomi die ganze Berichterstattung rund um das Thema Migration und Flüchtlinge in den meisten Fällen auf kommunikative Strategien, die auf pejorative Dar­stellung und Problematisierung abzielen (vgl. Saiz de Lobado/Bonomi 2015: 115, 119). Be­son­ders gegen die Wortwahl der ‚Flüchtlingskrise‘ wendet sich z. B. die Facebook-Seite @RefugeesWelcome, deren Titelbild vom 18.07.2016 die Aussage beinhaltet: „Say it Loud, Say it Clear… This is not a migrant crisis. It’s a crisis of resource exploitation. It’s a crisis of war. It’s a crisis of inequality. It’s a crisis of climate change“ (Stand: 20.08.2017).

[3]    Etliche Politiker wurden für ihre für unpassend befundene metaphorische Wortwahl bei Stellungnahmen zur Immigration von Flüchtlingen kritisiert, etwa Berlusconi für seine Rede vom „tsunami umano“ (vgl. Lerner 01.04.2011), Sarkozy für den Vergleich der Flüchtlinge mit einer „fuite d’eau“ (20minutes 18.06.2015) sowie Schäuble für seine Warnung vor der „Flüchtlings-Lawine“ (faz.net 12.11.2015).

[4]    Dass die politischen Berichterstattung sich nicht kritisch genug mit den potenziell immer auch zur Manipulation fähigen Sprachmittel auseinandersetzen, ist eine These von Lakoff/ Wehling (2007/42016: 176f.). Der Titel von jenem in der vorangegangenen Fußnote zitierten Artikel über Sarkozys misslungene Wortwahl etwa lautet: „Migrants: Sarkozy compare l’afflux de réfugiés à une grosse fuite d’eau“ (20minutes 18.06.2015). Kritisiert wird hier ironischer­weise Sarkozys mehr oder weniger originelle Metapher vom ‚Wasserleck‘ bei gleich­zeitiger Verwendung der konventionellen Metapher des ‚Migranten(zu)stroms‘. Ähn­lich berichtet it.euronews.com von der deutschen Kritik an Schäubles Lawinen-Metaphorik, dennoch wird im gleichen Artikel der Ausdruck „afflusso dei rifugiati“ (euronews 12.11.2015) verwendet.

[5]     Die terminologische Unterscheidung von „Bildspender“ (Herkunftsbereich) und „Bild­empfänger“ (Zielbereich) geht auf Weinrich (1958/1976: 284) zurück.

[6]    Die konzeptuelle Metapher wird hier wie bei Pielenz (1993: 105) als Fundus an Schluss­regeln betrachtet, ist also Teil der Argumentation (hier: P2) und stellt nicht wie bei Pirazzini (1998: 171) die Konklusion bzw. die Schlussfolgerung dar.

[7]    Ähnliches wird auch in einem Online-Artikel des italienischen Verbands Carta di Roma (vgl. Carta di Roma 17.08.2017) konstatiert. Dieser nimmt deutlichen Bezug auf einen in der Online-Ausgabe der britischen Tageszeitung The Guardian erschienen Artikel von David Shariatmadari (vgl. theguardian.com 10.08.2015), der den pejorativen Metaphern­gebrauch im britischen Flüchtlingsdiskurs kritisiert.

[8]    Institutionell festgehalten wurde die Rede von der „Willkommens- und Anerkennungs­kultur“ für alle legal eingewanderten Menschen mit Migrationshintergrund im Abschluss­bericht „Runder Tisch: Aufnahmegesellschaft“ des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (vgl. BAMF 25.03.2013).

[9]    Es sei an dieser Stelle erwähnt, wie wertvoll sich die Leserkommentare eines Blogs für die Metaphernanalyse erweisen können, weil sie – wenn systematisch berücksichtigt – als Beschreibung einer konzeptuellen Metapher in ihrer ganzen Breite angesehen werden können. Kommentatoren des Beitrags von Stefanowitsch (19.01.2016) z. B. kommen von der vom Autor ausgeführten Gastmetapher zu den vielfältigen Implikationen, die sich für den Gastgeber zum einen und dem Gast zum anderen ergeben.

[10]  Gad Lerner datiert die Metapher vom „menschlichen Tsunami“ auf die letzte Märzwoche 2011, der Tsunami vor der Küste Japan ereignete sich nur wenige Wochen zuvor am 11. März 2011 (vgl. Lerner 01.04.2011).

[11]  Der Begriff des Metaphernverstehens wurde bereits von verschiedenen Autoren verwendet (vgl. Skirl 2009). Hier wird auf ihn rekurriert, um summarisch auf die rezeptiven Momente der am Anfang dieses Beitrags genannten Thesen (v.a. 1, 3, 5 und 6) zu verweisen.

[12]  Heiko Maas kleidet die Kritik seines Kabinettskollegen ebenso in metaphorische Worte und bezichtigt ihn, mit seiner Formulierung „Öl ins Feuer [der aktuellen Flüchtlingsdebatte zu] gießen“ (vgl. Maas 12.11.2015; Hinzufügung: M. A.). Spiegel-Online sprach infolgedessen von Maas’ Vorwurf der „Brandstiftung“ (Spiegel-Online 12.11.2015).

[13]  Zwischen den Lemmata und den ihnen zugeordneten Bildern besteht in diesen Kommunikatsorten eine Beziehung der gewollten „synsemantischen Redundanz“ (vgl. Agnetta 2018: i. V.), d. h. Wort und Bild verweisen auf den gleichen Gegenstand.