Vorwort / Preface
Vorwort ( jump to English)
Die öffentlichen wie politischen Debatten der letzten Jahre waren in vielen Ländern vom Thema Migration geprägt. Migration ist vielfältig und reicht von der Binnenmigration innerhalb der Europäischen Union über die Flucht vor Bürgerkriegen wie etwa die so genannte Flüchtlingskrise seit 2015 über die Auswanderung auf der Suche nach wirtschaftlichem Aufstieg bis zur Vertreibung durch die Verfolgung ethnischer oder religiöser Minderheiten.
Sowohl die Erscheinungsformen wie auch die Motivationen und Hintergründe von Migration sind dabei äußerst vielfältig und vielschichtig.
Vor diesem Hintergrund hat die Diskussion über Migration in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Insbesondere nationalistische und rechtspopulistische Kräfte zeichnen sich durch einen migrationsfeindlichen Duktus in ihren Diskursen aus, der wiederum in der öffentlichen Debatte und politischen Diskursen nicht unwidersprochen bleibt. Auch jenseits wissenschaftlich linguistischer Forschungen sind nicht nur Migration und Migrationspolitik, sondern auch das öffentliche Sprechen über Migration und Migranten Thema lebhafter und teilweise hitziger Auseinandersetzungen. Metaphorik.de möchte sich an dieser Diskussion beteiligen und widmet sich deswegen in dieser und der kommenden Ausgabe schwerpunktmäßig dem Thema Migrationsdiskurse. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, in welchem Maße Metaphern und Metonymien semantisch strukturierend und diskursbestimmend wirken, denn durch ihre Analyse lassen sich tiefgreifend Einsichten in die Wahrnehmung von und den Umgang mit Migration und Flucht gewinnen. Insofern waren und sind wir über die die Resonanz die umfangreichen Artikelvorschläge, die auf unsere öffentliche Einladung hin eingegangen sind, sehr erfreut. Von diesen Vorschlägen wurden nun einige ausgewählt, die im vorliegenden ersten Themenheft die europäischen Perspektiven auf Migration durchleuchten.
Der Band beginnt mit Marco Agnetta, der in seinem Beitrag auf die Dekonstruktion v.a. flüchtlingsfeindlicher und xenophober Metaphorik eingeht. Er zeigt auf, mit welchen Mitteln und argumentativen Strategien Bilder im menschenfeindlichen Sprechen als manipulativ entlarvt und wie Gegenstrategien entwickelt werden können. Sara Colombo und Daniela Pirazzini greifen im Kontext tödlicher Havarien von Flüchtlingsbooten die Metapher „Das Mittelmeer ist ein Friedhof“ auf und lenken den Blick auf die bis ins
12. Jahrhundert zurückweisende Tradition dieses Sprachbildes. Der Artikel von Sandra Issel-Dombert und Aline Widers-Lohéac wiederum knüpft an diese Thematik an und beleuchtet die Metaphorik im öffentlichen Diskurs zur Flüchtlingskrise in Italien. Ebenfalls auf den südeuropäischen Kontext bezieht sich die Studie von Kathleen Plötner zu Funktion und Wirkweise von Metaphern im spanischen Flüchtlingsdiskurs. Mersina Mujagić beschreibt die metaphorische Durchdringung der bosnischen Berichterstattung zu den Fluchtbewegungen v.a. seit 2015, was insofern von Interesse ist, als dass ein großer Teil der bosnischen Bevölkerung selbst von Fluchterfahrungen und Vertreibungsverfahren geprägt ist. Máté Toth, Péter Csatár und Krisztián Majoros analysieren abschließend den ungarischen Flüchtlingsdiskurs der Jahre 2014 und 2015.
Die versammelten Beiträge verdeutlichen soziale, kulturelle und politische Kon- und Divergenzen im metaphorischen Sprechen über Flucht und Migration. Dieses Thema ist selbstverständlich nicht abgeschlossen, was sich auch daran zeigt, dass sich auch unsere kommende Ausgabe diesem thematischen Schwerpunkt befassen wird. Weitere Forschungsperspektiven werden durch den internationalen, die Grenzen von Sprachengemeinschaften überschreitenden Blick in jedem Fall eröffnet. Bedanken möchten wir uns ausdrücklich bei Kerstin Sterkel (Saarbrücken) für ihre großartige und äußerst hilfreiche Arbeit in der Erstellung des Drucksatzes. Allen Beiträgerinnen und Beiträgern danken wir für die konstruktive Zusammenarbeit und den Leserinnen und Lesern für Ihr bleibendes Interesse an metaphorik.de.
Bochum, Bremen, Essen, Flensburg, Hamburg und Saarbrücken im Mai 2018
Anke Beger
Martin Döring
Olaf Jäkel
Katrin Mutz
Dietmar Osthus
Claudia Polzin-Haumann
Judith Visser
In the last years, public and political debate in many countries has been formed by the issue of migration. Migration is diverse, ranging from internal movement within the European Union to fleeing from civil wars, for instance as part of the so-called refugee crisis, and also covering the quest for economic improvement as well as displacement as a result of persecution of ethnic or religious minorities. Both the outward aspects and the motivation and background of migration are extremely diverse and complex.
In view of this, debates about migration have increased significantly in recent years. Especially nationalist and right-wing groupings show characteristic anti-migration leanings in their discourse, which in turn does not go without dissent in public discussion and political discourse. Besides scientific linguistic research, migration and immigration politics – but also how migration and migrants are publicly discussed – are at the heart of lively and sometimes contentious debate. Metaphorik.de would like become involved in this discussion and is dedicating both this and the forthcoming issue to the focus topic of migration. Articles will concentrate on the central question to which extent metaphor and metonymy shape semantic structures and govern discourse. Analysing them will let us gain deep insights into the perception
and treatment of migration and refugees. As such, we were and still are very pleased with the many submissions as a reaction to our public call for articles.
Some of these have been selected and more closely study the European perspective on migration in this themed issue.
Marco Agnetta’s article starts the issue, discussing the deconstruction of mainly anti-refugee and xenophobic metaphors. He explains which methods and argumentative strategies reveal images as manipulative in hate speech and how to develop counter-strategies. Sara Colombo and Daniela Pirazzini discuss the metaphor “The Mediterranean as a graveyard” in the context of deadly refugee shipwrecks, directing attention to the fact that this image has existed since the twelfth century. The article written by Sandra Issel-Dombert and Aline Widers-Lohéac takes another angle, analysing metaphors in public debate about the refugee crisis in Italy. Kathleen Plötner’s study of function and effect of metaphor in the Spanish discussion of refugees also looks at the Southern European context. Mersina Mujagić describes how metaphors have penetrated Bosnian reporting on refugee movements, particularly since 2015, which is interesting because a large part of the Bosnian people are themselves affected by refugee and displacement experiences. Finally, Máté Toth, Péter Csatár and Krisztián Majoros investigate the Hungarian discourse on refugees during 2014 and 2015.
These articles underline the social, cultural, political convergences and divergences in how metaphors are used to talk about refugees and migration.
It goes without saying that the topic has not been exhaustively treated, as is also evidenced by our forthcoming issue that continues this focus. Additiona research perspectives are definitely offered thanks to the international perspective that transcends the boundaries of speech communities. We would like to explicitly thank Kerstin Sterkel (Saarbrücken) for her wonderful and extremely helpful work in creating the layout. Our gratitude goes to all contributors for the constructive collaboration and to our readers for their loyal interest in metaphorik.de.
Bochum, Bremen, Essen, Flensburg, Hamburg and Saarbrücken, May 2018
Anke Beger
Martin Döring
Olaf Jäkel
Katrin Mutz
Dietmar Osthus
Claudia Polzin-Haumann
Judith Visser