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metaphorik.de 29/2019

Tagungsbericht: "Bilder des Erfolgs – Bilder des Scheiterns". Tagung des Arbeitskreises „Soziale Metaphorik“ in der Sektion „Wissenssoziologie“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, 17. bis 18. August 2018 an der Universität Rostock

Yvonne Niekrenz, Universität Rostock (yvonne.niekrenz@uni-rostock)

Auf der Welle des Erfolgs surfen oder abstürzen? Zu den Konzeptionen gesellschaftlichen Lebens gehören Vorstellungen von Erfolg und Scheitern. Aber welche Bilder sind eigentlich mit Erfolg und Scheitern verbunden? Und
was sagen sie über gesellschaftliche Vorstellungen von Erfolg und Scheitern?

Die theoretische und empirische Analyse von Metaphern des Erfolgs und Scheiterns stand im Fokus einer Tagung zu „Bildern des Erfolgs – Bildern des Scheiterns“, die vom 17. bis 18. August 2018 an der Universität Rostock stattfand. Dies war bereits die fünfte Metapherntagung in der Hansestadt.
Dazu eingeladen hatte der Arbeitskreis „Soziale Metaphorik“ in der Sektion „Wissenssoziologie“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Zur Einführung umriss der Soziologe Matthias Junge (Universität Rostock) als Organisator der Veranstaltung das Tagungsziel: Man wolle einen soziologischen
Zugang zur Bildlichkeit entwickeln. Die Soziologie sei nämlich zumeist eine Handlungswissenschaft; ihre Analyseverfahren richteten sich auf Texte – also auf Schriftlichkeit. Mit einer soziologischen Metaphernforschung könne das Feld der Bildlichkeit erschlossen werden, damit die Soziologie nicht als „Blinde“ vor der Bildlichkeit der sozialen Realität stehe.

Inwieweit sich zur Bildanalyse eine von der kognitiven Linguistik inspirierte Auswertungsmethode eignet, erklärte Rudolf Schmitt (Hochschule Zittau/ Görlitz). Die von ihm entwickelte systematische Metaphernanalyse passte er für die Analyse von Bildern an und demonstrierte die Anwendung am Beispiel einer mit vielen Fotos versehenen Reportage über ein Motorradrennen. Erfolg und Scheitern liegen bei einem solchen Rennen häufig nah beieinander. Die multimodale Analyse zeigte, dass der Text und die Fotos sehr unterschiedliche bis widersprüchliche Aussagen haben – und dass eine auf Bilder orientierte Metaphernanalyse möglich scheint. Erfolg und Scheitern in wissenschaftlichen Laufbahnen während der Post Doc-Phase nahmen Maria Keil und Cornelia Koppetsch (Universität Darmstadt) unter die Lupe: Danach werden in narrativen Interviews mit promovierten Wissenschaftler*innen auffallend viele Kampf-, Gewalt- und Schmerzmetaphern genannt. Diese markieren die Wissenschaft als Feld mit einer hohen Konkurrenz um Stellen.

Ihre Quellbereiche legen nahe: Erfolg ist nicht ohne Anstrengung und Leidensfähigkeit zu haben. Und berufliche Laufbahnen in der Wissenschaft sind risikoreich. Beschrieben wird dies vielfach mit Metaphern aus der Seefahrt:
Wer scheitert, der geht unter.

Dass Scheiternserzählungen auch zum Event werden können, demonstrierte Judith Mahnert (Goethe-Universität Frankfurt am Main) am Beispiel der in Gründer*innenkreisen populären „Fuckup Nights“. Auf diesen Veranstaltungen erzählen Unternehmer*innen öffentlich von ihren beruflichen Pleiten und der „Kunst des Scheiterns“. Die Veranstaltungsposter dieser Events erweisen sich als interessante Quelle für Bilder des Scheiterns. Ihre vordergründige Botschaft: Über Scheitern kann gelacht werden. Die Gründe für den unternehmerischen Misserfolg werden in den Plakatmotiven jedoch häufig externalisiert, zeigt eine genaue Methaphernanalyse. Wie Bilder des Erfolgs Bilder des Scheiterns heilen können, war das Thema von Oliver Zöllner (Hochschule der Medien Stuttgart). Sein Untersuchungsmaterial: ein im Jahr
2013 vom britischen Königshaus veröffentlichtes Foto, das Prinz William, seine Frau Kate und den neugeborenen Sohn George zeigt. Dieses Familienfoto repräsentiere eine symbolische Herrschaft in moderner Form. Die Pose der Monarchie erscheint als medialisierte Alltäglichkeit und zugleich als Urpose der heiligen Familie. Ein gutes Beispiel für das paradoxe Verhältnis von Überhöhung und Banalisierung, von Sakralisierung und Profanisierung. Bilder wie dieses sollen die Krise der Monarchie in den 1990er Jahren vergessen lassen, so Zöllner.


Dem Erfolg und Scheitern im Feld der Sozialen Arbeit widmeten sich Lutz Finkeldey und Björn Sedlak (Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim). Nach ihrer Ansicht agiere die Soziale Arbeit paradox: Ist sie erfolgreich, macht sie Soziale Arbeit letztlich überflüssig. Werden beispielsweise Studierende nach dem Erfolg und Scheitern in der Sozialen Arbeit befragt, bleiben beide Konzepte unbestimmt. Erst in der eigenen Praxis fänden die Akteure zu eigenen Bildern von Scheitern und Erfolg. Den Abschluss der Tagung bildete der Beitrag von Tim Bausch (Friedrich-Schiller-Universität Jena). In seinem Fokus: die visuellen Narrative des Heimatbegriffs und der Umgang mit der konstitutiven Erfahrung des Scheiterns. Am Fallbeispiel der palästinensischen Diaspora im Libanon wurde deutlich: Verlust und die Enteignung des mystifizierten Landes, das Opfer- und Widerstandsverständnis sind wesentliche Elemente der Erzählungen. Die verwendeten Metaphern hätten dabei eine strukturierende Kraft: Sie bildeten Resilienzen in der alltäglichen Erfahrung graduellen Scheiterns, wie Feldforschung in palästinensischen Camps gezeigt hätte.


Die Stärke der Rostocker Tagung lag im interdisziplinären Zugang der Referent*innen. Konzeptuell und methodisch ist eine Analyse von Bildern und Metaphern bereichert, wenn sie ihren Blick öffnet für beispielsweise medien-,
sprach- oder sozialwissenschaftliche Zugangsweisen. Das zeigte sich in den konstruktiven Diskussionen der Vorträge. Die verschiedenen Perspektiven aus der Soziologie, Erziehungswissenschaft, Medienwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung sowie der Sozialen Arbeit unterstrichen die zentrale gesellschaftliche Bedeutung der vielgestaltigen wie wirksamen Bilder des Erfolgs und Scheiterns. Die Beiträge der Tagung werden 2019 in einem Tagungsband bei Springer VS Wiesbaden erscheinen.

Ausgabe: 

Jahrgang: 

Seite 143

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