Die gefährlichen Fremden: oder was verraten Metaphern über den ethnischen Diskurs?
Abstract
This article presents a new metaphor conception elaborated for analyzing metaphors in discourse that includes both elements of dual reference theory of metaphor (S. Glucksberg) as well as conceptual metaphor theory (G. Lakoff, M. Johnson) and enables to consider the metaphorical process as a two-stage process, where at first the attributive categorization is being established on both linguistic and cognitive way and then it can be broadened at the conceptual level. The implementation of such integrated theory permits a detailed insight in the structure, essential properties and system of metaphors in discourse. The second part of this article is a case-study on the German ethnic discourse that emphasizes the sorts of metaphorical conceptualizations created to characterize the members of different ethnic communities. This choice is motivated by the increasing importance of ethnicity and national identity in the age of globalization.
Dieser Beitrag präsentiert ein neues Metaphernverständnis, das für die Untersuchung der Metaphorik im Diskurs erarbeitet worden ist und Referenzverdopplungstheorie der Metapher (S. Glucksberg) mit den Elementen der konzeptuellen Metapherntheorie (G. Lakoff, M. Johnson) verbindet. Die Einbeziehung der übergeordneten Kategorisierungsebene bei der Auswertung der kognitiven Modelle metaphorischer Projektionen ermöglicht eine umfassende Einsicht in die Beschaffenheit und Systematik der Metaphern im Diskurs, wobei sowohl ihr kognitives Potenzial als auch ihre diskursive Präsenz berücksichtigt werden. Die etablierte Analysemethodologie wird im Anschluss anhand des ethnischen Diskurses empirisch erprobt. Diese Wahl ist durch die zunehmende Brisanz der ethnischen Problematik und der nationalen Identität im Zeitalter der Globalisierung bedingt. Im Fokus der Studie stehen metaphorische Konzeptualisierungen der Vertreter fremder ethnischer Gemeinschaften im ethnischen Diskurs in Deutschland.
1. Einleitung und Problemstellung
Die sog. Kognitive Wende in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts markiert unumstritten einen Paradigmenwechsel in der Metaphernforschung. Nach der langen bereits seit der Antike hergeleiteten rhetorisch-stilistischen Tradition wird der Metapher ein besonderer kognitiver Stellenwert eingeräumt1, wobei sie zu einer anthropologischen kulturübergreifenden Universalie avanciert (Brown 1991: 132), die unserem konzeptuellen System zugrunde liegt und mit
1 Allerdings impliziert bereits Aristoteles den kognitiven Charakter der Metapher, indem er in seiner Rhetorik bemerkt, dass wenn man eine Metapher bildet, so verfügt man,
„wie es [...] auch in der Philosophie Charakteristikum eines richtig denkenden Menschen ist“, über die Fähigkeit, „[...] das Ähnliche in weit auseinander liegenden Dingen zu erkennen“ (1980: 194-195).
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Hilfe derer neue konzeptuelle Bereiche erfasst, erschlossen und kommuniziert werden2.
Eine wichtige Eigenschaft, die der Metapher seit dem Durchbruch des Kognitivismus zugestanden wird, ist ihre Prozessualität. Diese qualitative Änderung lässt die Metapher nicht mehr als ein bloßes Produkt des poetischen Diskurses, sondern vielmehr als eine eigenständige kognitive Operation betrachten – als ein „Phänomen der Vermittlung und Verbindung[, das] in allen Aspekten unseres Lebens struktur- und sinnstiftend zu wirken vermag“ (Kohl 2007: 122). Den prozessualen Charakter der Metapher formuliert bereits Max Black (1996: 68), einer der Gründer der sogenannten Interaktionstheorie der Metapher, indem er den damals weitläufig etablierten Begriff
„Ähnlichkeit“ aufgreift: „Es [...] wäre aufschlussreicher zu sagen, dass die Metapher [...] Ähnlichkeit [schafft], statt zu sagen, sie formuliert eine bereits vorher existierende Ähnlichkeit“. Diese Sichtweise kommt auch in der konzeptuellen Metapherntheorie von Lakoff und Johnson zum Ausdruck, die voraussetzt, dass bei der Kategorisierung eines Sachverhalts, den die Welt nicht direkt widerspiegelt, die „menschlichen Imaginationsfähigkeiten“ ins Spiel kommen („we are using general human imaginative capacities“) (Lakoff
1987: xiv) und somit auch unsere Fähigkeit, eine metaphorische kognitive
Operation zu vollziehen.
Solch eine prozessuale Metaphernauffassung hat eine wichtige erkenntnistheoretische Implikation. Diese ist aus dem Grundsatz des Konstruktivismus abzuleiten, dem zufolge das Wesen einer zu erkennenden Entität gerade durch den Erkenntnisprozess selbst konstruiert wird. Die Metapher als eine kognitive Operation unseres Geistes und Teil von „human imaginative capacities“ sollte somit ebenfalls zu dieser Konstruktion beitragen.
Wenn man in diesem Zusammenhang noch ein weiteres Phänomen – Diskurs – in Erwägung zieht, dem im Konstruktivismus eine außerordentliche Bedeutung beigemessen wird, wobei ausgerechnet der Diskurs zum Ort der Wirklichkeitskonstruktion durch die jeweilige Menschengemeinschaft wird (vgl. Jäger 2004: 23), so lässt sich vermuten, dass auch Metapher eine diskursive Einbindung erlebt und eine wichtige Funktion diesbezüglich
2 Nicht von ungefähr bezeichnet Petra Drewer die Metapher als „Werkzeug des
Denkens“ (2003).
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erfüllt. Das Vorhandensein eines Vektors für die Wirklichkeitskonstruktion setzt die Unabdingbarkeit von bestimmten Wahrnehmungskategorien und thematischen Fokussierungen voraus, die im Diskurs entwickelt und aufoktroyiert werden und durch die der jeweilige Sachverhalt (oder im engeren Sinne eine Entität) zu seiner Geltung kommt. Diese diskursive Präsenz von Wahrnehmungsprofilen findet einen Niederschlag in den Argumentations- und Darstellungsmustern, die unter anderem durch besondere diskursspezifische Metaphern zum Ausdruck kommen können (vgl. Hülsse 2003: 33-34).
Die Bedeutung der Metaphern für die Konstituierung eines Diskurses sollte angesichts zwei wesentlicher Punkte nicht unterschätzt werden. Der erste betrifft den bereits oben erwähnten prozessualen kognitiven Charakter der Metapher, also ihr Potenzial, neue Bereiche der zu erkennenden Wirklichkeit unter einer bestimmten Perspektive (vgl. Beckmann 2001: 184) zu erschließen und somit zum Prozess der Wirklichkeitskonstruktion beizutragen. Der zweite Punkt gilt jedoch dem diskursiven Funktionieren der Metapher, also ihrem Wirkungspotenzial im Hinblick auf die Kommunikation und Aufrechterhaltung des diskursiv geschaffenen Wissens (vgl. Pielenz 1993: 174). Mit Hilfe der Metapher können die jeweiligen diskursiven Konzeptualisierungen plakativ (im Falle der innovativen Metaphern) oder in verdeckter (im Falle der konventionellen Metaphern) und sogar latenter Form (im Falle der lexikalisierten Metaphern)3 weiter vermittelt und durch die systematische Verwendung im kollektiven Bewusstsein nachhaltig verankert werden.
Angesichts dieser essenziellen Rolle der Metapher im Diskurs scheint die
Untersuchung der diskursiven Beschaffenheit der Metaphorik ein besonderes
3 Die Bezeichnungen verschiedener Konventionalisierungstypen der Metaphern werden in diesem Beitrag in Anlehnung an Debatin (1995: 101-102) übernommen. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass die Klassifikation von Skirl/Schwarz-Friesel (2007: 28-
33) gesondert zwischen den kreativen und innovativen Metaphern unterscheidet, wobei argumentiert wird, dass kreative Metaphern auf der Basis bereits bekannter konzeptueller Kombinationen entstehen, indem innovative Metaphern neue Konzeptkombinationen herbeiführen. Diese Unterscheidung ist zwar zweifellos wichtig, wird allerdings für die Zwecke dieser Studie außer Acht gelassen, weil im Vordergrund der vorliegenden Untersuchung metaphorische Systematik im Diskurs und somit die Realisierung von systematischen kognitiven Metaphernmodellen stehen. Innovative Metaphern im Sinne von Skirl/Schwarz-Friesel werden nicht in Erwägung gezogen, und kreative Metaphern in deren Terminologie werden als innovativ bezeichnet.
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Desiderat der linguistischen Diskursanalyse zu sein. Das theoretische Anliegen dieser Studie besteht somit darin, ein mit solchem Forschungsziel kompatibles Metaphernverständnis herauszuarbeiten und eine effiziente Analysemethodologie zu etablieren. Die letztere wird im vorliegenden Beitrag empirisch anhand des ethnischen Diskurses erprobt. Diese Wahl ist durch die zunehmende Brisanz der ethnischen Problematik in den modernen Gesellschaften bedingt. Darauf verweisen unter anderem solche Ausdrücke wie „glimmender“, „schwelender“ und „neu aufgeflammter Konflikt“, „ethnische Spannungen“, „blitzartige Eskalationen“, „geschürte Ressentiments“ und
„angefachte Ängste“ etc., die heutzutage immer wieder in den Zeitungsartikeln, die Konfrontationen verschiedener ethnischer Gemeinschaften thematisieren, vorkommen. Sie offenbaren eine „feuerartige“ Qualität und „explosive“ Kraft der Konflikte, die aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit entstanden sind oder dadurch begründet werden. Dieses Konfliktpotenzial der ethnischen Identität wirft eine breite Palette von Fragestellungen auf, die in ihrer Ganzheit um die Frage konstituiert werden, wie eigentlich im Zeitalter der Globalisierung, die die zwischenstaatlichen Grenzen zu verwischen versucht, die Ethnizität gehandhabt wird. Der gesamte Problemkomplex ist viel zu breit, als dass er innerhalb einer Disziplin oder aus der Sicht einer Teildisziplin zu lösen wäre. Deswegen soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass im Rahmen der vorliegenden metaphernorientierten Studie angestrebt wird, ausschließlich auf eine Frage eine mögliche Antwort zu finden – nämlich wie im ethnischen Diskurs Vertreter verschiedener ethnischer Gemeinschaften konzeptualisiert und wahrgenommen werden.
Nachdem nun die Ziele und Forschungshypothesen in diesem einleitenden Kapitel umrissen wurden, soll kurz auf die Struktur des vorliegenden Beitrages eingegangen werden. Das zweite Kapitel dieses Beitrags legt den theoretischen Rahmen für die Untersuchung fest und präsentiert das elaborierte Metaphernverständnis. Im Anschluss wird anhand dessen eine Analysemethodologie vorgeschlagen, die im dritten Kapitel auf die Untersuchung der Metaphorik im ethnischen Diskurs angewendet wird. Nach der Auswertung der Analyseergebnisse aus dem empirischen Teil der Studie wird abschließend im vierten Kapitel auf den theoretischen Stellenwert des
integrierten Metaphernverständnisses für die Diskursanalyse eingegangen.
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2. Metapher
Das dieser Untersuchung zugrunde liegende Metaphernverständnis stellt eine Fusion von zwei kognitiven Metapherntheorien dar: der konzeptuellen Metapherntheorie (vgl. z. B. Lakoff/Johnson 1980a, 1980b; Johnson 1987; Lakoff 1987; Kövecses 2002) und der Referenzverdopplungstheorie der Metapher (vgl. Glucksberg/Keysar 1990; Glucksberg 2001; Glucksberg 2003). Um zu erläutern, warum eine solche Metaphernauffassung etabliert wird, soll kurz auf die Einzelheiten der beiden Theorien eingegangen werden.
2.1. Konzeptuelle Metapherntheorie vs. Referenzverdopplungstheorie
Das oft zitierte Statement der konzeptuellen Metapherntheorie
„metaphor is pervasive in everyday life, not just in language but in thought and action. Our ordinary conceptual system, in terms of which we both think and act, is fundamentally metaphorical in nature“ (Lakoff/Johnson 1980a: 3)
ist zweifellos zu einer programmatischen These für eine ganze Generation von Metaphernforschern geworden. Als grundlegende Annahme dieser Theorie gilt, dass eine weitläufige Erschließung und Strukturierung der uns umgebenden Welt mit Hilfe der Metapher erfolgt. Wichtig bei den Überlegungen von Lakoff und Johnson ist die Einbindung der konzeptuellen Metapherntheorie in das philosophische Feld des Erfahrungsrealismus. Es wird eine gewisse Körpergebundenheit („embodiment“) unserer Kognition und unserer Sprache postuliert (vgl. Lakoff 1987: 292), die die Interaktion des menschlichen Geistes mit der Realität impliziert, wobei unsere physischen, psychologischen und sozialen Erfahrungen in den Vordergrund der Erkenntnis rücken (vgl. Lakoff 1987: 266-267). Aus dieser Prämisse resultiert die Hypothese, dass unser mentales System, in dem die Welterschließung stattfindet, von einer Art Erfahrungseinheiten – Konzepten – organisiert und strukturiert wird. Es wird dabei zwischen den nicht-metaphorischen Konzepten, die direkt unserer körperlichen Erfahrung entspringen und in ihren eigenen Strukturen definiert werden (vgl. „[they] are defined in their own terms” (Lakoff/Johnson 1980b: 195), und den metaphorischen
Konzepten, die erst durch den Rückgriff auf andere Konzepte organisiert und
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verstanden werden können (Lakoff/Johnson 1980b: 195), unterschieden4. Zur Konzeptualisierung solcher abstrakten erfahrungsferneren metaphorischen Konzepte werden somit nicht-metaphorische erfahrungsnähere Konzepte herangezogen und auf solche Art und Weise umfunktioniert, dass ihre konzeptuellen Strukturen auf die Struktur der ersteren projiziert werden. Auf einer höheren Abstraktionsebene ergibt sich daraus das Phänomen von
„understanding [of] one conceptual domain in terms of another conceptual domain“ (Kövecses 2002: 4).
Durch die Postulierung solcher konzeptuellen strukturbezogenen Projektionen lässt sich die konzeptuelle Metapherntheorie durchaus erfolgreich bei der Untersuchung der Systematik der Metaphern anwenden. Dieses Potenzial ist in erster Linie für die Diskursanalyse von großem Belang, denn das Vorhandensein bestimmter diskursiver Argumentationsmuster und Perspektivierungen setzt eine gewisse Konsequenz ebenfalls auf der meta- phorischen Ebene voraus. Deswegen ist auch die Bedeutung der Methodologie der konzeptuellen Metapherntheorie – Konstruktion bzw. Rekonstruktion kognitiver Metaphernmodelle5, die systematische metaphorische Projektionen zwischen dem jeweiligen konzeptuellen Herkunftsbereich „source domain“ und dem konzeptuellen Zielbereich „target domain“6 festhalten – für die diskursive Metaphernanalyse nicht zu unterschätzen.
Jedoch scheint die konzeptuelle Metapherntheorie, die ursprünglich in der holistischen Tradition der kognitiven Linguistik konzipiert wurde, einen nicht minder wichtigen Schwachpunkt aufzuweisen. Es handelt sich dabei um eine gewisse Unterordnung der sprachlichen Dimension der Metapher7. Der Begriff „concept“ ist in der Lakoffschen Theorie durchaus diffus und wird nicht konsequent gebraucht oder definiert. Was wohl darunter zu verstehen wäre, korrespondiert mit dem anderen Begriff – „Idealised Cognitive Model“
4 Zur Kritik dieser Sichtweise, insbesondere der Auffassung, dass metaphorische
Konzepte über keine eigenen konzeptuellen Strukturen verfügen, siehe Murphy (1996).
5 Die Bezeichnung „kognitives Metaphernmodell“ wird in Anlehnung an Drewer (2003: 22) übernommen und impliziert das Vorhandensein der systematischen Projektionen nicht nur zwischen einzelnen Konzepten sondern zwischen ganzen konzeptuellen Bereichen.
6 Die deutschen Bezeichnungen „Herkunftsbereich“ und „Zielbereich“ werden in
Anlehnung an Liebert (1992: 8) übernommen.
7 Vgl. „Metaphor is fundamentally conceptual, not linguistic, in nature“ (Lakoff 1993:
244).
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(Lakoff 1987)8. Ihre sogenannte Idealisiertheit verdanken die Idealisierten Kognitiven Modelle9 (IKMs) der ausschließlichen Existenz innerhalb der mentalen Repräsentationen der Realität im Kopf der Menschen. Sie basieren auf der sogenannten vorkonzeptuellen körperlichen Erfahrung („preconceptual bodily experience“), die sich die Menschen aus der Interaktion mit deren Umwelt aneignen und verinnerlichen (vgl. Lakoff 1987:
267). Solche IKMs nennt Christa Baldauf „gestalthafte10 Wissens- und Erfahrungsstrukturen“ und legt nahe, dass unter der konzeptuellen Metaphorik gerade
„die Projektion eines IKMs einer bestimmten Erfahrung auf einen abstrakten Erfahrungsbereich zu verstehen [ist], dem auf diese Weise eine bestimmte Struktur und bestimmte Eigenschaften aufoktroyiert werden“ (1997: 79-80).
Hierbei stellt sich allerdings die Frage, inwiefern allgemein behauptet werden kann, dass eine derartige metaphorische Projektion primär auf einer wahrnehmungspsychologischen repräsentationsmentalen Ebene erfolgt, ohne dass die sprachliche Ebene in jeglicher Hinsicht mit einbezogen wird (vgl. Linz
2004: 257). Besonders essentiell ist in diesem Zusammenhang die Frage, inwiefern generell ein nicht sprachliches Denken möglich ist (eine prägnante Evidenz hierzu gibt es nicht – vgl. Pylyshyn 2006: 430-433).
Angesichts dieser Problematik kann die konzeptuelle Metapherntheorie in ihrer ursprünglichen Variante als ein Modell zur Erklärung der Ontologie metaphorischer kognitiver Prozesse nicht ohne kritische Einschätzung übernommen werden.
Im Gegensatz zur konzeptuellen Metapherntheorie scheint die Referenz- verdopplungstheorie11 von Sam Glucksberg und seinen Kollegen, die linguistisch fundiert ist und sich auf die sprachlichen Zeichen bezieht, durch
ihre aussagekräftige Argumentationsbasis im Hinblick auf die sprachliche
8 Vgl. „In general, concepts are elements of cognitive models” (Lakoff 1987: 286).
9 Vgl. „The main thesis of this book is that we organize our knowledge by means of structures called idealized cognitive models, or ICMs, and that category structures and prototype effects are by-products of that organization“ (Lakoff 1987: 68).
10 Bei Lakoff (1987) ist ebenfalls von den „gestalts“ die Rede.
11 Die Übersetzung von „dual reference“ als „Referenzverdopplung“ wird in
Anlehnung an Rolf (2005: 205-206) übernommen.
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Komponente der Metapher akzeptabler zu sein. Sie postuliert, dass Metaphern in Form „X ist ein Y“, Klassen-Inklusionsaussagen („class-inclusion assertion“) sind. Vergleiche hier das Beispiel von Glucksberg „my lawyer is a shark“. Wird eine metaphorische Aussage als eine Klassen-Inklusionsaussage gedeutet, so wird nicht behauptet, dass bei einer solchen Klassen-Inklusion die Kategorie „X“ („my lawyer“) in die Kategorie „Y“ („sharks“) in ihrer kategorialen Bedeutung hineingehört (vgl. Glucksberg/Keysar 1990: 11). Entgegen dieser buchstäblichen Lesart wird von einer besonderen Beschaffenheit des linguistischen Zeichens „Y“ (also „shark“) ausgegangen. Ihm wird eine sogenannte doppelreferentielle Funktion (vgl. Glucksberg 2003:
93) zugeteilt, die darin besteht, dass mit diesem Zeichen neben der üblichen Referenz auf die eigentliche Kategorie („sharks“), die Referenz auf eine abstraktere übergeordnete Kategorie stattfindet. Den Beleg dafür, dass solche Referenzverdopplung möglich ist, findet man in den natürlichen Sprachen (z.B. amerikanische Gebärdensprache), in denen manche übergeordneten Kategorien nicht eindeutig lexikalisiert sind und erst durch eine andere Basisebenekategorie („basic level object“), die für solche übergeordnete Kategorie prototypisch ist, bezeichnet werden (Glucksberg 2001: 39). Ähnliches ist auch im Falle einer metaphorischen Aussage zu beobachten. Durch das Zeichen „Y“ („shark“) wird auf eine abstraktere und merkmalsärmere übergeordnete Kategorie („predatory entities“) referiert, die ihrerseits als eine attributive Kategorie fungiert und derer essentielle Eigenschaften der Kategorie „X“ („my lawyer“) zugeschrieben werden (Glucksberg 2001: 41).
Somit verdeutlicht die Referenzverdopplungstheorie eine maßgebliche Bedeutung der Metapher im Prozess der Kategorienbildung, wobei, einerseits, eine Erweiterung der übergeordneten und durch das prototypische Mitglied zum Ausdruck gebrachten Kategorie um ein neues Mitglied erfolgt und, andererseits, dieses neue Mitglied – also Kategorie „X“ – durch die Attribuierung zusätzlicher Eigenschaften kategorial eingeengt wird. Attributive Kategorisierung findet dabei kognitiv-linguistisch statt: kognitiv, weil es sich dabei um eine kognitive Erschließung einer neuen Kategorie handelt – also Konzeptualisierung, und linguistisch, da diese Erschließung unter Rückgriff auf die linguistische Ebene erfolgt. Diese Betrachtungsweise der Metapher spiegelt vielmehr das essentielle Desiderat der holistischen
kognitiven Metapherntheorie wider, wobei sowohl die kognitive als auch die
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linguistische Dimension der Metapher gleich rangiert und gleich gewichtet werden, und wird in dieser Studie als primäre Erklärung des metaphorischen Prozesses übernommen.
Dennoch, im Gegensatz zur konzeptuellen Metapherntheorie berücksichtigt dieses Metaphernverständnis nicht die eventuelle Systematik und Konsistenz der Metaphern, die vor allem im Diskurs anzunehmen wären. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, lässt sich ein integriertes Metaphernverständnis herausarbeiten, das eine Fusion der Referenzverdopplungstheorie der Metapher mit der konzeptuellen Metapherntheorie darstellt.
2.2. Integriertes Metaphernverständnis
Bei dem diesem Beitrag zugrunde liegenden integrierten Metaphern- verständnis wird davon ausgegangen, dass der metaphorische Prozess potenziell in zwei wesentlichen Schritten erfolgen kann. Der erste Schritt betrifft den ontologischen Moment der Metapher und ist somit unabdingbar. Die Metapher erscheint dabei in linguistischer Form und stellt eine prädikative Aussage „X ist ein Y“(*)12 dar. Zum Beispiel13, „Zuwanderer ist eine Schlange“ (*). „X“ und „Y“ fungieren hier als linguistische Zeichen, die auf die jeweiligen Kategorien14 referieren. Während jedoch „X“ („Zuwanderer“) auf eine Kategorie (Kategorie „Zuwanderer“) referiert, tritt das Zeichen „Y“ („Schlange“) doppelreferentiell auf. Einerseits bezieht es sich auf die durch das entsprechende Konzept „Y“ (Konzept „Schlange“)
determinierte Kategorie „Y“ (Kategorie „Schlange“), darüber hinaus referiert
12 An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass eine solche prädikative Aussage diachron betrachtet werden sollte, damit tatsächlich der allererste Gebrauch einer Metapher in einem bestimmten Wissensbereich attestiert werden kann, weil es sich bei dieser Stufe des metaphorischen Prozesses um die primäre ontologische Ebene handelt. Allerdings scheint es kaum möglich zu sein, eine solche Studie durchzuführen. Deswegen wird solche prädikative Aussage mit dem Asterisk-Symbol (*) gekennzeichnet, um ihren (re-)konstruierten Charakter hervorzuheben.
13 Zur Veranschaulichung meines Metaphernverständnisses wird ein Beispiel aus dem ethnischen Diskurs genommen.
14 In Anlehnung an Löbner (2002: 25) wird eine Wechselbeziehung zwischen der Kategorie und dem Konzept festgehalten, wobei das Konzept als mentale Beschreibung eines Kategoriemitgliedes aufgefasst wird, somit diese Kategorie repräsentiert und Entitäten einer Art von den Entitäten anderer Art unterscheiden lässt.
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es aber auch auf eine abstraktere übergeordnete Kategorie, die keine eindeutige Ausprägung hat (in diesem Fall, „Gefährliches Wesen“) und durch die prototypische Kategorie „Y“ repräsentiert wird. Durch die Anreihung von
„X“ und „Y“ im Rahmen einer Aussage findet eine Klassen-Inklusion statt, wobei die Kategorie „X“ („Zuwanderer“) in die übergeordnete Kategorie („Gefährliches Wesen“) eingeschlossen wird und essentielle Merkmale der letzteren übernimmt. Daraus wird ersichtlich, dass diese Phase des metaphorischen Prozesses kognitiv-linguistisch fundiert ist, weil mit Hilfe der linguistischen Zeichen und gerade durch die vorhandenen linguistischen Zeichen auf die abgespeicherten abstrakten Kategorien zurückgegriffen wird und durch die Klassen-Inklusion eine Kategorisierung des jeweiligen Konzeptes („X“) erfolgt.
Im zweiten Schritt kann eventuell eine detaillierte Ausarbeitung der herbeigeführten Kategorienzuschreibung zustande kommen. Wenn eine solche Ausarbeitung benötigt wird, was im Diskurs anzunehmen wäre, erfolgt sie auf der konzeptuellen Ebene der eigentlichen Kategorien „X“ und „Y“, wobei beide Konzepte („Zuwanderer“ und „Schlange“) auf eine abstraktere Stufe verlagert werden und als Teile kompletter konzeptueller Bereiche fungieren (vgl. konzeptuelle Bereiche „Zuwandererwelt“ und „Tierwelt“). Bei dieser Phase tritt ganz im Sinne der konzeptuellen Metapherntheorie eine metaphorische Projektion der konzeptuellen Strukturen aus einem bekannten und konzeptuell erschlossenen Herkunftsbereich („Tierwelt“) auf den abstrakteren zu konzeptualisierenden Zielbereich („Zuwandererwelt“) ein. Solche konzeptuelle Strukturen werden in der vorliegenden Untersuchung als Frames15 bezeichnet. Darunter sind gesonderte Wissenseinheiten zu verstehen,
15 In dieser Arbeit wird eine etwas abweichende Definition vom Begriff Frame, der ursprünglich aus der Künstlichen-Intelligenz-Forschung in die kognitive Linguistik den Einzug gefunden hat, vorgenommen. Wie Monika Schwarz in der Einführung in die Kognitive Linguistik im Hinblick auf Schemata (die sie den Frames terminologisch gleichsetzt) ausführt, stellen sie eine Art Netzwerke verschiedener miteinander assoziierter Konzepte dar: „Als komplexe Organisationseinheiten stellen sie [Schemata, Frames] die Grundlage für alle konzeptuellen Prozesse dar. Sie werden in Form von Netzwerken dargestellt, wobei die konzeptuellen Einheiten als Variablen bzw. Slots (die allgemeine stereotypische Charakteristika – Defaults – aufweisen) konzipiert sind. Die Variablen werden in Ver- stehensprozessen mit konkreten Werten (Fillers/Füllwerten) besetzt“ (Schwarz 2008: 117). In solcher Auslegung scheint der Schema(Frame)-Begriff mit dem in dieser Studie vertretenen Begriff „konzeptueller Bereich“ identisch zu sein. Die einzelnen Fillers wären dabei als einzelne Konzepte zu verstehen, und die konzeptuellen Einheiten, die in dem Zitat von Schwarz als „Slots“ bezeichnet werden (vgl. auch das diesbezüglich angeführte Beispiel, dass
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die in unserem Gedächtnis mit dem jeweiligen konzeptuellen Bereich in Zusammenhang gebracht werden (vgl. Bussmann 1990: 251). Eine systematische metaphorische Angleichung von Konzepten aus zwei konzeptuellen Bereichen anhand der strukturellen Frameprojektionen ergibt auf einer höheren Abstraktionsebene ein sogenanntes kognitives Metaphernmodell, das in Form „Herkunftsbereich ist Zielbereich“ repräsentiert werden kann (zum Beispiel „Zuwandererwelt ist eine Tierwelt“).
Das dargestellte integrierte kognitiv-linguistische Metaphernverständnis, das eine übergeordnete Kategorisierungsebene sowie anschließende strukturelle Projektion zwischen den jeweiligen konzeptuellen Bereichen beinhaltet, scheint mit dem oben formulierten Forschungsziel dieses Beitrags kompatibel zu sein. Es ermöglicht eine umfangreiche Einsicht in die Beschaffenheit der Metaphorik im Diskurs, der seiner Natur nach darauf ausgerichtet ist, bestimmte Argumentationsweisen zunächst zu etablieren (vgl. metaphorische Kategorisierung) und später nachhaltig zu verfolgen (vgl. metaphorische Systematik). Diese Metaphernauffassung bietet somit eine zweckmäßige Methodologie zur korpusgestützten Metaphernanalyse im Diskurs, die ein induktives Untersuchungsverfahren nahelegt. Dem gemäß sollen zuerst Einzelmetaphern in den Texten erfasst und thematisch gebündelt werden, danach lassen sich auf Grund der ausgegliederten Gruppen die jeweiligen kognitiven Metaphernmodelle samt den zur konzeptuellen Projektion herangezogenen Frames (re-)konstruieren, des Weiteren können schließlich
das Schema „Geben“ über drei Slots „Geber“, „Empfänger“ und „Gabe“ verfügt – Schwarz
2008: 117), wäre dann mit dem in diesem Beitrag etablierten Begriff Frame gleichzusetzen. Jedoch wird in der vorliegenden Abhandlung für sinnvoll erachtet, terminologisch den Schema-Begriff zugunsten des Begriffs „konzeptueller Bereich“ aufzugeben, insofern Schema lediglich auf eine bestimmte Situation begrenzt werden sollte. Vgl. die Ausführung von Minsky: „A frame is a data structure for representing a stereotyped situation, like being in a certain kind of living room, or going to a child’s birthday party“ (Minsky 1975: 212). Im Falle eines konzeptuellen Bereichs können aber durchaus viele Situationen im Langzeitgedächtnis gespeichert sein, so dass von mehreren Schemata (in der Terminologie von Schwarz) bzw. Frames (in der Terminologie von Minsky) die Rede sein sollte. Angesichts solcher Komplexität der konzeptuellen Bereiche bietet sich somit eine tiefere (im Hinblick auf den Abstraktionsgrad) Platzierung des Begriffs Frame. In dieser Studie wird somit bewusst abweichend von der traditionellen Auffassung von den Frames im Rahmen der konzeptuellen Bereiche gesprochen, wobei ähnlich wie bei Slots von den konzeptuellen Einheiten die Rede ist. Diese konzeptuellen Einheiten repräsentieren in meiner Definition nicht die Standardsituationen aus dem jeweiligen konzeptuellen Bereich, sondern stellen konzeptuelle Strukturen dar, die sämtlichen Standardsituationen im Rahmen dieser konzeptuellen Bereiche im gleichen Maße immanent sind.
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anhand solcher kognitiver Metaphernmodelle Umkehrschlüsse gezogen werden, für welche abstrakte übergeordnete Kategorie der konzeptuelle Herkunftsbereich steht und somit welche essentiellen Merkmale der übergeordneten Kategorie den jeweiligen Konzepten des konzeptuellen Zielbereichs zugeschrieben werden.
3. Metaphern im ethnischer Diskurs
Wie bereits im einleitenden Kapitel dieses Beitrags angekündigt wurde, werden nun die oben vorgeschlagene Metaphernauffassung und Analysemethodologie anhand des in Deutschland zustande kommenden ethnischen Diskurses empirisch erprobt. Bevor auf den unmittelbaren Kern der Untersuchung eingegangen wird, soll zuerst der Begriff „ethnischer Diskurs“ genau definiert werden.
Unter dem ethnischen Diskurs wird in der vorliegenden Studie ein Komplex der Texte16 verstanden, die Ethnizität thematisieren, in einem sozialen Umfeld integriert sind, bestimmte Argumentationsmuster und Darstellungsweisen verfolgen und somit zur Konstruktion der ethnischen Problematik im Bewusstsein der jeweiligen Gemeinschaft beitragen. Ethnische Problematik ist dabei durchaus breit zu fassen, so dass, sobald die Ethnizität in jeglicher Hinsicht referiert oder thematisiert wird, man davon ausgehen kann, dass der ethnische Diskurs an dieser Stelle eingreift.
Naheliegend ist darüber hinaus, dass der ethnische Diskurs in erster Linie um den Konflikt aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit herausgebildet wird. Den Einzug in den ethnischen Diskurs finden somit neben den sichtbaren ethnischen Konflikten in den geopolitischen Konfliktherden auch konfliktträchtige Konstellationen wie Einwanderung, Migration, Integration und unter anderem Religion, insofern diese ethnisiert wird. Warum der Religionsdiskurs manchmal als Teil des ethnischen Diskurses zu betrachten wäre, erklärt sich dadurch, dass Ethnizität an sich ein Produkt der Identitätsstiftung ist (vgl. Barth 1969: 10). Kultur und bei manchen Kulturkreisen Religion spielen dabei eine wichtige Bezugsrolle und stellen
16 Der komplexe Begriff der diskursiven Praxis wird in Anlehnung an die Definition von Busse/Teubert (vgl. 1994: 16) gegen den Komplex der thematisch gebündelten Texte (Textfragmente) ausgetauscht. Solche Diskurs-Auffassung eröffnet eine Möglichkeit der linguistischen Diskursanalyse.
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eine Identifikationsgrundlage dar. Im Hinblick auf den deutschen ethnischen Diskurs scheint dadurch der Einschluss des Islamdiskurses in den ethnischen Diskurs berechtigt zu sein, insofern der Islam mit den Mitgliedern einer der größten ethnischen Minderheiten in Deutschland assoziiert wird.
Obwohl der ethnische Diskurs, wie jeder andere Diskurs, viele verschiedene Teildiskurse beinhaltet, wird die vorliegende Studie ausschließlich auf den Presse-Diskurs beschränkt – und zwar auf dessen Online-Segment. Der Grund, warum ausgerechnet Internetversionen von deutschen Zeitungen zum Untersuchungsobjekt werden, liegt in der ständig wachsenden Rolle des Internets als wichtiger Informationsquelle, die über ein hohes Meinungsbildungspotenzial verfügt.
Angesichts der unzähligen Pressebeiträge sollte das Korpus für die Untersuchungszwecke weiterhin eingeschränkt werden. Diese Restriktion erfolgte entlang zwei wesentlicher Dimensionen: Quellen und Zeitraum. Das Korpus wurde anhand von drei deutschen überregionalen Tageszeitungen
„Die Welt“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel Online“ erstellt. Diese Wahl ist durch die unterschiedliche politische Orientierung der genannten Zeitungen – jeweils rechts, gemäßigt links und links – begründet, was eine plastische Repräsentation des gesamten politischen Spektrums der deutschen Tagespresse ermöglicht (vgl. Pürer/Raabe 2007: 413, 419). Zeitlich wurde das Korpus im Hinblick auf das Veröffentlichungsdatum auf den Zeitraum zwischen dem 01.09.2009 und dem 30.04.2010 beschränkt. Eine solche Korpusreduktion veranschaulicht das Forschungsziel dieses Beitrags, im Vordergrund dessen die Untersuchung der Besonderheiten der Metaphorik im ethnischen Diskurs steht. Dabei ist es keine zwingende Bedingung, sämtliche Metaphern im ethnischen Diskurs zu ermitteln. Viel wichtiger scheint es in diesem Zusammenhang, bestimmte systematische Rekurrenzen zu eruieren, die allgemeine Entwicklungsperspektive sowie den kreativen Spielraum für die Metaphorik im ethnischen Diskurs aufzeigen würden.
Die Auswahl der Artikel für das Korpus ist in zwei Schritten erfolgt. Dadurch, dass Metaphern in den Texten nicht mit Hilfe einer Suchmaske ermittelt werden können, fand zuerst eine vorläufige Auswahl der Artikel statt, wobei auf bestimmte Schlagwörter ausgewichen wurde. In die Suchmaske wurden folgende Begriffe eingegeben: unmittelbar das Stichwort „ethnisch“; einzelne
Bezeichnungen von ethnischen Gruppen oder geopolitischen Konfliktherden,
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wie „Türken“, „Kurden“, „Basken“, „Uiguren“, „Palästinenser“, „Abchasien“, (Süd-)Ossetien“; Bezeichnungen der Anhänger verschiedener Religionen, wie
„Muslime“, „Christen“, „Juden“; und schließlich Begriffe aus der innerpolitischen Integrationsdebatte wie „Migration“, „Migranten“,
„Einwanderung“, „Einwanderer“ und „Integration“. Nach der vorläufigen automatischen Auswahl fand eine manuelle Auswahl statt, wobei das unmittelbare Korpus mit den relevanten Artikeln, die, erstens, tatsächlich ethnische Problematik thematisieren und, zweitens, Metaphern enthalten, erstellt wurde. Auf diese Weise wurden etwa 500 Artikel gewählt, die das Korpus der vorliegenden Untersuchung ausmachen.
3.1. Kognitive Metaphernmodelle im ethnischen Diskurs
Nach der Anwendung der in 2.2 präsentierten Methode zur Analyse der Metaphorik im Diskurs auf das Untersuchungskorpus sowie nach der damit übereinstimmenden Ausgliederung und anschließenden Gruppierung von Einzelmetaphern ließen sich mehrere kognitive Metaphernmodelle feststellen. Im Rahmen dieses Beitrags wird lediglich auf die fünf am meisten verbreiteten kognitiven Metaphernmodelle eingegangen, die im Weiteren für Vereinfachungszwecke nach dem Namen des konzeptuellen Herkunftsbereichs, woraus die konzeptuelle Projektion erfolgt, benannt werden, wobei stillschweigend vorausgesetzt wird, dass der jeweilige Herkunftsbereich mit dem konzeptuellen Bereich „Welt ethnischer Gemeinschaften“ metaphorisch angeglichen wird. Die Metaphernanalyse hat darüber hinaus gezeigt, dass sämtliche kognitiven Metaphernmodelle eine rekurrente Framestruktur aufweisen, die an dieser Stelle vorwegnehmend kurz erläutert wird. Grundsätzlich konnten drei Frames festgestellt werden. Das erste Frame präsentiert „Akteure“ des jeweiligen konzeptuellen Bereichs. Im Hinblick auf den konzeptuellen Zielbereich „Welt der ethnischen Gemeinschaften“ wird zwischen zwei Akteuren unterschieden: zwischen der eigenen ethnischen Gemeinschaft (nachfolgend als „Wir“ bezeichnet) und der fremden ethnischen Gemeinschaft (nachfolgend als „Sie“ bezeichnet). Weitere Frames der konzeptuellen Herkunftsbereiche betreffen die Handlungen der Akteure – bezogen auf den konzeptuellen Zielbereich „Welt ethnischer Gemeinschaften“ sind es Frames „Handlungen der fremden ethnischen
Gemeinschaft“ und „Handlungen der eigenen ethnischen Gemeinschaft“.
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Andreeva, Die gefährlichen Fremden
3.1.1. Kognitives Metaphernmodell: „Pflanzenwelt“
Das erste kognitive Metaphernmodell, das in der vorliegenden Studie zu behandeln sein wird, ist das Metaphernmodell „Pflanzenwelt“.
a) Frame „Akteure der Pflanzenwelt“
Bei der metaphorischen Erfassung des konzeptuellen Bereichs „Welt ethnischer Gemeinschaften“ werden zwei Akteure dieser Welt „Wir“ und
„Sie“ metaphorisch als Pflanzen konzeptualisiert, so dass sie einen „Stamm“,
„Sprosse“ und „Wurzeln“ haben und deswegen, beispielsweise, in ihrem
„Boden“ oder in ihrer Kultur „verwurzelt“ sein können. Vgl. Beispiele:
(1) Nach einer repräsentativen Umfrage [...] fühlen sich 58 Prozent der
Türkischstämmigen stark oder wenigstens mittelstark integriert. (SZ,
08.01.2010, „Eine Hoffnung, die bliebt“)
(2) [...]Ariertum [verdanke] seine Überlegenheit seiner Nicht-Vermischung mit fremden „Rassen“ und seiner Bodenverwurzelung [...]. (Welt,
31.10.2009, „Nicht ohne meinen Hinkelstein“)
b) Frame „Handlungen der fremden Pflanze“
Jedoch ist das Bild, das sich im Hinblick auf die Handlungen der beiden Akteure abzeichnet, nicht so friedfertig. Die „fremde“ Pflanze, die metaphorisch für „Sie“ steht, wächst anscheinend zu nah zu „unserer“ Pflanze, so dass sie ihre „Auswüchse“ auf „unseren“ Boden setzt, „unsere“ Landschaft „verschandelt“, ein „feindliches Umfeld“ bildet und „uns“ zum Einknicken bringt.
(3) Gegen Einwanderung, gegen die „Islamisierung“ Deutschlands und ganz besonders gegen deren sichtbare „Auswüchse“ in deutschen Städten. (SZ, 26.03.2010, „Hetzer gegen den Islam – mit Tarnkappe“)
(4) [Wilders] rief dazu auf, die Grenzen für Einwanderer zu schließen und [...] Kopftücher und Schleier zu besteuern, weil sie die niederländische Landschaft verschandelten. (Spiegel, 13.01.2010, „Anklage gegen den Rechtspopulisten Wilders bleibt bestehen“)
(5) Einmal hat [Broder] die Haltung von „1,5 Milliarden Moslems in aller Welt“ kritisiert, „die chronisch zum Beleidigtsein und unvorher- sehbaren Reaktionen neigen“. 2006 veröffentlichte er das definitive Buch: „Hurra, wir kapitulieren! Von der Lust am Einknicken“. (SZ,
22.10.2009, „Pausenclown Broder – da warf er eine Kippa“)
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c) Frame „Handlungen der eigenen Pflanze“
Die „eigene“ Pflanze greift zur Hilfe von gefährlichen Giften
(Rechtspopulismus) und lässt unter Umständen ihre „Flur bereinigen“, um die
„fremde“ Pflanze endgültig loszuwerden:
(6) Braunes Gedankengut sei in alle Bereiche der Gesellschaft eingesickert. (SZ, 09.11.2009, „Einheit verpflichtet“)
(7) Seither ist die zyprische Flur ethnisch bereinigt. (Spiegel, 12.04.2010,
„Europas Stiefkinder“)
(8) Per Genickschuss ließ Stalin die Führungsschicht [Polens] ausrotten. (Spiegel, 10.04.2010, „Tragisches Ende einer nationalen Mission“)
Wie aus den aufgeführten Beispielen ersichtlich wird, werden die Mitglieder der fremden ethnischen Gemeinschaft, wenn auch nicht explizit, einer Art
„Unkraut“, das die Exklusivität der eigenen Spezies durch das wilde
Wachstum gefährdet, gleichgesetzt. Die Konzepte aus dem Herkunftsbereich
„Pflanzenwelt“, die zur metaphorischen Projektion auf die Struktur des Konzeptes „fremde ethnische Gemeinschaft“ herangezogen werden, stehen dabei prototypisch für die übergeordnete Kategorie „Gefährliches Wesen“. Somit wird diskursiv eine logische Begründung für die Handlungen der eigenen ethnischen Gemeinschaft geliefert, die sich zur Sicherung eigener Existenz zur Wehr gegen die fremde ethnische Gemeinschaft setzt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass in den angeführten Zitaten eine breite Palette von unterschiedlichen Konventionalisierungstypen17 der Metaphern vorzufinden ist. Neben den lexikalisierten „Türkischstämmigen“ in (1) und „Bodenverwurzelung“ in (2) sowie konventionellen also durchaus geläufigen Metaphern wie zum Beispiel in (4) oder (8) gibt es weniger konventionalisierte Metaphern wie „Auswüchse“ in (3)
17 An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Unterteilung der Metaphern in verschiedene Konventionalisierungstypen nicht immer eindeutig (ausgenommen lexikalisierte Metaphern) erfolgen kann. Das maßgebliche jedoch nur relative und kontextabhängige Kriterium für eine solche Differenzierung der Metaphern ist die Häufigkeit ihres Gebrauchs. Deswegen sollten die genannten Konventionalisierungstypen der Metaphern im Hinblick auf das gesamte Konventionalisierungskontinuum graduell betrachtet werden. Dadurch, dass der vorliegende Beitrag keine strikte Klassifikation verschiedener Metapherntypen bezweckt, richte ich mich bei der Festlegung bzw. Bezeichnung des Konventionalisierungsgrades der jeweiligen Metapher eher nach den subjektiven Bestimmungskriterien (je nach der Vorkommenshäufigkeit im erhobenen Korpus). Es scheint jedoch mit dem Forschungsziel kompatibel zu sein, insofern beabsichtigt wird, lediglich die Gesetzmäßigkeiten und die fortlaufenden Muster im Diskurs aufzuzeigen.
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Andreeva, Die gefährlichen Fremden
bis hin zu durchaus innovativen Metaphern wie „Lust am Einknicken“ in (5). Das Vorhandensein solcher weniger konventionalisierten und innovativen Metaphern veranschaulicht die Produktivität dieses kognitiven Metaphernmodells und somit die Produktivität der diskursiv etablierten Kategorisierungs- und Argumentationsstrategie.
3.1.2. Kognitives Metaphernmodell „Welt der Naturkatastrophen“
Das zweite kognitive Metaphernmodell „Naturkatastrophenwelt“ schildert folgendes metaphorisches Bild:
a) Frame „Akteure“
In dieser Welt gibt es zwei Akteure – Menschen und Naturelemente, die einander konfrontiert werden. Vertreter der eigenen ethnischen Gemeinschaft („Wir“) treten dabei metaphorisch als Menschen auf, die oft auf einer Insel wohnen:
(9) [Kühn] selbst verstehe zwar gewisse „Bedenken gegen den Islam“ [...]
„Man meint, auf einer Insel zu leben“ [...]. (SZ, 30.11.2009, „Wenn der
Staat das Volk nicht mehr versteht“)
Fremde ethnische Gemeinschaft („Sie“) wird als ein Naturelement metaphorisch konzeptualisiert: entweder ist es Wasser, das in Form von Flutwellen und Tsunamis in Erscheinung tritt, oder Feuer, das als Erdbeben zum Tragen kommt:
(10) [Balotelli aus Ghana] wuchs […] bei Brescia auf, [wo] Politiker davor warnen, die Italiener riskierten angesichts der überbordenden Fremdenflut ein ähnliches Eingeborenen-Schicksal wie die nordamerikanischen Indianer, nämlich demnächst eingeschlossen zu werden in Reservaten. (SZ, 16.12.2009, „Ein Symbol für die Spaltung Italiens“)
(11) [...] Es gebe einen „Islamisierungs-Tsunami“. (Spiegel, 20.01.2010,
„Niederlande machen Politprovokateur Wilders den Prozess“)
(12) Selbst leiseste Erschütterungen der geopolitischen Tektonik reißen ja im Südosten des Kontinents [in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien] Gräben auf. (Spiegel, 28.12.2009, „Der Fall der Bastille“)
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b) Frame „Handlungen des Naturelements“
Das Erscheinen von „Sie“ wird im Rahmen dieses kognitiven Metaphernmodells metaphorisch einer Naturkatastrophe gleichgesetzt. So stößt, zum Beispiel, das Wasser in das von den Menschen bewohnte Land vor und überschwemmt es.
(13) Ein bettelarmes, bedrohlich wachsendes Volk, das die Europäische Union überschwemmt – das Horrorbild, das manch europäischer Türkeigegner zeichnet, stimmt nicht mehr. (SZ, 12.01.2010, „Babypause am Bosporus“)
c) Frame „Handlungen der Menschen“
Menschen („Wir“) versuchen, sich der Naturgewalt zu widersetzen und sich zu retten. So werden entsprechend die Maßnahmen getroffen, um die durch das Naturelement ausgelösten Flutwellen und Tsunamis zu stoppen und den weiteren Zustrom einzudämmen.
(14) Sie können einen islamistischen Tsunami nicht stoppen, indem Sie im Ozean eine kleine Insel aufschütten. (Spiegel, 22.03.2010, „Wir führen einen Kulturkampf“)
(15) Mit der Errichtung eines Zauns an der Grenze zu Ägypten will Israel die illegale Einwanderung eindämmen. (SZ, 11.01.2010, „Israel macht die Grenze dicht“)
Droht den Menschen („Wir“) das Feuer, dann versuchen sie dieses entsprechend „auszulöschen“:
(16) In der nicht bindenden Erklärung fordert der Ausschuss Präsident Barack
Obama auf, die „systematische und vorsätzliche Auslöschung von 1,5
Millionen Armenier“ klar als Völkermord zu qualifizieren. (SZ,
05.03.2010, „Türkei ruft Botschafter zurück“)
Anhand von Frames dieses kognitiven Metaphernmodells lässt sich feststellen, dass die Mitglieder der fremden ethnischen Gemeinschaft dem
„unberechenbaren“ und „rücksichtslosen“ Naturelement metaphorisch angeglichen werden. Der Rückgriff auf den konzeptuellen Herkunftsbereich
„Naturkatastrophenwelt“ verdeutlicht die Prototypikalität der Konzepte dieses Herkunftsbereichs, wie zum Beispiel der Konzepte „Tsunami“ oder
„Flutwelle“, für die übergeordnete und bei der metaphorischen Konzeptualisierung der Kategorie „fremde ethnische Gemeinschaft“ referierte attributive Kategorie „Gefährliches Wesen“. Das Naturelement wird dabei
personifiziert und verwandelt sich in etwas Lebendiges. Obwohl das Konzept
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Andreeva, Die gefährlichen Fremden
„Gefährlichsein“ immer die Macht des Gefährlichen impliziert, wird diese Implikation im kognitiven Metaphernmodell „Naturkatastrophenwelt“ besonders deutlich. Das Naturelement, sei es Tsunami oder Feuer, ist stark und wesentlich kraftvoller als die Menschen – das metaphorische Pendant der eigenen ethnischen Gemeinschaft. Somit erscheint eigene ethnische Gemeinschaft als ziemlich hilflos gegenüber der Natur und kann lediglich einen Selbstschutzversuch unternehmen.
Auch in diesem kognitiven Metaphernmodell sind ganz unterschiedliche Konventionalisierungstypen der Metaphern vorzufinden. Lexikalisierter Gebrauch der Lexeme „eindämmen“ in (15) und „überschwemmen“ in (13) im Hinblick auf die Einwanderung bzw. Einwanderer, wobei man vielleicht nicht immer solche Wasser-Metaphorik im Hintergrund der jeweiligen Aussagen realisieren würde, gehen im kognitiven Metaphernmodell
„Naturkatastrophenwelt“ in einer Reihe mit der konventionellen „Insel“- Metapher in (9), weniger konventionellen „Fremdenflut“ in (10) und den innovativen Metaphern „Islamisierungs-Tsunami“ in (11) und „Erschütterungen der geopolitischen Tektonik“ in (12) einher. Die Fortführung der etablierten konzeptuellen Projektionen, die in solchen innovativen Metaphern zum Ausdruck kommen, untermauern die basalen Projektionen dieses kognitiven Metaphernmodells und erfüllen durch ihre Einzigartigkeit eine Art Eye- Catcher-Funktion, wobei erhöhte Emotionalisierung des gesamten diskursiven Kontextes erreicht und eventuell eine Weiterentwicklung des diskursiven Argumentationsmusters angeregt wird (vgl. zum Beispiel die abweichende Formulierung „islamistischen Tsunami“ sowie Revitalisierung der konventionellen „Insel“-Metapher in (14)).
3.1.3. Kognitives Metaphernmodell „Familienwelt“
Das dritte kognitive Metaphernmodell ist das Metaphernmodell
„Familienwelt“.
a) Frame: „Akteure“
In diesem Metaphernmodell werden „Wir“ als eine Familie konzeptualisiert. Es gibt Angehörige dieser Familie und ein Haus oder Heim, wo die Familie wohnt.
(17) In Wahrheit haben wir nicht die Konflikte zwischen Einwanderern und
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Einheimischen, sondern die zwischen den verschiedenen Einheimischen
[...]. (SZ, 23.02.2010, „Wie es euch gefällt“)
(18) Das geht dort vielen Angehörigen der großen russischen Minderheit so.
Die meisten von ihnen bleiben im Land und können „lettische
Nichtbürger“ werden. (Spiegel, 20.04.2010, „Flucht ohne Ausweg“)
„Sie“ werden als Außenstehende, die nicht zur Familie gehören, metaphorisch erfasst. So können „Sie“ zum Beispiel Gäste werden.
(19) Da bekamen Gastarbeiter ein Geschenk, wenn sie nach Deutschland kamen. Sie waren schließlich Gäste, keine Bürger. (SZ, 29.03.2010, „Mir laust der Affe“)
b) Frame „Handlungen der Außenstehenden“
Diese Gäste können aber bei „uns“ nicht willkommen sein und sich entsprechend nicht wie zuhause fühlen dürfen.
(20) Das Abstimmungsergebnis bedeute, dass Musliminnen und Muslime in der Schweiz nicht mehr willkommen seien. (SZ, 30.11.2009, „Das wird die Schweiz teuer zu stehen kommen“)
(21) Das Gefühl, nirgendwo zuhause zu sein, dürfte Sibel Kekilli also in vielfacher Hinsicht geläufig sein. (Spiegel, 10.03.2010, „Schrecken, ganz ohne Schleier“)
Manchmal betreten „Sie“ dennoch unverhofft die Schwelle „unseres“ Hauses und rauben „uns“ aus.
(22) In den Zuwanderungsländern Frankreich und den Niederlanden liegt der Muslim-Anteil der Bevölkerung über der Fünf-Prozent-Schwelle. (Spiegel, 19.12.2009, „Rückkehr des Allmächtigen“)
(23) Denn „Affensprache“ ist kein harmloses Wort, [und betrifft u. a.] Sphäre der Migranten, die als Nutznießer, ja Räuber eines befriedeten Wohlstands erscheinen [...]. (SZ, 29.03.2010, „Mir laust der Affe“)
c) Frame „Handlungen der Familie“
Als Antwort darauf riegeln „Wir“ unsere Tür ab oder versuchen wenigstens
„Sie“ zu bevormunden, damit „Wir“ „unsere“ Macht aufrechterhalten können.
(24) Die Bundesregierung protestierte energisch gegen die Abriegelung des
Landes [Lybien]. (Spiegel, 15.02.2010, „Gaddafi sperrt EU-Bürger aus“)
(25) Die ungeheure Wut, die sich im Lauf der sogenannten Islamdebatte [...] entladen hat, zeugt [...] von der Frustration der Vormunde über autonome Muslime, [...] die keine Mündel sein wollen. (Spiegel,
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Andreeva, Die gefährlichen Fremden
08.03.2010, „Das grüne Band der Sympathie“)
Das dargestellte kognitive Metaphernmodell zeigt, dass auch bei diesen metaphorischen Projektionen die fremde ethnische Gemeinschaft mit einem gefährlichen Außenstehenden assoziiert wird. Durch die Konzepte des konzeptuellen Herkunftsbereichs „Familienwelt“ wird wiederum auf die übergeordnete Kategorie „Gefährliches Wesen“ zurückgegriffen. Nicht von ungefähr finden den Einzug in das Frame „Handlungen der fremden ethnischen Gemeinschaft“ solche Szenarios wie Raub und List.
Eine weitere wichtige Implikation, die durch diesen Herkunftsbereich zum Ausdruck kommt, ist die strikte Grenzziehung zwischen den Familienangehörigen und den Außenstehenden. Deswegen auch ist hier der weit verbreitete und bereits lexikalisierte Begriff „Gastarbeiter“ in (19) vorzufinden, der die diskursive Argumentationslinie unterstützt, die die Vertreter der fremden ethnischen Gemeinschaft ausschließlich als Gäste und keinesfalls als vollständige Mitglieder der Familie erscheinen lässt18.
3.1.4. Kognitives Metaphernmodell „Tierwelt“
Das kognitive Metaphernmodell „Tierwelt“ ist das vierte Metaphernmodell.
a) Frame: „Akteure“
Zwei übliche Akteure sind auch in diesem kognitiven Metaphernmodell vorhanden. „Wir“ werden hier als Menschen konzeptualisiert, „Sie“ werden metaphorisch den Tieren gleichgesetzt. Dabei trifft man in dieser „Tierwelt“ ganz unterschiedliche Tierarten: Hunde, Schlangen, Tiger, Hydren, Berserker, Zecken, Raben oder Ratten, vgl.:
(26) [...] kein Indianervolk mochte die anderen leiden: Der eigenen Stamm bestand jeweils aus „richtigen Leuten“, die Nachbarn waren [...]
„Hunde“, „Schlangen“ oder „Menschenfresser“. (Welt, 18.10.2009, „Weiß trifft Rot“)
(27) [plumpe Witzelei eines dänischen Karikaturisten ist] ungefähr so intelligent [...], wie der Versuch, einen Tiger zu erziehen, indem man ihm
18 Jedoch ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet unter Rückgriff auf den konzeptuellen Ursprungsbereich „Familienwelt“ von der „Versöhnung“ oder
„Verbrüderung“ – dem Desiderat in allen ethnischen Konflikten gesprochen wird, was unterstellt, dass im Idealfall die Außenstehenden doch zu Familienmitgliedern werden könnten.
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[...] ein Schinkenbrot anbietet und [...] wieder wegnimmt. (Spiegel,
08.03.2010, „Das grüne Band der Sympathie“)
(28) In ihrer Heimat Burma werden [Rohingyas] als hässliche Ungeheuer beschimpft, vertrieben. Doch auch in den Nachbarstaaten sind sie auch nicht willkommen [...]. (Spiegel, 03.03.2010, „Verfolgt, verhöhnt, verletzt“)
b) Frame: „Handlungen der Tiere“
Alle Tiere, die in dieser „Tierwelt“ vorzufinden sind, repräsentieren jedoch keine zahmen Haustiere, sondern übernehmen die Rolle von wilden gefährlichen Raubtieren. Die Handlungen von Vertretern der fremden ethnischen Gemeinschaft werden somit innerhalb des kognitiven Metaphernmodells „Tierwelt“ kongruent mit dem Verhalten der Raubtiere metaphorisch geschildert. Diese Tiere sind Friedensstörer, sie dringen in
„unser“ Revier ein und hacken zum Beispiel mit „ihren“ Schnäbeln (bezogen auf die Raben) auf „unsere“ Felder ein.
(29) [...]wer mit offenen Augen durch [Berlin] geht, sieht [...] Straßenzüge, die von libanesischen Großfamilien als ihr Revier betrachtet werden. (SZ,
07.10.2009, „Die Stadt des Thilo Sarrazin“)
(30) Zu sehen waren lauter schwarze Raben, die mit ihren Schnäbeln auf die kleine Schweiz einhacken. (SZ, 30.11.2009, „Der Schweizer Krawallmacher – ein Deutscher“)
c) Frame: „Handlungen der Menschen“
Die Menschen („Wir“) müssen sich dagegen schützen und beginnen eine Jagd auf „Sie“, sie tarnen sich, spüren „Sie“ auf, hetzen, vergiften, verjagen, vertreiben und stigmatisieren „Sie“.
(31) „Pro NRW“ [...] hetzt gegen Muslime – und tarnt sich als Bürgerbewegung. (SZ, 26.03.2010, „Hetzer gegen den Islam – mit Tarnkappe“)
(32) „[tschetschenische Separatisten] müssten „gejagt, in ihren Höhlen aufgespürt und wie Ratten vergiftet“ werden [...]. (SZ, 30.03.2010, „Jagd auf die Hintermänner“)
(33) Kolat nannte Sarrazins Äußerungen „stigmatisierend und menschenverachtend“. (SZ, 09.10.2009, „Sarrazin erweist Hitler große Ehre“)
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Andreeva, Die gefährlichen Fremden
Dieses kognitive Metaphernmodell ist eines der bildhaftesten Modelle im ethnischen Diskurs. Die fremde ethnische Gemeinschaft wird metaphorisch gefährlichen Tieren gleichgesetzt. Die große Auswahl an Tierarten, die immer sehr plakativ und oft auch innovativ (vgl. zum Beispiel Metaphern in (27), (30)) referiert werden, sorgt für eine erhöhte negative Emotionalität. Dieses kognitive Metaphernmodell zeichnet sich generell durch eine hohe Anzahl von weniger konventionalisierten Metaphern aus. Aber auch im Hinblick auf die konventionelle Metaphorik lässt sich oft eine Revitalisierung der metaphorischen Projektionen feststellen (vgl. die Ausführung der „Hetze“- Metapher durch das Konzept „tarnen“ in (31)), was, einerseits, die Brisanz und, andererseits, die Produktivität dieses kognitiven Metaphernmodells hervorhebt.
Was die Argumentationsstrategie, die im Rahmen dieses Metaphernmodells etabliert wird, betrifft, so verweisen Konzepte des konzeptuellen Herkunftsbereichs „Tierwelt“ auf die bereits aus den vorigen kognitiven Metaphernmodellen bekannte übergeordnete Kategorie „Gefährliches Wesen“. In diesem Zusammenhang ist auch der Fakt interessant, dass das kulturell begründete Jagd-Szenario, das im Frame „Handlungen der eigenen ethnischen Gemeinschaft“ vorzufinden ist, umfunktioniert wird. Es handelt sich dabei um keine Jagd zwecks Versorgung oder Vergnügen. Es ist vielmehr eine Jagd auf die gefährlichen Tiere, die sich etwas einverleiben möchten, was ihnen nicht gehört, und dabei „unser“ Eigentum oder sogar „unser“ Leben gefährden. In dem Jagd-Szenario liegt somit eine latente Kriegserklärung vor, was unter anderem in solchen Einzelmetaphern wie „vergiften“, „verjagen“ und
„vertreiben“ ausdrücklich wird, wobei das Präfix „ver-“ das Ziel der endgültigen Vernichtung und Wegräumung impliziert.
3.1.5. Kognitives Metaphernmodell „Körperwelt“
Das letzte kognitive Metaphernmodell, das in diesem Beitrag präsentiert wird, ist das kognitive Metaphernmodell „Körperwelt“.
a) Frame: „Akteure“
„Wir“ werden bei diesem Modell als „Körper“ konzeptualisiert. „Sie“ werden metaphorisch zu einem „Auslöser der Krankheit“. Entweder werden die
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Vertreter der fremden ethnischen Gemeinschaft dem Dreck oder Gift gleichgesetzt:
(34) Im Polizeibericht hieß es, [Mel Gibson] habe den Beamten als
„Drecksjuden“ bezeichnet und beschimpft. (SZ, 07.10.2010, „Strafregister wieder sauber“)
(35) [...] uigurische Gemeinde in München [zählt] Peking zu den „vier Giften“ [...], die China bedrohten. (SZ, 24.11.2009, „Deutschland geht gegen chinesische Spione vor“)
oder erscheinen sie metaphorisch als eine Krankheit an sich (z.B. Krebsgeschwür oder Virus):
(36) [Geheimdienstler beschleicht] das Gefühl, „dass der Terror wie ein Krebsgeschwür ist und für jeden Aktivisten, den wir ausschalten, ein neuer nachwächst“. (Spiegel, 03.04.2010, „Kampf bis zum Ende“)
(37) Der Aberglaube ist verbreitet, die Muslime etwa fürchten, vom christlichen Virus ergriffen zu werden, wenn sie mit einem Kopten zusammen essen. (Spiegel, 22.02.2010, „Geduldeter Hass“)
oder aber als ein Träger solcher Krankheit (z.B. Fanatiker, Aussätziger):
(38) „Es entsteht fast der Eindruck, Türkisch sei eine Sprache von Aussätzigen“ [...] (SZ, 28.03.2010, „Merkel: Migranten sollen Deutsch lernen“)
(39) [...] dass der Islam von Fanatismus geprägt sei, meinten im Jahr 2004 bereits 75 Prozent und zwei Jahre später sogar 83 Prozent der Deutschen (SZ, 17.12.2009, „Kopftuchfrauen“)
b) Frame „Handlungen des Auslösers der Krankheit“
Bei einem Kontakt mit dem Körper lösen „Sie“ eine Krankheit aus: Verletzungen, Krämpfe, Minderwertigkeitsgefühle, empfindliche Reaktionen, Phobien, Hysterien und Allergien.
(40) Der [...]Eindruck, Muslime fühlten sich ausnahmslos von Islamophobie
[...] und latente[m] Rechtsradikalismus [verfolgt], sei falsch. (Spiegel,
18.12.2009, „Zentralrat der Muslime mahnt zur Mäßigung“)
(41) Oft sind die Täter Dunkelhäutige [...] – insofern ist es kein Wunder, dass
Bürger Arizonas beim Thema [Einwanderung] hysterisch reagieren. (SZ,
28.04.2010, „Heißes Pflaster für Latinos“)
(42) „[Es gibt] eine Allergie gegen alles, was mit der Türkei und der türkischen Sprache zu tun hat“ [...]. (SZ, 28.03.2010, „Merkel: Migranten sollen Deutsch lernen“).
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c) Frame: „Handlungen des Körpers“
Der Körper versucht, den jeweils krankhaften Zustand zu heilen, wobei mit Hilfe der Medizin oder der Hygiene Maßnahmen ergriffen werden. So werden Säuberungen durchgeführt oder Medizin verabreicht.
(43) Flüchtlinge berichten von ethnischen Säuberungen in Westburma [...] (Spiegel, 03.03.2010, „Verfolgt, verhöhnt, verletzt“)
(44) [...] Aktivisten der Neonazi-Szene [können] jetzt offen ihr
Gedankengebräu verabreichen [...] (SZ, 22.10.2009, „Pausenclown Broder
– da warf er eine Kippa“)
Wie die einzelnen Metaphern dieses kognitiven Metaphernmodells nahelegen, spielt sich im Rahmen dieser metaphorischen „Körperwelt“ eine Art „Kampf“ zwischen dem Körper und den Auslösern gefährlicher Krankheiten ab. Nicht von ungefähr sind hier manche Konzepte aus dem konzeptuellen Bereich
„Krieg“ (vgl. „Bekämpfung“) vorzufinden19. Die fremde ethnische Gemeinschaft erscheint dabei als ein destruktives Element, das einen krankhaften Zustand in der eigenen ethnischen Gemeinschaft verursacht. Die Konzepte des Herkunftsbereichs „Körperwelt“, die zur metaphorischen Konzeptualisierung der Kategorie „fremde ethnische Gemeinschaft“ dienen, stehen auch in diesem Modell für die übergeordnete Kategorie „Gefährliches Wesen“. Und auch wenn es sich um „Dreck“ oder „Gift“ handelt, werden diese Nicht-Lebewesen personifiziert und als gefährliche Organismen, die den
„schutzbedürftigen“ Körper angreifen, identifiziert.
Auch in diesem kognitiven Metaphernmodell ist ähnlich wie im kognitiven Metaphernmodell „Tierwelt“ der Anteil an den weniger konventionalisierten und innovativen Metaphern sehr hoch. Starke negative Emotionalisierung, die mit den pejorativen Bezeichnungen wie „Drecksjude“ in Kombination mit den innovativen Metaphern wie „Sprache der Aussätzigen“ in (38) oder „christliches Virus“ in (37) erreicht wird, herrscht in diesem kognitiven Metaphernmodell vor. Zahlreiche innovative Metaphern überlagern bereits lexikalisierte Metaphern wie „ethnische Säuberungen“ in (43) oder mittlerweile stärker
19 Der konzeptuelle Bereich „Krankheit und Körper“ wird generell teilweise durch den konzeptuellen Bereich „Krieg“ metaphorisch erschlossen. Deswegen ist das Vorhandensein von solchen Konzepten wie „Bekämpfung“ hier nicht überraschend. Jedoch scheint in unserem Fall der Hinweis auf die Elemente des konzeptuellen Bereichs „Krieg“ durchaus berechtigt zu sein, wenn man die diskursive Polarisierung der ethnischen Gemeinschaften in Erwägung zieht.
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konventionalisierte Metaphern wie „Islamophobie“ in (40), die jedoch vor dem Hintergrund solcher innovativen Realisierungen des kognitiven Metaphern- modells nicht weniger emotional und motiviert erscheinen.
3.2. Auswertung der Ergebnisse
Die fünf oben dargelegten kognitiven Metaphernmodelle, die im ethnischen Diskurs rekonstruiert werden können, zeichnen insgesamt ein sehr düsteres Bild. Sie werden um die Dichotomie das Eigene und das Fremde gebildet, wobei das Fremde metaphorisch einer bedrohlich wachsenden Pflanze, einem grausamen Naturelement, einem gefährlichen wilden Tier, einem Fremden, der den Frieden der Familie ins Wanken bringt, und einer Krankheit, die das Wohlbefinden des Körpers beeinträchtigt, angeglichen wird. Alle diese Konzepte stehen prototypisch für die übergeordnete Kategorie „Gefährlich“ und veranlassen somit eine Konzeptualisierung der Kategorie „fremde ethnische Gemeinschaft“, so dass diese als gefährlich aufgefasst wird. Diese attributive Kategorienzuordnung, die mit Hilfe prototypischer konzeptueller Bereiche zustande kommt, ist wohl an manchen Stellen verschwommen und unbewusst (vlg. konventionelle oder lexikalisierte Metaphern), jedoch liegt ausgerechnet sie dem ethnischen Diskurs zugrunde (nicht von ungefähr werden innovative Metaphern anhand der bereits existenten metaphorischen Projektionen zwischen den jeweiligen konzeptuellen Bereichen geschaffen). Akteure im ethnischen Diskurs halten sich gegenseitig für fremd und gefährlich, so dass eine Art Phobie vor dem gefährlichen Fremden ausgelöst wird.
Angesichts der allgemeinen Brisanz der Integrationsfrage im Zeitalter der Globalisierung könnte in diesem Zusammenhang eine wesentliche Frage aufgeworfen werden, ob es überhaupt möglich ist, im Rahmen des ethnischen Diskurses die Integrationsproblematik zu lösen. Integration zielt grundsätzlich auf die Verwischung der Grenzen zwischen dem Eigenen und dem Fremden ab. Dennoch wird umso deutlicher, warum „der Boden der Integration“ eigentlich so „schwankend“ ist (Welt, 24.10.2009, „Warum die Integration eine Erfolgsgeschichte ist“), wenn man die Immanenz der Grenzziehung zwischen dem Eigenen und dem Fremden sowie der Dämonisierung des Fremden im konstruierten ethnischen Diskurs bedenkt. Diese Frage bleibt wohl erstmal
rhetorisch. Offenkundig ist jedoch die Tatsache, dass im ethnischen Diskurs
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immer wieder alte Feindbilder aufgegriffen, „virulente“ Ressentiments geschürt und Phobien verbreitet werden, so dass zwangsläufig immer neue Zerrbilder der Anderen entstehen. Dieser Prozess ist allerdings, wie ein Zitat aus der Süddeutschen Zeitung so plastisch veranschaulicht, nichts anderes als ein krankhafter Zustand:
„Feindbilder sind Produkte von Hysterie. Sie konstruieren und instrumentalisieren Zerrbilder der anderen. Wenn wir Hysterien als weitverbreitete Verhaltensstörung definieren, die unter anderem durch Beeinträchtigung der Wahrnehmung, [...] durch theatralischen Gestus und egozentrischen Habitus charakterisiert ist, dann erklären sich Phobien gegen andere Kulturen oder ganz unterschiedliche Minderheiten in der eigenen Gesellschaft als Abwehrreflex.“ (SZ,
04.01.2010, „Antisemiten und Islamfeinde“)
4. Ausblick
Das integrierte Metaphernverständnis, das im Rahmen dieser Studie herausgearbeitet worden ist und die Referenzverdopplungstheorie der Metapher mit den Elementen der konzeptuellen Metapherntheorie verbindet, wurde bei der Untersuchung der Beschaffenheit der Metaphorik im ethnischen Diskurs eingesetzt. Diese Studie hat gezeigt, dass ein solches integriertes Metaphernverständnis eine gute Möglichkeit bietet, einerseits, die diskursive Komponente der Metapher und somit ihre systematische Konsistenz und, andererseits, das kognitive und argumentative Potenzial, das in ihrem kategorialen Charakter verborgen liegt, zu berücksichtigen. Die Heranziehung der übergeordneten Kategorisierungsebene bei der Auswertung der an der metaphorischen Konzeptualisierung und Kategorisierung beteiligten Konzepte aus den jeweiligen konzeptuellen Herkunftsbereichen ermöglicht den Einblick in die Beschaffenheit des Diskurses und seine impliziten Argumentationsstrategien. Laut dem konstruktivistischen Paradigma wird generell davon ausgegangen, dass eine Entität und im weiten Sinne eine Problematik im und durch den Fokussierungs- und Darlegungsprozess diskursiv konstruiert wird. Vor dem Hintergrund der menschlichen Fähigkeit, eine kognitive metaphorische Operation zu vollziehen und dabei eine bestimmte Kategorisierung und Perspektivierung des Sachverhalts zu etablieren, sowie im Anblick der
erheblichen Sensitivität unserer Sprache gegenüber Metaphern und somit der
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„Veranlagung“ der Diskursteilhaber zur nachhaltigen Aufnahme und Weiterentwicklung von etablierten semantischen und kognitiven Denk- und Ausdrucksmöglichkeiten scheint die Metapher einen besonders wichtigen Stellenwert im Diskurs zu haben und verfügt deswegen über ein erhebliches heuristisches Potenzial im Bereich der Diskursanalyse. Somit lässt sich abschließend festhalten, dass das in dem vorliegenden Beitrag präsentierte methodologische Verfahren über den ethnischen Diskurs hinaus ein universelles theoretisches Modell darstellt und in der Zukunft für Untersuchungen im Bereich der Diskursanalyse aus der Sicht der kognitiven Metaphernforschung eingesetzt werden kann.
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