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Vorwort
Angesichts der zunehmenden Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung
multimodaler Kommunikationsformen hat sich die Forschung in den letzten
Jahren der Analyse von Metaphern zugewandt, die sich (auch) auf nichtsprachlicher
Ebene manifestieren. Dazu gehören beispielsweise Metaphern im
Bild, in der Gestik oder in der Musik. Für die Interpretation nicht-verbaler
Metaphern eröffnen bestehende kognitionslinguistische und andere metaphorologische
Zugänge Wege der Interpretation, die dann weitergedacht werden
müssen, wenn sich die metaphorische Kommunikation durch Multimodalität
auszeichnet: So treten beispielsweise in der Face-to-Face-Kommunikation
Sprache und Gestik gleichzeitig auf, während die Kombination von Text und
Bild in Textsorten wie Comics und Werbeanzeigen der Regelfall ist oder im Fall
von Videoclips – beispielsweise aus dem Bereich Marketing – gar eine Verbindung
von drei Kanälen vorliegt. Gerade vor dem Hintergrund der rasanten
Weiterentwicklung multimedialer und -modaler Kommunikationsformate im
Internet sowie angesichts unseres Wissens über die Allgegenwart und
strukturierenden Dimensionen von Metaphern muss sich die Metaphernforschung
nicht-verbalen und multimodalen Ausprägungen von Metaphern
zuwenden – auch im Hinblick auf den entsprechenden theoretischen Zugang.
Zu den Forschungsdesiderata gehören etwa die Auseinandersetzung mit
verschiedenen Typen des Zusammenspiels der Modalitäten (komplementär,
widersprüchlich, redundant) sowie den unterschiedlichen Funktionen multimodaler
Metaphern (z.B. illustrierend, heuristisch, persuasiv), ebenso wie die
Beschäftigung mit etablierteren und neu entstandenen Textsorten und Kommunikationsformen
sowie unterschiedlichen kommunikativen Situationen (z.B.
Face-to-Face, quasi-synchron, synchron). Kulturkontrastive Betrachtungen können
darüber Aufschluss geben, inwiefern die Verwendungen und Kombinationen
unterschiedlichster Metapherntypen kulturraumgebunden sind.
Das vorliegende Themenheft, das durch zwei nicht themenspezifische Beiträge
bereichert wird, zielt darauf ab, zur Weiterentwicklung der theoretischen
Diskussion beizutragen und durch unterschiedliche Studien Einblicke in die
Bedeutung multimodaler Metaphern zu geben.
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Sabine Heinemann liefert einen Forschungsüberblick zur multimodalen Metaphorik
unter besonderer Berücksichtigung von Werbeanzeigen bzw. -plakaten
und politischen Cartoons. Sie fokussiert zwei Bereiche, in denen die Verschränkung
der sprachlichen und bildlichen Ebene traditionell weit verbreitet
ist. Neben einem kurzen Abriss zur konzeptuellen Metapherntheorie, ihrer
Erweiterung durch die blending-Theorie und den Bereich der Bildmetapher,
diskutiert die Verfasserin die Vorteile einer Definition multimodaler Ansätze
unter Rückgriff auf die Annahme eines Kontinuums und behandelt exemplarisch
Arbeiten aus den beiden gewählten Anwendungsfeldern.
Molly Pan und Dennis Tay kritisieren die vielfach qualitative Vorgehensweise
in Arbeiten zu multimodalen Metaphern, die eine Charakterisierung verallgemeinerbarer
Strukturelemente unmöglich macht. Sie nehmen eine quantitative
Analyse 66 chinesischer Videoanzeigen vor und untersuchen für 197 Metaphern
systematisch die Verbindung von Metaphernsignalen, -funktionen und
Produkttypen. Das Vorgehen bietet Erkenntnisse über die Signifikanz von
Zusammenhängen zwischen den drei oben genannten Aspekten und liefert
empirische Belege für generalisierbare Strukturmerkmale.
Auch Adeline Terrys Analyse hebt auf multimodale Metaphern im Bereich des
Mediums Video ab. Ihre qualitative Studie nimmt eine bekannte amerikanische
Sitcom, How I Met your Mother, in den Blick. Im Zentrum des Beitrags steht die
Frage, wie insbesondere kreative Metaphern, die sich auf Tabuthemen beziehen
(als X-Phemismen bezeichnet), sich auf die Kombination von mindestens zwei
Modalitäten stützen und auf diese Art und Weise Humor generieren.
Einer gänzlich anderen Form von Multimodalität widmet sich Marco Agnetta,
der mit seiner Studie zur Metapher als ‚Scharnierelement‘ zwischen Sprache
und Vertonung in der Gleichnisarie des 18. Jahrhunderts zeigt, dass die
Forschung zur multimodalen Metapher nicht nur gewinnbringend auf
Kommunikate jüngerer Zeit angewandt werden kann, sondern auch Neuperspektivierungen
klassischer Textsorten erlaubt.
Der in seiner thematischen Anlage nicht auf die multimodale Metapher
zugeschnittene vorletzte Beitrag des vorliegenden Bandes beschäftigt sich mit
der Hirtenmetapher. Er ist das Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit
eines Autorenteams der Ruhr-Universität Bochum (Juliane Bienert,
Manfred Eikelmann, Paul Fahr, Christian Schwermann, Anna Kristina Wand,
Maren Veronika Ziegler-Bellenberg), das Erkenntnisse aus der germanistischen
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Mediävistik und der Sinologie vereint. Der Ansatz, am Beispiel räumlich und
zeitlich distanter Literaturen systematisch sprachliche Kontextdeterminationsverfahren
zu erschließen, leistet einen interessanten methodischen Impuls für
einen möglichen Transfer auf die Analyse multimodaler Metaphern. Die
Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass sich zumindest im Bereich der sprachlichen
Einbettungsverfahren zwischen deutschen und chinesischen Texten
deutliche Parallelen aufzeigen lassen, eine Erkenntnis, die die Hypothese nahelegt,
es könne sich um Verfahren mit universalem Charakter handeln.
Auch der letzte Beitrag ist nicht mit der Multimodalität von Metaphern befasst,
schließt aber thematisch ebenfalls daran an und kommt, wie der vorausgehende,
auch aus Bochum, jetzt allerdings vom dortigen Centrum für
religionswissenschaftliche Studien (Ceres). Volkhard Krech untersucht hier die
in religiöser Kommunikation (z.B. in Predigten) genutzten Metaphern. Die
Spezifik der religiösen Kommunikation und ihrer Metaphorik liegt dabei in der
Abbildung von Immanentem auf Transzendentes. Krech bestimmt und
rekonstruiert in kleinschrittiger Analyse diese Erzeugung religiösen Sinns
durch Metaphern auf der Grundlage der Peirce’schen Semiotik als einen
komplexen Prozess. Mit seinem Rückgriff auf Peirce und die Prozesshaftigkeit
metaphorischer Zeichenverwendung macht der Beitrag auch ein Angebot zur
Theorie der Metapher.
Die sechs vorliegenden Beiträge vereinen damit eine Vielfalt methodischer
Zugänge zur (multimodalen) Metapher, in denen der Beschäftigung mit
Sprache, Bild, Ton und unterschiedlichsten Text- bzw. Kommunikationsorten
verschiedenste Funktionen zukommen. Wir hoffen, dass Forschende auf dem
Gebiet der Multimodalität die in den Beiträgen generierten Erkenntnisse als
anregend empfinden und dazu inspiriert werden, mit eigenen Studien einen
Beitrag zur Weiterentwicklung der Forschung zur multimodalen Metapher zu
leisten.
Unser besonderer Dank gilt Kerstin Sterkel (Saarbrücken) für die wie immer
hervorragende Unterstützung bei der Erstellung des Layouts und dem
Wehrhahn Verlag für die Herausgabe der Printversion.
Bochum, Bremen, Duisburg-Essen, Graz, Hamburg und Saarbrücken
Martin Döring, Sabine Heinemann, Katrin Mutz, Dietmar Osthus,
Claudia Polzin-Haumann, Uwe Spörl, Judith Visser
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Preface
In view of the increasing differentiation and the development of multimodal
forms of communication, research in recent years increasingly focused on the
analysis of metaphors that (also) manifest themselves on a non-linguistic level.
These include, for example, metaphors in images, gestures or music. For the
interpretation of non-verbal metaphors, existing cognitive linguistic and other
metaphorically-driven approaches open up ways of interpretation that need to
be advanced when metaphorical communication is characterized by multimodality:
language and gestures, for example, occur simultaneously in face-toface
communication, while the combination of text and image is ubiquitous in
text types such as comics and advertisements. In the case of video clips – see the
field of marketing – there is even a combination of three channels. Particularly
in light of the rapid development of multimedia and multimodal communication
formats on the Internet and our knowledge about the omnipresence and
structuring dimensions of metaphors, metaphor research should turn its
attention to non-verbal and multimodal forms of metaphor – also with regard
to corresponding theoretical approaches.
Research desiderata in this field include, inter alia, the analysis of different types
of interplay between modalities (complementary, contradictory, redundant)
and the various functions of multimodal metaphors (e.g. illustrative, heuristic,
persuasive), as well as the study of more established and newly developed text
types, forms of communication and different communicative situations (e.g.
face-to-face, quasi-synchronous, synchronous). Cultural contrastive observations
hold the potential to provide information to the extent to which the uses
and combinations of different types of metaphor are culturally specific.
This special issue, enriched by two other contributions, aims to contribute and
further the development of the theoretical discussion. It offers insights into the
significance of multimodal metaphors through various empirical and
conceptual studies.
Sabine Heinemann provides a research overview of multimodal metaphors
with an emphasis on advertisements, posters and political cartoons. She focuses
on two areas in which the interweaving of the linguistic and figurative levels is
traditionally widespread. In addition to a brief outline of the conceptual theory
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of metaphor, its extension through blending theory and the field of visual
metaphor, the author discusses the advantages of a definition of multimodal
approaches with reference to the assumption of a continuum dealing with
exemplary works from the two chosen fields of application.
Molly Pan and Dennis Tay criticize the rationale of qualitative approaches in
works on multimodal metaphors, which makes it almost impossible to reveal
generalizable structural elements. They conduct a quantitative analysis of 66
Chinese video advertisements and systematically examine the connection
between metaphor signals, functions and product types for 197 metaphors. The
procedure offers insights into the significance of connections between the three
aspects mentioned above and provides empirical evidence for developing
generalizable structural features.
Adeline Terry’s study focuses on multimodal metaphors in videos. Her
qualitative study uses the well-known American sitcom, How I Met your Mother
as an empirical example. The article is devoted to the question of how creative
metaphors, which refer to taboo topics (referred to as X-phemisms), are based on
a combination of at least two modalities, and by doing so generate humor.
Marco Agnetta is interested in a different form of multimodality. His study of
metaphor as a ‘hinge element’ between language and setting in the parable aria
of the 18th century shows that research on multimodal metaphor can not only
be usefully applied to more recent communication, but also holds the potential
to create new perspectives on classical text types.
The penultimate article in this volume, which is not thematically tailored to the
multimodal metaphor, deals with the so-called shepherd metaphor. It is the
result of an interdisciplinary collaboration between a team of authors from the
Ruhr University Bochum (Juliane Bienert, Manfred Eikelmann, Paul Fahr,
Christian Schwermann, Anna Kristina Wand, Maren Veronika Ziegler-
Bellenberg), which combines findings from Germanic medieval studies and
sinology. The approach of using the example of spatially and temporally distant
literatures to systematically develop linguistic context determination procedures
offers an interesting methodological impulse for a possible transfer to
the analysis of multimodal metaphors. The authors conclude that, at least in the
area of linguistically driven embedding procedures, clear parallels can be
identified between German and Chinese texts, a finding that suggests that these
could be – hypothetically speaking – universal in character.
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The last article is not concerned with the multimodality of metaphors too, but
thematically relates to it and originates from the Center for Religious Studies
(Ceres) at Bochum University. Volkhard Krech examines the metaphors used in
religious communication (e.g. in sermons). The specific nature of religious
communication and its metaphors, as he shows, lies in the mapping of the
immanent onto the transcendent. Krech defines and reconstructs this creation
of religious meaning through metaphors in a step-by-step analysis based on
Peirce’s semiotics as a complex process. With its theoretical recourse to Peirce
and the processual nature of metaphorical use of signs, the article also offers a
theoretical approach to metaphor.
The six contributions presented here combine a variety of methodological
approaches to (multimodal) metaphor, in which the use of language, image,
sound and a wide range of textual and communicative locations are assigned to
a variety of functions. We hope that scholars in the field of multimodality will
find the insights published here stimulating and will be inspired to further
research on multimodal metaphor with their own studies.
We would like to express our special thanks to Kerstin Sterkel (Saarbrücken) for
her, as always, excellent support in creating the layout and to Wehrhahn Verlag
for publishing the print version.
Bochum, Bremen, Duisburg-Essen, Graz, Hamburg and Saarbrücken
Martin Döring, Sabine Heinemann, Katrin Mutz, Dietmar Osthus,
Claudia Polzin-Haumann, Uwe Spörl, Judith Visser