Archiv 8/2003

Kandidat 1

Neben den etablierten Metaphern von 'König Fußball', der nach Tennis und Tour nun wieder die Welt regiere, besticht folgende im Fernsehen aufgeschnappte Interviewäußerung eines Fußballfans durch echte Originalität:

[zum langerwarteten Saisonstart der Bundesliga]: "Das ist für den kleinen Mann das A und O in der Suppe" (ZDF heute-journal, 31.7.2003, 22 Uhr 10)

Unsere Laudatio: Wenn in den Zeiten der Wirtschaftskrise der kleine Mann wieder aufersteht, und wir dessen Leben als (leicht zu versalzene?) Buchstabensuppe metaphorisieren, dann ist A oder O allemal besser als H in der Suppe. [kg/do]

Kandidat 2

Volker Surmann entdeckte in der Berliner Zeitung folgendes Interviewzitat von Wolfgang Joop:

"Ich kann eigentlich nur jedem jungen Designer raten, bleib so klein wie möglich, bis du deine Sprache gefunden hast. Nimm dir keine Krücken, solange du selbst gehen kannst. Sonst hast du nachher die Zecken im Pelz und kannst dich kratzen, solange du willst. Frage nicht nach dem wunderbaren Fremdwort Sponsor. Alle glauben am Anfang, es nicht allein zu schaffen. Balanciere ein bisschen, aber gehe allein." Berliner Zeitung 2./3.8.2003, Magazin S. 5)

Unsere Laudatio: Herr Joop muss ein ganz großer sein, jedenfalls hat er seine Sprache gefunden, die ihm so eigentümlich ist, dass wir drei aneinandergereihte Metaphern vorfinden, deren logische Verknüpfung sich uns verschließt. Das Laufen ohne Krücken als Zeckenschutz und Balancierübung...  Das wunderbare Fremdwort Sponsor ist dabei so ziemlich das einzige Wort, welches in diesen Ratschlägen kein Fremdwort bleibt. Ansonsten: Lebensweisheiten, für die wir Vera Drombusch immer geliebt haben. [vs/do]

Kandidat 3 (unser Sieger)

Birte Schnadwinkel machte uns auf folgenden Fund aufmerksam, ein Zitat von Willi Wülbeck, der vor 20 Jahren den Weltmeistertitel über 800 m gewann. Über seinen Siegeslauf sagt er heute folgendes:

"Kampfjet auf der Tartanbahn [..] 'Ich kam wie ein Düsenjäger auf die Zielgerade und zündete dann den Nachbrenner. Denn ich wusste, dass es die letzte Chance in meinem Leben war, eine herausragende internationale Leistung zu erzielen. Deshalb mobilisierte ich alle Reserven.'" (spiegel-online, 8.8.2003)

Unsere Laudatio: Aus der Tour de France-Berichterstattung kennen wir schon das Paradox, das Abhauen eines Sportler vor seinem Gegnar als 'Angriff' zu werten. Herr Wülbeck bleibt in genau diesem sprachlichen Bild, fährt indes schwerstes Geschütz auf. Als Daniel Düsentrieb der Kampfesmetaphorik hat er mit diesem Zitat möglicherweise auch eine 'herausragende internationale Leistung' erzielt. Oder aber die Hitze ist ihm einfach zu Kopfe gestiegen... [bs/do].

Metaphernkiste

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