Die Türhüter der alten Schule: Metaphernskepsis im
Deutschunterricht
Abstract
The didactic potential of metaphors for learning processes in the sections literature, language reflection and imagination is not used in its full extent. Three reasons block the way to the metaphor: first the convention to reduce the metaphor to a rhetorical figure, second the school politics, that substitute education with learning ability training, and third several pupils’ limited concept of literature. Who wants to support the position of metaphors, has to find his way around these three doorkeepers.
Das didaktische Potential der Metapher für Lernprozesse in den Bereichen Umgang mit Literatur, Sprachreflexion und Vorstellungsbildung wird im Deutschunterricht nicht ausge- schöpft. Drei Gründe versperren den Zugang des Deutschunterrichts zur Metapher: erstens die Üblichkeiten, die die Metapher auf eine rhetorische Figur unter anderen reduziert, zweitens ein Schulpolitik, die Pädagogik auf die Ausbildung von Kompetenzen umschaltet, und drittens ein eingeschränkter Literaturbegriff bei Schülern. Wer die Position der Metapher im Deutschunterricht stärken will, muss Antworten auf diese drei Türhüter finden.
Einleitung
Freunden der Metapher ist unmittelbar klar, dass sich eine Reflexion metapho- rischen Sprechens gut eignet, um auch schulische Lernprozesse zu initiieren. Aus der Tatsache, dass die Metapher im Schnittfeld der zwei großen Bereiche des Deutschunterrichts existiert, „Umgang mit Literatur“ sowie „Sprachrefle- xion“, ergeben sich weitreichende didaktische Möglichkeiten. Aber das ist jetzt nicht mein Thema, hier muss man nicht für die Metapher werben. Ich möchte dagegen den Fokus auf die Merkwürdigkeit richten, dass die Metapher, trotz ihres offensichtlichen didaktischen Potentials, nach wie vor eine Randerschei- nung im Deutschunterricht ist. Worin besteht die Skepsis des Deutschunterrichts vor der Metapher? Wer verhindert der Metapher den Zugang zum Deutschunterricht?
Es sind drei Türhüter, die den Eintritt in das Gesetz verwehren: Behörden im PISA-Schock, die Macht der Tradition und eine Zwei-Welten-Theorie bei Schülern.
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1. Türhüter: Behörden im PISA-Schock
Abb.1 Mairowitz/Crumb (1995:89).
Der PISA-Schock führte zu einem bildungspolitischen Aktionismus, der u.a. Pädagogik auf Kompetenzerwerb umschaltet, ein Schuljahr, aber keine Inhalte streicht und Prüfungen mit ausdifferenziertem Kriterienkatalog einführt. Diese Entfaltung ins Kleine verhindert einen Blick auf komplexe Phänomene wie das metaphorische Sprechen, das sich nicht in kleinste distinkte Einheiten auflösen lässt.
Der Kernlehrplan Deutsch für das Gymnasium in 8 Jahren in NRW nennt die Metapher an zwei Stellen im Bereich „Umgang mit literarischen Texten“, hier aber auch nur als Teil einer Liste. Schüler erwerben in der Sekundarstufe I diese Kompetenzen:
„wesentliche Fachbegriffe zur Erschließung von Literatur kennen und anwenden, insbesondere Erzähler, Erzählperspektive, Monolog, Dialog, sprachliche Bilder, Metapher, Reim, lyrisches Ich“;
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„sprachliche Gestaltungsmittel in ihren Wirkungszusammenhängen und in ihrer historischen Bedingtheit erkennen: z.B. Wort-, Satz- und Gedankenfiguren, Bildsprache (Metaphern)“ (Kernlehrplan 2007:18).
Wenn Schüler im Bereich „Texte schreiben“ „sprachliche Bilder deuten“, (Kernlehrplan 2007:16) erscheint die Metapher wohlwollend betracht immer- hin implizit, doch eine weitere Suche bleibt erfolglos. Der Kernlehrplan sieht
109 zu erreichende Kompetenzen vor. Das heißt: Im neuen Kompetenz-
Denken nimmt die Metapher im Deutschunterricht einen Anteil von 1,83 %
ein.
Unter der Regel „Breite statt Tiefe“ soll eine Kompetenz-Bündelung Ver- schaltungen vornehmen und so mehrere Kompetenzen gleichzeitig abhandeln. Darin besteht die Gefahr, es keinem der vernetzten Bereiche recht zu machen. Ohne die Chance zu haben, ein Metaphernverständnis aufzubauen, kann eine Verschaltung von Kompetenzen nicht funktionieren. Unter diesen Vorgaben ist die Entwicklung eines Metaphernbewusstseins kaum möglich. Metaphern- kompetenz gilt offensichtlich als unwichtig.
In den Bewertungskriterien des Zentralabiturs findet man eine Fortsetzung, die immerhin konsequent ist, denn Metaphorik spielt auch hier, wie zuvor im Unterricht, keine Rolle. Die Metapher wird marginalisiert oder ignoriert, eingeordnet in das Sammeln rhetorischer Figuren oder in Formen der Bildsprache. Selbst eine deutlich metaphorisch geprägte Sprache in einem sog.
„Sachtext“ muss nicht als solche bestimmt werden, sondern fällt unter die
Rubrik „rhetorisch geprägte Argumentationsstrategie“.
„Raus aus dem Museum, hinein in die Gegenwart. Herunter von ausgetretenen Pfaden, auch wenn nicht klar ist, wo entlang es gehen soll. Wir befinden uns auf einem sinkenden Schiff. Weshalb erhobe- nen Hauptes den Glauben an die eigene Unsinkbarkeit demonstrieren?“ (Grundkurs 2007, Thomas Jonigk: Corporate Iden- tity. Ich kenne niemanden unter zwanzig, der gerne ins Theater geht)
Wenn die Abiturprüflinge diese Sätze analysieren, brauchen sie den Begriff der Metapher nicht, um ihre Punkte zu sammeln. Eine solche Sprache fällt demnach einzig unter die Kategorie „polemisch-rhetorisch geprägte Argu- mentationsstrategie des Verfassers“.
Ähnlich pauschal genügt es, „die sprachlich-stilisitische Gestaltung des Textes und deren Funktion“ zu erläutern, wenn die Abiturienten den Erzählanfang
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des Rilke-Romans Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge analysieren. Dieser über Bildsprache organisierte Text, der Metaphern im Kleinen bietet („Elektrische Bahnen rasen läuternd durch meine Stube. Automobile gehen über mich hin.“) und das Metaphern-Konzept LÄRM entfaltet, kann im Zentralabitur ohne Blick auf seine metaphorische Struktur analysiert werden.
Fazit: Die Tendenz zur Materialisierung von Bildung, zu ausdifferenzierten Prüfungskriterien und ein normativer Begriff von Kompetenzen zeugen von großem Misstrauen des Ministeriums gegenüber der Bewertungskompetenz seines Personals, den Lehrern, und führen in der Praxis zu einer übergroßen Standardisierung, die offene Gestaltungsmöglichkeiten und einen Blick auf größere Einheiten verhindert. Die bisher schon schwache Position der Metapher im Deutschunterricht als ein komplexes und übergreifendes Phänomen hat durch diese bildungspolitische Wende einen zusätzlichen Bedeutungsverlust erlitten.
2. Türhüter: Die Üblichkeiten (Lehrer, Schulbücher, Didaktik)
Wenn man die Metapher als Abweichung von der Üblichkeit versteht, ist die anti-metaphorische Haltung in der Deutschdidaktik selbsterklärend: hartnäckig verteidigt sie Traditionen. Nach Odo Marquard sind in einer Welt mit hoher Innovationsgeschwindigkeit die Üblichkeiten, die Traditionen „am wenigsten veralterungsanfällig, weil sie schon alt sind“ (Marquard 2000:73). Die „Beweislast hat stets der Veränderer“ (Marquard 1986:125). Im Falle der Metapher ist die Beweislast, eine traditionelle Substitutionstheorie zu refor- mieren, aber wohl nicht groß genug. Die Praxis des Deutschunterrichts stellt sich in eine lange Tradition und vererbt Sätze von einer Schulbuchgeneration an die nächste. Zwei Beispiele aus brandneuen Schulbüchern für G8:
Klett erklärt die Metapher für Schüler der 8. Klasse:
„Metapher: ein sprachliches Bild oder ein bildhafter Ausdruck, der nicht in seiner eigentlichen Bedeutung, sondern in einem übertrage- nen, bildhaften Sinn gebraucht wird. Dabei stimmen die eigentliche und die übertragene Bedeutung in mindestens einem Punkt, dem
‚Vergleichspunkt’ (= ‚tertium comparationis’), überein.“ (Biesemann
2007:203)
Und Buchner versucht es für Schüler der 9. Klasse so:
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„Eine Metapher ist der bildliche Ausdruck für etwas anderes. Man kann sie als einen abgekürzten Vergleich auffassen, der kein wie enthält.“ (Müller 2007:134)
Dementsprechend sehen die Aufgaben zur Metaphernanalyse aus. Eine Gedichtanalyse unterscheidet in Klasse 6 Metapher, Vergleich, Personifikation, bevor man dann, in der Klasse 9, Stilmittel des Gedichts in eine Tabelle einträgt. Folgerichtig erscheint die Metapher in Schulbüchern der Oberstufe (z.B. Bekes 2006:391; Bialkowski 2001:551; Schurf 2009:197) nach wie vor hauptsächlich als Teil einer Liste rhetorischer Figuren und wird so ein Stilmittel unter anderen. Schlimmstenfalls werden Metaphern als „verkürzte Vergleiche“ marginalisiert (Schurf 2009: 251).
Ein solcher Metaphernbegriff erleichtert eine didaktische Operationalisierbar- keit in einer Katalogpraxis, die allegorische Übersetzungstabellen schreiben oder Figuren differenzieren lässt, und schließt damit zugleich einen umfas- senden Metaphernbegriff aus, der Konzeptualisierungen, das Denken in Me- taphern erschließt. Eine kleingestutzte Metapher ersetzt den Blick auf die Größe der Metapher.
Wenn die Schulbücher den realen Deutschunterricht repräsentieren, erhofft man sich von der Didaktik Zukunftsmodelle. Aber auch hier sind nur wenige Entwürfe in Richtung eines modernen Metaphernverständnisses zu erkennen. Ein Blick in die führenden Zeitschriften für den Deutschunterricht (Praxis Deutsch, Deutschunterricht, Der Deutschunterricht) der letzen zehn Jahre erzielt ein symptomatisches Ergebnis. Ein einziges Themenheft beschäftigt sich mit der Metapher (Der Deutschunterricht 6/2006), präsentiert dort jedoch professo- rale Forschungsbeiträge, die in mehr oder weniger großer Entfernung von der Schulpraxis höchstens Anregungen für den konkreten Unterricht geben kön- nen. Im Gegenteil: Wenn einer der seltenen Versuche, Lakoff/Johnson für den Unterricht fruchtbar zu machen (vgl. Schäfers 2006), in einem recht beliebigen Nebeneinander zu einer Substitutionstheorie (Coenen) endet, die als kritische Reaktion auf Lakoff/Johnson antritt, verstellt sich der Deutschunterricht die Chance, mit der kognitiven Linguistik eine innovative Metapherndidaktik zu entwickeln.
Fazit: Es ist ein großer Bruch zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik zu konstatieren. Die Entwicklungen und Diskussionen der Metapherntheorie kommen in der Schule nicht an. Hier gibt man sich nach wie vor mit einem
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tradierten Substitutionsbegriff der Metapher zufrieden. Auch die wenigen in- novativen Ansätze in der Fachdidaktik bleiben singulär.
3. Türhüter: Die Zwei-Welten-Theorie (Schüler)
Im Deutschunterricht, auch im Gymnasium, sitzen zunehmend Schüler aus der Kategorie der Nicht- oder Wenig-Leser. Es sind Heranwachsende ohne persönliche Erfahrung mit poetischen Texten, es sind, wie man mit Klaus- Michael Bogdal sagen könnte, literarische „Flachschwimmer“ (Bogdal
2002:93). Dieser Schülergruppe muss eine Primärtugend, ein ästhetisches
Textbewusstsein erst eröffnet werden, ein Bewusstsein für die von Kaspar
Spinner so genannte „gesteigerte Zeichenhaftigkeit“ der Literatur (Spinner
2000:8). Diese Literaturferne geht einher mit einer Grundunterscheidung, die Alltag und Kunst als zwei getrennte Systeme, als differente Welten behandelt. Demnach gilt in der realen Welt des Alltags Sprache als Kommunikationsme- dium, Texte bieten Informationen, unterhalten oder haben eine unmittelbare Handlungsaufforderung. Literatische Texte haben nur dann einen Wert, wenn sie eine Funktion für die alltägliche Lebenswelt erfüllen. Für die Zwei-Welten- Literaturtheorie gelten zwei hermeneutische Regeln: 1. Literatur ist ein Codie- rungsspiel. Ein Autor versteckt seine Botschaft kryptisch, die Analyse deko- diert die Verschlüsselungen in Klartext. 2. Ziel der Literatur, Ziel der Lektüre ist ein Appell, im besten Fall ein moralischer. Literatur hat eine Botschaft, der Autor eine Intention, und die Texte rufen zu Handlungen auf oder regen wenigstens zum Nachdenken an.
Soweit in aller Kürze die Literaturtheorie der Flachschwimmer unter den Schülern. Das Angebot eines Substitutionsbegriffs der Metapher erfüllt exakt die Bedürfnisse der Zwei-Welten-Theorie. Allegorisierend kann die Metapher in einem 1:1-Verfahren dekodiert werden. Literaturanalyse hat dann Ergeb- nisse wie eine Gleichung mit einer Unbekannten oder wie eine Dreisatz- Rechnung.
Auszüge aus Klassenarbeiten (10. Klasse Gymnasium) mögen das illustrieren. Die Schüler hatten die Aufgabe, folgendes Gedicht zu analysieren.
Ingo Cesaro (1976) Start
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Den Startschuss noch schmerzlich im Ohr
laufe ich
laufe schon Jahre ohne das Ziel
auch nur verschwommen am Horizont zu erkennen.
Manchmal denke ich es muss
ein Fehlstart gewesen sein.
Auch nach einer Unterrichtsreihe, die versucht hat, das Bewusstsein der Metapher als Einzelwort in Richtung eines Konzept-Denkens zu erweitern (vgl. Katthage 2006:129ff), findet man in Klassenarbeiten Sätze, die auf eine wortsemantische Substitutionstheorie schließen lassen:
(1) Außerdem beinhaltet das Gedicht Metaphern, wie z.B. Startschuss, laufe ich, Ziel, Horizont und Fehlstart.
(2) Der Autor benutzt für die Wörter Geburt und Tod die metaphorischen
Wörter Startschuss und Ziel.
Literaturunterricht schafft es, Schülern klarzumachen, dass sich Literatur durch mehrere Bedeutungsebenen von der Alltagssprache unterscheidet. Er schafft es aber häufig nicht, den Sinn einer „gesteigerten Zeichenhaftigkeit“ zu verdeutlichen. So verdichtet sich die Zwei-Welten-Theorie in der Vorstellung, Lyrik codiere Klartext und müsse in der Analyse rückübersetzt werden (vgl. 4,
7, 8). Sie bewirkt eine strikte Trennung zwischen Gesagtem und Gemeintem (vgl. 3, 4, 7) und findet ihren sprachlichen Ausdruck in der Formel: x steht für y (vgl. 5, 6). Ohne konzeptuellen Kontext führt diese Formel teilweise zu bizarren, jedoch zumeist spekulativen und unbegründeten Deutungen, die darin enden zu erkennen, was der Autor uns sagen möchte (vgl. 8, 9). Litera- tur und vor allem Lyrik legitimiert sich für die Anhänger der Zwei-Welten- Theorie nur dann, wenn sie einen moralischen Appell vermittelt (vgl. 9). In jedem Fall empfinden viele Schüler die Deutung von Literatur als Glückspiel,
das Treffer landen kann oder eben nicht.
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(3) Der Startschuss ist der Start in das Leben ... Mit dem Lauf ist das Leben gemeint.
(4) Es geht hier also nicht um einen Marathonlauf, sondern um die
Beschreibung eines Lebens.
(5) Der Startschuss steht für eine Veränderung in seinem Leben, es ist ein neuer Anfang, an den er sich noch gut erinnern kann. Vielleicht ist dieser Neuanfang sein Einstieg in das Berufsleben. Dort arbeitet er und gibt sein Bestes, allerdings weiß er nicht warum. Es sieht keine großarti- gen Erfolge und kann auch kein Ende oder positive Veränderungen erkennen. Er denkt, dass es ein Fehler war, in diesem Job einzusteigen oder diesen Lebensweg zu wählen.
(6) Das Ziel steht im metaphorischen Sinne für den Sinn des Lebens, der nicht zu erkennen ist.
(7) Cesaro meint mit dem Start seine Geburt, von dort an lief sein Leben
Jahre lang weiter.
(8) Ich glaube, der Autor schreibt über sein Leben.
(9) Der Erzähler möchte dem Leser mitteilen, dass, wenn etwas nicht gut läuft, man trotzdem weiter machen soll.
Fazit: Schülern ein Bewusstsein für Literatur und ihrer gesteigerte Zeichen- haftigkeit zu vermitteln, war immer schon genuine Aufgabe des Deutschun- terrichts und verändert sich prinzipiell nicht unter den Bedingungen einer verschärften Medienkonkurrenz. Es liegt auf der Hand, dass eine Metaphern- reflexion genau dieses Verständnis für literarische Sprache eröffnen könnte. Eine Kompetenz-Didaktik und ein Substitutionsbegriff der Metapher verstär- ken jedoch den Graben zwischen der fiktiven Welt der Literatur und der realen Lebenswelt der Schüler.
4. Resümee und Ausblick
Drei Türhüter bewachen einen Deutschunterricht, der meint, mit einem kupierten Begriff der Metapher auskommen zu können. In ihrer Abwehr gegen jede Neuerung arbeiten sie im Team, ergänzen und bedingen sich gegenseitig. So bilden sie ein hermetisches System, eine Wagenburg gegen feindliche Übernahmen.
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Schüler: literarische
Dekodierungstechnik
Lehrer: Tradition und
Operationalisierbarkeit
Didaktik: Substitutions- theorie
Weil es immer schon so war, weil es so gut funktioniert und weil alles andere so kompliziert ist: Das sind die Argumente für einen schulischen Metaphern- begriff, der sich schon längst von seinem wissenschaftlichen abgekoppelt hat. Es gibt kaum einen anderen Bereich des Deutschunterrichts, in dem der Riss zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik so groß ist, zumal ein modernes Metaphernverständnis sich geradezu aufdrängt, um Grundprobleme des Deutschunterrichts mit einer gewandelten Schülerschaft anzugehen, die eben nicht mehr wie selbstverständlich einen Umgang mit Literatur von zu Hause mitbringt. Wenn man die Metapher im Deutschunterricht stärken will, wenn man zeigen will, welche vielfältigen Erkenntnisse über Literatur und Sprache sich mit ihr vermitteln lassen, wenn man moderne Metapherntheorien jenseits der rhetorischen Substitutionstheorie in die Schule transportieren möchte, muss man Wege finden, die an den Türhütern vorbeiführen, oder man muss Argumente finden, dass man die Türhüter überzeugt, der Metapher Einlass zu gewähren. Diese Wege kann ich am Schluss nur andeuten, sie reagieren aber direkt auf die drei genannten Bereiche:
1. Reflexion und Kritik des schulpolitischen Kompetenz-Begriffs, der Bil- dung auf Training reduziert, und Mut zu einer Metaphern-Kompetenz, die ihrer Komplexität nicht reduziert, sondern für Heranwachsende tauglich macht.
2. Didaktische Modelle entwickeln, die neuere Metapherntheorien jenseits der Substitutionstheorie für den Unterricht fruchtbar machen.
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3. Die Trennung zwischen Alltagsleben und davon getrennter Literatur aufheben, indem Schüler die literarische Metaphorik des Alltagslebens und das alltägliche Sprechen als Basis von Literatur erschließen.
Abb.2 Mairowitz/Crumb (1995:90).
5. Literaturverzeichnis
Bekes, Peter et al. (2006): Deutsch SII. Kompetenzen, Themen, Training, Braunschweig.
Bialkowski, Brigitte et al. (2001): Facetten. Lese- und Arbeitsbuch für die Oberstufe, Leipzig.
Biesemann, Jutta et al. (2007): deutsch.punkt 4 Gymnasium. Sprach-, Lese- und
Selbstlernbuch, Stuttgart/Leipzig.
Bogdal, Klaus-Michael (2002): „Literaturunterricht für Flachschwimmer“, in:
Der Deutschunterricht, H 1., S. 93-95.
Cesaro, Ingo (1996): „Start [1976]”, in: Fischblut, Gedichte aus 30 Jahren, Bern/München, S. 57.
Katthage, Gerd (2006): Mit Metaphern lernen. Gedichte lesen, Sprache reflektieren, Vorstellungen bilden, Baltmannsweiler.
Mairowitz, David Zane/Crumb, Robert (1995): Kafka kurz und knapp, Frankfurt a.M.
Marquard, Odo (1986): „Apologie des Zufälligen“, in: Apologie des Zufälligen.
Philosophische Studien, Stuttgart, S. 117-139.
Marquard, Odo (2000): „Zukunft braucht Herkunft“, in: Philosophie des Statt- dessen. Studien, Stuttgart, S. 66-78.
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Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (ed.) (2007): Kernlehrplan für den verkürzten Bildungsgang des Gymnasiums – Sekundarstufe I (G8) in Nordrhein-Westfalen. Deutsch, Frechen.
Müller, Karla (2007): Kombibuch Deutsch 9. Lese- und Sprachbuch für Gymnasien, Bamberg.
Schäfers, Stefanie (2006): „’Das fliegt keinem einfach zu’: Metaphern verstehen lernen“, in: Deutschunterricht 2/2006, S. 12-17.
Schurf, Bernd/Wagner, Andrea (2009): Texte, Themen und Strukturen.
Deutschbuch für die Oberstufe, Berlin.
Spinner, Kaspar H. (42000): Umgang mit Lyrik in der Sekundarstufe I, Baltmannsweiler.
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