15 Fragen über Metaphernforschung an Klaus-Uwe Panther
Haben Sie eine oder mehrere Lieblingsmetapher(n)? Wenn ja, welche und warum?
Ich habe zu viele Lieblingsmetaphern, um sie aufzuzählen. Ich kann aber zwei Metaphern nennen, die mir nicht gefallen: ARGUMENT IS WAR und TIME IS MONEY.
Wozu Metaphernforschung?
Metaphernforschung ist wichtig aus u.a. den folgenden Gründen:
1. Metaphern prägen unser Fühlen und Denken – speziell die Art und Weise, wie wir argumentieren (allerdings glücklicherweise nicht im deterministischen Sinne). 2. Metaphern sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Sprache und Kultur. 3. Mit der Erforschung von Metaphern gewinnen Linguistik und Literaturwissenschaft ein gemeinsames Erkenntnisinteresse zurück. 4. Das Studium der Metapher ist aus folgenden erkenntnistheoretischen Gründen wichtig: a. Haben metaphorische Sätze einen Wahrheitswert? b. Welchen Status haben Metaphern in der Wissenschaftssprache? Sollte der wissenschaftliche Diskurs möglichst ‚metaphernfrei‘ sein? c. Kann man mit Hilfe von Metaphern Erkenntnisse gewinnen?
Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Fragen in Bezug auf die aktuelle Forschung über Metaphern?
Hier ist eine ungeordnete Liste von Forschungsproblemen:
1. Sind pragmatische Metapherntheorien (z.B. Relevanztheorie) mit kognitiv-linguistischen Metapherntheorien kompatibel?
2. Welchen Einfluss haben Metaphern auf unser Denken? Sind viele Metaphern nicht einfach „façons de parler“?
3. Wie lassen sich Metaphern von Metonymien abgrenzen?
4. Gibt es metaphorische Universalien?
5. Wie unterscheiden sich Sprachen in ihrem Metapherninventar?
6. Wie unterscheiden sich Sprachen in den von ihnen genutzten Metonymien?
Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen Metapher und Metonymie ein?
Die Metonymie ist für mich ein fundamentaleres kognitives und sprachliches Phänomen als die Metapher. Von Lakoff und Johnson postulierte „primary metaphors“ halte ich sämtlich für Metonymien. Zur Illustration: INTIMACY IS CLOSENESS, eine u.a. von Lakoff und Johnson in Philosophy in the Flesh angenommene Primärmetapher, ist für mich ein klares Beispiel für eine Metonymie: räumliche Nähe ist ein Index (im semiotischen Sinn) für emotionale Nähe. Allerdings ist die indexikalische Relation (wie bei Metonymien generell) nicht notwendig, sondern kontingent.
Wenn Sie für fünf Jahre Direktorin/Direktor eines Forschungszentrums „Metapher und Gesellschaft“ wären, was würden Sie tun?
Ich würde u.a. folgende Forschungsprojekte (die nicht unbedingt alle soziokognitiv orientiert sind) anregen und verfolgen:
1. Gibt es sozialbedingte/dialektalbedingte Unterschiede im Gebrauch von Metaphern? Welche Metaphern werden von welchen Schichten benutzt, und was sagen sie über das kollektive Denken dieser Schichten aus?
2. Kognitive Typologie: Wie unterscheiden sich Sprachen in ihrem Metaphern- und Metonymieninventar?
3. Wie interagieren Metaphern und Metonymien mit grammatischen (typologischen) Eigenschaften von Sprachen?
4. Welche Rolle spielen Metonymien in der Entwicklung einer kognitiv-linguistischen Sprechakttheorie?
Welchen Bereich – außerhalb Ihres eigenen Forschungsgebietes – finden Sie besonders spannend?
Analytische Sprachphilosophie, Philosophie des Geistes, Kognitionswissenschaft; die Erforschung und Dokumentierung von bedrohten Sprachen.
Wer oder was hat Sie in Bezug auf die Erforschung der Metapher besonders geprägt?
Wie für wahrscheinlich viele andere kognitive Linguisten war Lakoffs und Johnsons Buch Metaphors We Live By von besonderer Bedeutung für mich. Im deutschen Sprachraum fand ich Harald Weinrichs Arbeiten zur Metapher, die manche Gedanken von Lakoff und Johnson vorwegnehmen, anregend.
Welches Wissen würden Sie jungen Menschen über Metaphern und deren Wirkung mitgeben wollen?
Ich würde versuchen, ihnen die ästhetische Wirkung von Metaphern nahezubringen und sie über Framing-Effekte von Metaphern und ihre zentrale Rolle in mentalen Modellen aufzuklären.
Welches Fachbuch lesen Sie gerade und warum?
Ich lese gerade in dem von Anna Idström und Elisabeth Piirainen herausgegebenen Band Endangered Metaphors (2012). Warum? Mich interessieren der Zusammenhang zwischen Kultur und Metapher und das Schicksal von Sprachen, die vom Aussterben bedroht sind (siehe oben).
Prof. Dr. Klaus-Uwe Panther
Arbeitsort:
Nanjing Normal University, Nanjing (China) & Universität Hamburg
Arbeitsschwerpunkte:
Kognitive Linguistik, Pragmatik, kognitive und pragmatische Motivierung grammatischer Strukturen
Werdegang:
Studium der Anglistik, Romanistik, Philosophie und Pädagogik an der Universität Hamburg (1961-67). Nach dem 1. und 2. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien ab 1970 Wissenschaftlicher Rat und Oberrat am Seminar für Englische Sprache und Kultur der Universität Hamburg. Seit 1982 Professor für Linguistik des Englischen daselbst. 2007: Emeritierung.
Gastaufenthalte an der Indiana University, Bloomington (1980-81), University of California at Berkeley (1984), Université Michel de Montaigne, Bordeaux (1992-93), Southern Illinois University at Carbondale (2002-03).
2012-14: Distinguished Visiting Professor an der Nanjing Normal University in Nanjing (China).
Mitgliedschaften und Funktionen (Auswahl):
2004-08: Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kognitive Linguistik
2003-05, 2007-2011: Vorstandsmitglied der International Cognitive Linguistics Association
2005-07: Präsident der International Cognitive Linguistics Association
Mitherausgeber der Buchreihe Human Cognitive Processing: Cognitive Foundations of Language Structure and Use (Benjamins)
Im Editorial Board u.a. der Zeitschriften Cognitive Linguistics, Review of Cognitive Linguistics und Constructions and Frames.
Publikationen (in Auswahl)
Monographien
1973 (zusammen mit Gutknecht, Christoph): Generative Linguistik: Ergebnisse moderner Sprachforschung, Stuttgart.
1977 Studien zur semantischen Struktur englischer Quantoren unter besonderer Berücksichtigung des Präsuppositionsproblems, Frankfurt.
1994 Kontrollphänomene im Englischen und Deutschen aus semantisch-pragmatischer Perspektive, Tübingen.
Herausgegebene Bände
1999 (zusammen mit Radden, Günter): Metonymy in Language and Thought, Amsterdam/Philadelphia.
2003 (zusammen mit Thornburg, Linda L.): Metonymy and Pragmatic Inferencing, Amsterdam/Philadelphia.
2004 (zusammen mit Radden, Günter): Studies in Linguistic Motivation, Berlin/New York.
2009 (zusammen mit Thornburg, Linda L./Barcelona, Antonio), Metonymy and Metaphor in Grammar, Amsterdam/Philadelphia.
2011 (zusammen mit Radden, Günter): Motivation in Grammar and the Lexicon, Amsterdam/Philadelphia.
Zeitschriftenaufsätze und Beiträge in Sammelbänden
1998 (zusammen mit Thornburg, Linda L.), „A cognitive approach to inferencing in conversation“, in: Journal of Pragmatics 30, 755–769.
2002 (zusammen mit Thornburg, Linda L.): „The roles of metaphor and metonymy in Englisch -er nominal”, in: Dirven, René/Pörings, Ralph (eds.): Metaphor and Metonymy in Comparison and Contrast, Berlin/New York, 279–319.
2007 (zusammen mit Thornburg, Linda L.): „Metonymy”, in: D. Geeraerts, Dirk/Cuyckens, Hubert (eds.): The Oxford Handbook of Cognitive Linguistics, Oxford, 236–263.
____ (zusammen mit Thornburg, Linda L.): „From syntactic coordination to conceptual modification: The case of the nice and Adj construction”, in: Constructions and Frames 1, 56–86.
2011 (zusammen mit Thornburg, Linda L.): „Emotion and Desire in independent complement clauses: A case study from German”, in: Brdar, Mario/Žic Fuchs, Milena/Gries, Stefan T. (eds.): Converging and Diverging Tendencies in Cognitive Linguistics, Amsterdam/ Philadelphia, 87–114.
2013 „Motivation in language“, in: Kreitler, Shulamith (ed.): Cognition and Motivation: Forging an Interdisciplinary Perspective, Cambridge, 407–432.