Archiv 1/2002

Kandidat 1

Bitterkalt ist es, Sternensinger klopfen an die Haustüren, und aus dem Mannheimer Morgenland kommen die passenden Metaphern als Beigaben:

"Das alte Forsthaus ist wieder auf einem grünen Zweig - Originelles Wohnen: Zweimal Richtfest in einer 350-jährigen Geschichte - Familie Ladwig im pfälzischen Schauernheim bewahrt ein Juwel [..] Mitunter finden Menschen auch zu 'ihren' Häusern. Da braucht es dann (..) Geduld und Spucke (..). Oder viele freundliche Helfer. Dann kann über dem Dachfirst ein Stern aufgehen" (Mannheimer Morgen, 5.1.2002).

Unsere Laudatio: Diese Metapher bringt jede architektonische Statik durcheinander. Ein ganzes Forsthaus, getragen von einem grünen Zweig?  Dieses juwelenfunkelnde Wunder von Schauernheim möchten wir sehen und beobachten daher sehr gespannt den Winterhimmel, wo uns ein guter Stern den Weg zum Dachfirst weisen möge.

Kandidat 2

Dieses Jahr ist Wahlkampfjahr und zumindest die wichtigsten Kandidaten sind nun bekannt. Wer wirklich nichts schöneres vorhat, darf diese nun allwöchentlich bei Frau Christiansen auf der Mattscheibe bewundern. Diesen beginnenden Wahlkampfzirkus kommentiert nun die taz:

"Edmund Stoiber zuzuhören heißt, mit Prozentzahlen beworfen zu werden wie Zirkusclowns mit Torten. Leider ist es nur halb so lustig" (taz 22.1.2002, 18).

Unsere Laudatio: Nun, wie lustig es Zirkusclowns finden, Buttercremepackungen ins Gesicht geschleudert zu bekommen, mag dahingestellt sein, aber in jedem Fall weist die politische Zirkusmetapher auf das wahlentscheidende Kriterium politischer Akrobatik. Wer mit fünf Prozentzahlen gleichzeitig jongliert, bleibt im Rennen, doppelbödige Tricks müssen gekonnt sein, und für ihre Rolle als zersägte Jungfrau bekommt Frau Merkel wenigstens einen Trostpreis.

Kandidat 3 (unser Sieger)

Von den Schwarzen zu den Grünen, das bedeutet metaphorisch den Schritt von der Manege in die Lüfte:

"Leitgans Fischer will den grünen Sturzflug verhindern [..] Verbraucherschutzministerin Renate Künast bemüht einen biologischen Vergleich: Das Grünen-Team sei 'wie die Wildgänse im Formationsflug mit Joschka Fischer als Leitgans'. Ist die Hintersinnigkeit beabsichtigt? Leitgänse wechseln sich während des Formationsfluges ab" (General-Anzeiger Bonn, 22.1.2002, S.3)

Unsere Laudatio: Neben den Bedenken um die Inkohärenz dieser Leitgansmetaphorik wirft dieses sprachliche Bild der Verbraucherschutzministerin ein ganz neues Licht auf die grüne Partei: Flügelkämpfe, Stromlinienförmigkeit und Absturzangst, das gehört gewiss zum grünen Selbstverständnis. Gansdumm ist die Metapher somit nicht, nur wer kommt eigentlich auf die Idee, grüne Gänse seien noch wild?

Kandidat 4

Wir gehen in dieser Januarkiste das politische Farbenspektrum weiter durch, nehmen nach Schwarz und Grün auch noch Rot und Braun auf  und verdanken der Bild-Zeitung gleich einen Fortsetzer der Tiermetaphorik:

"Für die Behördenschlamperei trägt Schröders wichtigster Minister die politische Verantwortung. Gegen den Drachen des politischen Extremismus hat Schily durch stümperhafte Beamte die Kampfkraft eines Goldhamsters entwickelt. Jetzt hat Schröders roter Sheriff einen dicken Kratzer auf seinem Stern." (Bild, 24.1.2002).

Unseres Laudatio: So ganz geht uns diese Metapher nicht auf, denn die Kampfkraft von Goldhamstern ist kaum zu unterschätzen, besonders wenn sie von außen gestört werden, wie auch in Haltungsinformationen für Goldhamster nachzulesen ist "Hamster sind Einzelgänger und gehen agressiv [sic] gegen Eindringlinge vor". Wir würden daher vorschlagen, das Bild einfach umzudrehen: Die Nazis von der NPD sind es schließlich, die Gold hamstern, wenn der Verfassungsschutz regelmäßig ihre Parteikassen aufbessert, schwarzbraun ist zudem immer noch die Haselnuss; Ottos Cops wirken da eher wie zahnlose Drachen. Dann ergeben auch weitere Hinweise zur angemessenen Behandlung einen Sinn, wenn es heißt "Beim Käfig sollte darauf geachtet werden, daß die Gitterstäbe so engmaschig sind, daß das Tier nicht raus kann." Aber möglicherweise ist diese Analogie zu hoch für unseren Innenminister mit dem verkratzten Stern, der lieber ein- und ausweist als aus und ein weiß.

Metaphernkiste

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