Kongressbericht Metaphor Festival 2010 in Stockholm
Zum fünften Mal fand vom 16. bis zum 18. September 2010 das „Stockholm Metaphor Festival (SMF)“1 an der Stockholms universitet statt. Das Festival entstand 2006 als Fachbereichssitzung des English Department der Universität Stockholm und beschäftigte sich mit den Charakteristika und dem Vorkommen von Metaphern. Mittlerweile hat sich das Festival als jährliches und internationales Event im September etabliert. Explizit erwünscht sind neben Vorträgen zu Metaphern auch solche zur Metonymie und Synekdoche, zu Vergleichen, Oxymora, Antithesen, Hyperbeln, Ironie, Wortspielen u. v. m.
Während das Festival in den vergangenen Jahren zweitägig angelegt war, entschieden die Organisatoren aufgrund der großen Anzahl eingesendeter Abstracts, die Konferenz in diesem Jahr auf drei Tage zu erweitern. Dadurch konnte das SMF 2010 52 Teilnehmer aus 19 Ländern aller fünf Kontinente verzeichnen. Für die zwei Plenarvorträge konnten Raymond Gibbs2 (Professor of Psychology, University of California, USA) und Clive Cazeaux3 (Reader in Aesthetics at Cardiff School of Art and Design, University of Wales Institute, UK) gewonnen werden. Raymond Gibbs referierte in seinem Vortrag – entgegen der Ankündigung im Programm – über die Frage, inwiefern der Umgang mit Metaphern bewusst abläuft oder welche (metaphorischen) Mechanismen bereits in Gang gesetzt werden, bevor bzw. ohne dass der Sprecher sie bewusst wahrnimmt. Clive Cazeaux erörterte in seinem Plenarvortrag die Frage „Do We Live Metaphor or Does Metaphor Live us?“. In einem philosophischen Zugang stellte er entgegen der Annahme „we live metaphor“ die These auf, dass die Metapher von sich aus lebt („metaphor lives (us)“), –
und das auch ohne uns.
1 Vgl. hierzu die offizielle Homepage:
http://www.english.su.se/pub/jsp/polopoly.jsp?d=5511.
2 Vgl. http://psych.ucsc.edu/directory/details.php?id=10.
3 Vgl. http://www.csad.uwic.ac.uk/csad/res_profile_cazeaux.htm.
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metaphorik.de 19/2010
Der Schwerpunkt des SMF lag auf zwei parallel verlaufenden Sektionen, in denen 32 zwanzigminütige Vorträge mit anschließender Diskussion gehalten wurden. Die große Varietät an Disziplinen, aus denen die Vortragenden stammten, erlaubte es, das Phänomen der Metapher in verschiedensten Sprachen und Kulturen (bis hin zur finnischen Minderheitensprache Inari Saami) und aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, z. B. aus (kognitiv) linguistischer, literarischer, kultureller, sozialer, psychologischer und neurologischer Sicht. Es wurden sowohl theoretische als auch praktische sowie methodisch-empirische Fragen in einer freundlichen Atmosphäre diskutiert.
In einer separaten Postersektion stellte das Englische Seminar der Universität Stockholm das Thema „Metaphern in der Internetsprache“ auf zahlreichen Postern dar. Beispielhaft seien hier Neologismen wie „cyberspace“ und
„information superhighway“ sowie die metaphorische Bedeutung von „away from keyboard (AFK)“ genannt. Demnach bedeutet „AFK“ nicht immer, dass sich der Benutzer tatsächlich von der Tastatur entfernt hat, sondern kann metaphorisch gesehen ebenso bedeuten, dass er aktuell „not available“ ist.
Neben Vorträgen und der Posterpräsentation bot das SMF einen Workshop zum Thema „Translation of figurative speech“ an. In diesem wurden zunächst Metaphern diskutiert, die das Übersetzen selbst beschreiben, z. B. TRANSLATION IS MOVEMENT („to carry over”), TRANSLATION IS A RELATIONSHIP („fidelity, faithfulness”) und TRANSLATION IS BALLISTICS („source, target, strategies”). Anschließend wurde der metaphorische Ursprung von Verben, die „übersetzen” bedeuten, in verschiedenen Sprachen analysiert, z. B. Finnisch „to turn around“, Chinesisch „to turn over“, Indisch „to follow after“, Nigerianisch „to break apart and put back together” und Malayisch „to give birth to”. Im Anschluss wurden verschiedene englische Ausdrücke auf ihre Übersetzbarkeit hin betrachtet und bestimmte Gruppen von Metaphern herausgearbeitet, die besonders leicht oder besonders schwer zu übersetzen sind. Als besonders leicht stellten sich in christlich geprägten Ländern Bibelzitate wie „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ heraus, als besonders schwierig zeigten sich konventionelle Metaphern, die noch nicht lexikalisiert worden sind, stark kulturspezifische und solche, mit denen im Text gespielt
wird.
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Berichte - Reports
Als „Social Programme“ bot das SMF den Wissenschaftlern aus aller Welt vielfältige Möglichkeiten, sich sowohl untereinander als auch Stockholm und Umgebung besser kennenzulernen. Neben dem Conference Dinner im Stadtzentrum wurden eine Exkursion zur Täby Church im Norden von Stockholm vor Beginn des Festivals sowie im Anschluss an das wissenschaftliche Programm eine „Runestone Tour“ angeboten. Auch bei 7 °C, Sturm und strömendem Regen wurden die Wissenschaftler nicht müde, über metaphorische Inhalte der Runensteinbeschriftungen zu diskutieren.
Es ist erklärtes Ziel der Organisatoren des SMF, jedes Festival mit einer Veröffentlichung ausgewählter, auf den Vorträgen basierender Artikel abzuschließen. Auch in diesem Jahr sind Proceedings geplant. Verfügbar ist bisher – online und in Print – der Band mit Beiträgen aus den Jahren 2006 und
20074. Die Druckfassung für 2008 ist fast fertiggestellt.
Auch für September 2011 ist ein SMF geplant. Es wird vom 8. bis zum
10. September stattfinden.
4 Die Beiträge von 2006/2007 sind auf der Festival-Homepage verfügbar.
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