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metaphorik.de 31/2020

Corinne oder Die praktische Theodizee des Unfassbaren

Michael Schulz

Universität Bonn (michael.schulz@uni-bonn.de)

Abstract


Ausgehend von Max Frischs Erzählung Der Mensch erscheint im Holozän (1979) und Erfahrungen in der Notfallseelsorge werden Argumente einer praktischen Theodizee entwickelt: Sie gründet in der Vorstellung, dass die Welt nur im Netz von zwischenmenschlichen Beziehungen erträglich ist, erst recht im Fall von Katastrophen. Hinzu kommt die sich mitmenschlich vermittelnde, entscheidende Beziehung des Menschen zu Gott, dem Schöpfer der endlichen Wirklichkeit. Darüber, wie die Welt erscheint, sei es nun die beste aller möglichen Welten oder nicht, entscheidet dieses gott-menschliche Beziehungsgefüge.
Praktisches Engagement in der Katastrophe hilft, Härten endlicher Wirklichkeit zu bestehen und entzieht die Endlichkeit dem Verdacht, absurd zu sein und ihren transzendenten Grund zu delegitimieren.


Based on Max Frisch's story Man in the Holocene (1979) and experiences in emergency pastoral care, arguments of a practical theodicy are developed: It is based on the idea that the world is only bearable in a network of interpersonal relationships, especially in the case of catastrophes.
In addition, there is humans' decisive relationship with God, the Creator of finite reality, which is mediated through human beings. It is this divine-human network of relationships that determines how the world appears, may it be the best of all possible worlds or not. Practical engagement in the catastrophe helps hardships of finite reality to survive and removes it from the suspicion of being absurd and delegitimizing its transcendent ground.

Katastrophen kennt allein der Mensch,
sofern er sie überlebt;
die Natur kennt keine Katastrophen.
Max Frisch: Der Mensch erscheint im Holozän (2018: 103)

Ausgabe: 

Jahrgang: 

Seite 241

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