Kongressbericht RaAM8 2010 in Amsterdam
Vom 30. Juni bis zum 3. Juli 2010 fand an der Vrije Universiteit Amsterdam die achte Konferenz (RaAM81) der internationalen Vereinigung „Researching and Applying Metaphor“ (RaAM) statt. RaAM wurde als Vereinigung 2006 im Rahmen der sechsten Konferenz in Leeds, UK, mit der Zielsetzung gegründet, die Erforschung von Metaphern, Metonymien und anderen Aspekten bildlicher Sprache zu fördern. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Anwendung der Forschungsergebnisse, der Ermutigung zur intensiven Nutzung innovativer Forschungsmethodiken sowie der interdisziplinären Vernetzung und Zusammenarbeit.2 Alle zwei Jahre findet eine internationale Konferenz statt, im Zwischenjahr ein Symposium.
Die achte RaAM-Konferenz 2010 wurde vom Department of Language and
Communication der Vrije Universiteit Amsterdam organisiert und empfing 171
Wissenschaftler, davon 81 Doktoranden, aus 35 Ländern. Um möglichst vielen Nachwuchswissenschaftlern die Teilnahme am Kongress zu ermöglichen, wurden im Vorfeld eine Reihe von Stipendien ausgeschrieben, die auf Grundlage finanzieller Bedürftigkeit oder akademischer Exzellenz vergeben wurden. Zudem wurden zwei Preise für Doktoranden im Rahmen des Kongresses überreicht, der „PhD Presentation Prize“ für den besten Vortrag eines Doktoranden bei RaAM8 sowie der „Early Career Research Paper Prize“, der das qualitativ hochwertigste Nachwuchsprojekt auszeichnete.
Als erster offizieller Programmpunkt fanden am 30. Juni vier „pre-conference tutorials“ statt, die ebenfalls speziell auf die Belange von Doktoranden abgestimmt waren. Jedes Tutorium wurde zweimal gehalten, so dass eine Teilnahme an zwei der folgenden jeweils knapp dreistündigen Veranstaltungen möglich war: „Identification of Figurative Networks in Multimodal Discourse“ (Anita Naciscione), „How to make an effective
1 Vgl. hierzu und für alle Abstracts die offizielle Kongresshomepage:
https://raam8.let.vu.nl/.
2 Vgl. hierzu die offizielle RaAM-Hompage: http://www.raam.org.uk/.
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conference presentation“ (Simon Harrison), „Workshop focusing on the use of
WordSmith tools and dictionaries in combination with the MIP (Pragglejaz
2007)“ (Maria Rodriguez Marquez/Alice Deignan) und „Metonymy as a research tool“ (Susan Ryland). Die Tutorien waren interaktiv gestaltet und boten den Teilnehmern die Möglichkeit, die vorgestellten Methoden, Programme und Hinweise mit Hilfestellungen selbst in die Praxis umzusetzen und zu reflektieren.
In drei einstündigen Plenarvorträgen beleuchteten renommierte Experten aus verschiedenen Disziplinen grundlegende Fragestellungen der aktuellen Metaphernforschung. Dedre Gentner3 (Department of Psychology and School of Education and Social Policy, Northwestern University, USA) referierte in ihrem Vortrag „Metaphor and Mapping” über Bestandteile ihrer Career of Metaphor theory, die besagt, dass bestimmte Bildspender durch wiederholten Gebrauch eine Abstraktion erfahren, dadurch ihre ursprüngliche Bedeutung vollständig verlieren und zu einer abstrakten Kategorie mit einer metaphorischen Grundbedeutung werden.
Joseph Grady (Cognitive Linguistics, University of California, Berkeley, USA) stellte in seinem Vortrag sein Unternehmen Cultural Logic4 vor, das Metaphern einsetzt, um die Einstellungen von Bürgern gegenüber Belangen öffentlichen Interesses zu verändern. Diesem Vorgehen liegt die Theorie zugrunde, dass die Öffentlichkeit in vielen Fällen den zentralen Aspekt eines Sachverhaltes schlichtweg nicht versteht und dadurch dem Thema gegenüber von vornherein eine kritische Haltung einnimmt bzw. es vollständig ignoriert. So ersetzte Grady beispielsweise die seiner Ansicht nach gescheiterte Metapher des Treibhaus(effekts) („greenhouse effect“) durch die nachvollziehbarere Metapher einer Decke („blanket“), die um die Erde gelegt ist und die Wärme darunter staut.
Lynne Cameron (Faculty of Education and Language Studies, Open University, UK5) stellte in ihrem Vortrag „The Particularity of Metaphor” Ergebnisse ihrer Forschung zum Gebrauch von Metaphern in authentischen, spontanen Gesprächssituationen vor, in denen sowohl die Anwesenheit als auch die
3 Vgl. http://groups.psych.northwestern.edu/gentner/.
4 Vgl. http://www.culturallogic.com/.
5 Vgl. http://www.open.ac.uk/education-and-languages/.
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Berichte - Reports
Abwesenheit von Metaphern bereits viel über den Inhalt, die Gesprächs- führung und die Haltungen der Gesprächsteilnehmer verraten. Sie plädierte dafür, dass Theorien induktiv von solchem authentischen Gebrauch ausgehend formuliert werden sollten, und belegte, dass Metaphern besonders eng mit Emotionen, Werten und Haltungen zusammenhängen.
Der Hauptteil der Konferenz bestand aus 116 zwanzigminütigen Vorträgen mit anschließender Diskussion, die von den Teilnehmern als äußerst kollegial, ungezwungen und fruchtbar empfunden wurde. Die meiste Zeit konnten fünf parallel verlaufende Sektionen besucht werden, die die verschiedenen Teilthemen der Vorträge in die folgenden Überthemen einteilten:
„Processing“, „Metonymy“, „Politics“, „Visual Metaphor“, „Conceptual
Metaphor Theory“, „Music“, „Multimodality“, „Science“, „Media“, „Foreign
Language Learning“, „Business“, „Corpus“ und „Social Aspects“.
Neben Vorträgen konnten in einer neunzigminütigen Postersektion zwölf Projekte in unterschiedlichen Stadien begutachtet und mit den ver- antwortlichen Wissenschaftlern diskutiert werden. Auch in diesem Kontext wurden hilfreiche Lektürehinweise ausgetauscht sowie bisher unentdeckte Vernetzungsmöglichkeiten erkannt. Als besonders prominent zeigten sich sowohl in den Vorträgen als auch in den Posterpräsentationen die Zugrunde- legung und Weiterentwicklung der kognitiven Metapherntheorie von George Lakoff und Marc Johnson6 sowie die vielfachen Adaptationen der Metaphor Identification Procedure (MIP) der Pragglejaz Group7 mit ganz unter- schiedlichen Zielsetzungen.
Die besondere Praxis- und Anwendungsorientierung von RaAM8 zeigte sich in den vorgestellten Projekten, vor allem aber in den sechs neunzigminütigen
„real world workshops“, von denen die Teilnehmer des Kongresses zwei besuchen konnten: „Metaphor in communicating public interest issues“ (Joseph Grady), „Metaphor in business organisations“ (Joep Cornelissen),
„Metaphor in education professionals’ discourse“ (Graham Low), „Metaphor in knowledge management“ (Daan Andriessen), „Metaphor and metonymy in painting“ (Irene Mittelberg), „Metaphor in product design“ (Paul Hekkert).
6 Lakoff, George/Johnson, Mark (2008): Metaphors We Live By, Chicago.
7 Pragglejaz Group (2007): „MIP: A Method for Identifying Metaphorically Used Words in
Discourse“, in: Metaphor and Symbol 22.1, S. 1-39.
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Ähnlich wie in den „pre-conference tutorials“ lag in diesen Veranstaltungen der Fokus auf der Interaktion zwischen den Teilnehmern und der gemeinsamen Erarbeitung kleiner Beispielprojekte. Anknüpfend an Joseph Gradys Plenarvortrag konzentrierten sich alle Workshops auf die Frage, wie Metaphern als Intervention oder Werkzeug eingesetzt werden können, um die Wahrnehmung und das Denken von Menschen zu verändern.
Neben den wissenschaftlichen Settings, in denen ein reger Austausch stattfand, boten sich vor allem die Kaffeepausen, die Opening Reception am ersten Abend und das Conference Dinner im Stadtzentrum von Amsterdam am letzten Abend des Kongresses an, um neue Kontakte zu knüpfen und alte zu pflegen. Im Anschluss an das wissenschaftliche Programm wurde zudem ein gemeinsamer Tagesausflug zum Zuiderzeemuseum in Enkhuizen angeboten.
Eine anschließende Veröffentlichung ausgewählter Beiträge von RaAM8 ist nicht geplant. Die nächste RaAM-Konferenz, RaAM9, findet vom 4. bis zum
7. Juli 2012 an der Universität von Lancaster, UK, statt.8 Das zwischenjährliche
Symposium mit dem Thema „Metaphor across time and genre“ wird im Mai
2011 in Spanien ausgerichtet.
8 Vgl. http://ling.lancs.ac.uk/.
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