Vorwort 19/2010
Vor dreißig Jahren, im Jahr 1980 erschien ein Klassiker der Metaphernforschung, George Lakoff und Mark Johnsons Metaphors We Live By [im Text kursiv setzen]. Zwar mögen die Gedanken der beiden amerikanischen Kognitivisten weniger originell sein als sie es selbst wahrhaben wollten, enthält dieser Band doch zahlreiche Ideen, die auch in den über zwei Jahrtausenden seit Aristoteles in der Rhetorik, der Poetik, der Philosophie, der Literaturwissenschaft oder der frühneuzeitlichen Philologie vielfach formuliert wurden. Außer Frage steht jedoch, dass sie einen regelrechten Boom der Metaphernforschung ausgelöst haben, in dem theoretische Aspekte wie sprachliche Empirie kontrovers, interdisziplinär und produktiv diskutiert werden. metaphorik.de versteht sich seit der ersten Ausgabe im Jahr 2001 als eine wichtige Plattform für Diskussionen dieser Art, und wir sind froh wieder einmal zeigen zu können, dass das Forschungsfeld der Metapher weiterhin – und hier bleiben wir metaphorisch – gute Früchte bringt.
Ein Aspekt, der von Lakoff/Johnson zwar angesprochen, aber empirisch nicht belegt wird, ist die Metapher im Sprachen- und Kulturvergleich. Die Frage nach der Sprachengebundenheit oder der Universalität einzelner metaphorischer Konzepte lässt sich indes nur empirisch beantworten. Sondes Hamdi geht in seinem Beitrag der Frage nach, in welchem Rahmen die Metaphorisierungen des Zielbereichs 'Zeit' im Englischen und Arabischen übereinstimmen. Damit bildet seine Untersuchung einen Baustein zum besseren Verständnis der Sprachenspezifik sowohl einzelner metaphorischer Ausdrücke als auch der übergeordneten Konzepte. Helge Skirl betrachtet in seinem Beitrag eine Fragestellung an der Schnittstelle zwischen lexikalischer Morphologie, Wortbildungs-Semantik und Metaphernforschung, wenn er ausgehend vom Deutschen Kompositionsmetaphern analysiert. Deutlich wird dabei, dass die mitunter ad-hoc geformten Wortgebildetheiten im textuellen bzw. situativen Kontext betrachtet und interpretiert werden müssen. Metaphorisierung per Wortbildung erfüllt elementare pragmatische Funktionen, ein Aspekt, der in einer rein kognitivistisch ausgerichteten Perspektive vielfach ausgeblendet zu werden droht. Rachel Sutton-Spence schließlich zeigt die Rolle von Metaphorik in semiotisch nicht schallgebundenen Sprachen, wenn sie die Rolle der Raum-Metaphorik zur Affirmation von Identität in Gedichten der englischen Gebärdensprache betrachtet. Die von Lakoff/Johnson behauptete zentrale Rolle der Körperlichkeit in der Konstitution von Metaphern erhält hier eine weitere Dimension. Raum- und Orientierungsmetaphern werden gebärdensprachlich direkt in Gesten und Bewegungen umgesetzt, wobei auch hier übergeordnete Konzepte erkennbar bleiben und durch Gestik entsprechend re-motiviert werden.
Zwei von Corinna Koch verfasste Kongressberichte zeigen ihrerseits die Vitalität der internationalen Metaphernforschung. Das Netzwerk "Researching and Applying Metaphor" traf sich im Juli 2010 in Amsterdam, und an der Stockholmer Universität findet im Herbst mittlerweile ein regelmäßiges Metaphernfestival statt. Dies unterstreicht nicht zuletzt, dass sich die vorliegende Zeitschrift mit ihren genuinen Interessens- und Forschungsschwerpunkten in guter Gesellschaft befindet.
Für die wie gewohnt tatkräftige Unterstützung bei der Fertigstellung der Beiträge für diese Ausgabe danken wir den Saarbrücker Mitarbeiterinnen Kerstin Sterkel, Tanja Fell und Katharina Leonhardt.
Unseren Lesern wünschen wir ein gutes Jahresende und einen gelungenen Start ins neue Jahr, das für metaphorik.de zugleich einen ersten runden Geburtstag darstellen wird. Aus diesem Anlass werden wir im Frühjahr 2011 einen international besetzten Workshop zu den Perspektiven der Metaphernforschung organisieren, dessen Ergebnisse dann pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum unserer ersten Ausgabe im Dezember 2011 hier zu lesen sein werden.
Essen, im Dezember 2010
Hildegard Clarenz-Löhnert
Martin Döring
Klaus Gabriel
Olaf Jäkel
Katrin Mutz
Dietmar Osthus
Claudia Polzin-Haumann
Judith Visser
Thirty years ago, the year 1980 saw the publication of a real classic of metaphor research, George Lakoff and Mark Johnson's Metaphors We Live By.
Maybe the approach taken by those two American cognitivists is less original than they themselves would like to think, as many of the ideas presented in that book had been raised before in the two millennia since Aristotle, and formulated in rhetoric, in poetics, in philosophy, in literary criticism, or in early modern philology. But without doubt, they triggered a regular boom of metaphor research, in which theoretical aspects as well as linguistic data are being discussed productively, from various perspectives, and in interdisciplinary fashion. From its first issue in 2001, metaphorik.de has regarded itself as an open platform for discussions of this kind, and we are happy to be able to prove once more, that the field of metaphor research – metaphorically speaking – continues to bear fruit.
One aspect touched upon by Lakoff/Johnson, though without any empirical validation, is that of metaphor in the comparison of languages or cultures. The question, to what extent particular metaphorical concepts may be culture specific or universal can only be answered empirically. Sondes Hamdi's contribution tackles the question, to what extent the metaphorisations of the target domain 'time' coincide in English and Arabic. His investigation supplies a building block for a better understanding of the language specificity of individual metaphorical expressions as well as of the underlying concepts. In the next contribution, Helge Skirl treats an issue at the interface between lexical morphology, word-formation semantics, and metaphor research, analysing metaphorical compounds in German. It becomes clear, that in particular ad-hoc formations need to be seen and interpreted in their textual and situational context. Metaphorisation in word-formation can serve some elementary pragmatical functions, an aspect, which may at times be lost if regarded from a mere cognitive perspective. Finally, Rachel Sutton-Spence proves the importance of metaphor in non-acoustic languages, when she considers the role of spatial metaphors in the expression of identity in English (BSL and ASL) sign language poetry. The crucial role of the human body in the constitution of metaphors, as postulated by Lakoff/Johnson, is taken to yet another dimension. In sign language, spatial and orientational metaphors are expressed directly in gestures and movement, preserving and re-motivating the underlying concepts.
Two congress reports provided by Corinna Koch also bear witness to the vitality of international metaphor research. In July 2010, the network "Researching and Applying Metaphor" met in Amsterdam, and Stockholm University has taken to host an annual "Metaphor Festival" each autumn. Events like these underline that our journal with its genuine focus of interest and research is in good company.
For their usual competent support in processing the contributions for this issue, our thanks go to the Saarbrücken team of Kerstin Sterkel, Tanja Fell and Katharina Leonhardt.
We wish our readers a happy new year, which will also bring an anniversary for metaphorik.de. Therefore, in spring 2011 we are going to organize an international workshop on "Emerging Perspectives on Metaphor and Metonymy", whose results are due to be published here in December 2011 in order to commemorate the tenth anniversary of our first issue.
Essen, December 2010
Hildegard Clarenz-Löhnert
Martin Döring
Klaus Gabriel
Olaf Jäkel
Katrin Mutz
Dietmar Osthus
Claudia Polzin-Haumann
Judith Visser