James W. Underhill (2011), Creating Worldviews. Metaphor, Ideology and Language, Edinburgh: University Press, 301S.
Judith Visser, Bochum (Judith.Visser@rub.de)
Bei der Besprechung wissenschaftlicher Fachliteratur bietet es sich häufig an, mit der Themenstellung und der Zielsetzung der Analyse zu beginnen, so, wie der Verfasser diese in seinen einleitenden Bemerkungen skizziert. In diesem Fall erscheint es der Rezensentin jedoch sinnvoll, zum Einstieg auf den Buchdeckel Bezug zu nehmen und diesen mit den Ausführungen des Verfassers in der Einleitung zu verknüpfen: Die Abbildung auf der Vorderseite des vorliegenden Buches weckt Erwartungen an die Lektüre, die im Werk selber nicht uneingeschränkt erfüllt werden – dabei sei dahin gestellt, ob dies dem Verfasser anzulasten ist oder nicht – , und auf dem Buchrücken werden – in ihrer Umsetzung diskussionswürdige – Zielsetzungen z.T. konziser formuliert, als dies im einleitenden Kap. der Fall ist. Gleichzeitig gibt ein Blick in die Biographie Underhills eine mögliche Begründung für die Zusammensetzung der Fallstudien, die ein Drittel der Studie ausmachen, eine Begründung, die vom Verfasser selbst nicht oder allenfalls sehr indirekt geliefert wird.
Die obere Hälfte des Buchdeckels nimmt eine Photographie ein, auf der einer Person, deren Kopf lediglich ausschnitthaft mit Fokus auf dem rechten Ohr abgebildet ist, von einer anderen Person, von der lediglich Nase und Mund zu sehen sind, etwas ins Ohr geflüstert wird. Das Bild suggeriert damit, zumindest bei der Rezensentin, dass es im vorliegenden Werk um das Herausarbeiten von Strategien der ‘Konspiration‘ und ‘Beeinflussung‘ gehen könnte, Erwartungen, die zusätzlich durch den Titel Creating Wordviews geschürt werden.
Der Buchrücken gibt Hinweise auf den Inhalt. Als allgemeines Ziel wird formuliert, dass Leser dazu ermutigt werden sollen, über die Rolle, die Sprache und Metaphern bei der Herausbildung von Denkmustern spielen, nachzudenken. Metaphern gelten also, auch wenn sie im Fokus der vorliegenden Besprechung stehen, ausdrücklich als eine mögliche und keineswegs einzige Form der Einsichtnahme in Weltansichten (cf. S. 13). Angekündigt wird eine kritische Einführung in die Metapherntheorie (im Singular), an die sich eine Untersuchung von worldview (im Folgenden in Anlehnung an die Praxis des Autors übersetzt als “Weltansicht“) anschließen soll, wie Sprache sie uns ‘anbietet‘, sowie worldviews, wie sie unserer ideologischen und persönlichen Interpretation der Welt entspringen. Dieses Ziel wird in der eigentlichen Einleitung wie folgt formuliert: „This book is concerned with the creation of worldviews: that is, with the way we create them, the way we introduce them, maintain them and transform them [kursiv im Orig., J.V.]” (S. 12).
Die Tatsache, dass eine Erkundung neuer „avenues in metaphor theorie in the work of contemporary French, German and Czech scholars” stattfinden soll, scheint sich aus dem Lebenslauf des Autors abzuleiten, der als Übersetzer für Französisch und Tschechisch ausgebildet ist und im Bereich Übersetzungswissenschaft an der Université Stendhal de Grenoble arbeitet: Andere unmittelbare Begründungen für die Kombination französischer, deutscher und tschechischer Arbeiten ergeben sich zumindest auf den ersten Blick nicht, zumal die Ausrichtung auf Arbeiten aus dem Bereich der kognitiven Linguistik eine Berücksichtigung auch des angloamerikanischen Raums nahelegen würde, die dann auch entgegen der Ankündigung in Teilen erfolgt. Grundsätzlich kann der Einbezug verschiedener europäischer Perspektiven als großes Potential der vorliegenden Studie gewertet werden, weil aus sprachlichen Gründen gerade angloamerikanische Metaphernforscher dazu neigen, z.B. slawische, aber auch andere europäische Forschungstraditionen zu wenig zu berücksichtigen, wie der Autor selbst anmerkt: „an Anglo-centric trend has tended to emerge among the publications of the second generation of cognitive scholars“ (S. 14). Die für die Analyse der Erschaffung von worldviews durchaus sinnvolle Kombination von Metapherntheorie und Diskursanalyse soll anhand dreier Fallstudien erfolgen. Hier deutet der Text auf dem Buchrücken bereits ein gewisses methodisches Vakuum an, das sich in der Untersuchung manifestiert: Es findet sich kein Kapitel, in dem Methoden der Metaphernforschung und der kritischen Diskursanalyse systematisch zueinander in Bezug gesetzt werden würden. Dieses In-Bezug-Setzen erfolgt bei der Diskussion der Fallstudien lediglich sehr indirekt.
Die Fallstudien spiegeln ebenfalls die Biographie des Autors wider: Die Analyse gilt dem tschechischen kommunistischen sowie dem deutschen faschistischen Diskurs („Czech language reshaped by communist discourse“; „the way fascism emerged in German language“); die dritte Fallstudie „turns metaphor theory on its head: instead of looking for metaphors in language, it describes the way language systems (French and English) are understood in terms of metaphorically-framed concepts evolving over time“ (Buchrücken).
Das Werk schließt mit einem – auf dem Buchrücken leicht irreführend als „multilingual“ angekündigten und im Rahmen einer Studie des vorliegenden Typs durchaus überraschenden Glossar. Zum Ende der Inhaltsangabe wird der Anspruch formuliert, es handele sich um ein ideales Buch „for anyone new to the topic, as well as those already interested in metaphor theory and the analysis of worldviews“.
Die auf dem Buchrücken angekündigte „ciritical introduction to metaphor theory“ umfasst Teil 1 des Buches (mit der sehr allgemeinen Überschrift Metaphor versehen) und ist untergliedert in die Unterkapitel 1. Metaphor and World-Conceiving, 2. A Concern for Metaphor, 3. Metaphors We Live By, 4. Other Developments in Metaphor Theory, 5. Further Cognitive Contributions to Metaphor Theory und 6. Diversity on the Periphery. Die Unterkapitel sind weiter gegliedert; so wird das Online-Journal metaphorik.de als Teil des Absatzes „Diversität in der Peripherie“ vorgestellt.
Teil 2 widmet sich den Fallstudien. Wie angekündigt fokussiert die erste Fallstudie die Sprache des tschechoslowakischen Kommunismus, die zweite das ‘Hitlerdeutsche‘, d.h. die Lingua Tertii Imperii Victor Klemperers. Underhill formuliert als Ziel zu belegen, dass die nationalsozialistische Weltansicht unlogisch und irrational ist (S. 15). Die Untersuchung der Language in Metaphors, die gewissermaßen die dritte Fallstudie bildet, obschon hier mehrere Autoren miteinander in Bezug gesetzt werden, beruht im Wesentlichen auf einer Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Claude Hagège und David Crystal. Gerade diese dritte ‘Fallstudie‘ zeichnet sich durch einen – im Inhaltsverzeichnis nur durch den Terminus Sprachsinn erkennbaren – sehr starken Bezug zur Sprachphilosophie Humboldts aus, die Gegenstand von Underhills Publikation Humboldt, Worldview and Language (ebenfalls Edinburgh University Press) aus dem Jahre 2009 ist. Humboldt selbst wird vom Autor als „guilty conscience of modern linguistics“ (S. 16) gezeichnet, weil er uns daran erinnere, dass „language is about us. Speaking involves speakers“ (ibid.). Ziel der Diskussion Hagèges und Crystals sei es zu belegen, dass sprachliche Konzepte metaphorisch konstruiert sind. Man darf sich allerdings schon an dieser Stelle, in Anbetracht der Publikationen Lakoffs und Johnsons und zahlreicher Studien zur Metaphorizität des Wissenschaftsdiskurses, die Frage stellen, ob diese Erkenntnis überraschend ist, oder ob hier nicht eher die Frage interessant wäre, durch welche Konzepte sich die metaphorische Konstruktion von Sprache auszeichnet.
Im ersten Unterkapitel der „critical introduction to metaphor theory“, betitelt als Metaphor and World-Conceiving, liefert Underhill nach eigener Aussage grundlegende Taxonomien für seine Analyse: Er differenziert drei verschiedene Dimensionen von worldview, dem zentralen Konzept seiner Untersuchung. Unterschieden werden: 1. die worldview des Sprachsystems, 2. diejenige des cultural mindsets sowie 3. diejenige des Individuums. Die Unterteilung erscheint ihm nötig, um die Beziehung zwischen Sprache und Denken, zwischen Wörtern und Weltansichten zu verstehen. Aus der Tatsache, dass nicht nur die ideologische Weltansicht, sondern auch diejenige des Sprachsystems und des Individuums beleuchtet werden, leitet er die Notwendigkeit ab, für den Begriff worldview eine weitere Taxonomisierung zu unternehmen, die auf einer von ihm vorgenommenen Diskussion des Konzepts in dem bereits genannten Buch zu Humboldt beruht, und zwar in:
- World-perceiving: Damit nimmt Underhill Bezug auf „the frameworks of understanding which direct and shade our perception of the world“ (S. 7);
- World-conceiving: Diese Kategorie bezieht sich auf die „conceptual frameworks which enable us to communicate with others and engage in the discussion of ideas, impressions and feelings” (ibid.). Bei den beiden ersten Kategorien scheint es sich um eine weitere Untergliederung der in der vorangehenden Taxonomisierung eingeführten “worldview des Sprachsystems“ zu handeln;
- Cultural mindset: Diese, bereits in der ersten Taxonomisierung eingeführte Kategorie wird nicht weiter unterteilt. Sie bezieht sich auf „worldviews specific to a political regime or religion“ (ibid.), wobei sicherlich diskussionswürdig wäre, ob Kultur mit „politischer Weltanschauung“ oder „Religion“ gleichgesetzt werden kann, wie dies die Benennung der Kategorie nahezulegen scheint.
- Personal World: Diese erste Unterkategorie der Dimension „Weltansicht des Individuums“ fokussiert „the fairly stable systems of concepts which organise and structure the worldview we can attribute to individuals and writers“ (ibid.).
- Perspective: Die zweite verweist analog zum world-conceiving auf die Tatsache, dass das Individuum mit der Welt interagiert und dabei Konzepte schärft, ändert und überdenkt, d.h. dass diese nicht statisch, sondern einem stetigen Wandel unterlaufen sind oder sein können.
Der Versuch der Annäherung an die entwickelten Taxonomien im Rahmen der vorliegenden Besprechung macht zwei Dinge deutlich:
Erstens: Der Verfasser legt Wert darauf, bei der Frage nach der Erschaffung von worldviews die Tatsache im Blick zu behalten, dass Weltansichten in gewisser Weise und durchaus im Sinne Sapirs und Whorfs, deren Positionen an späterer Stelle kritisch diskutiert werden, durch das Sprachsystem geprägt werden, dass die Kultur und die religiöse oder politische Ideologie, in der die Sprecher einer (oder mehrerer) Sprache(n) sich bewegen, eine große Rolle spielen, aber dass auch die Perspektive des Individuums nicht ausgeblendet werden darf. Dabei ist gleichzeitig zu bedenken, dass Weltansichten nicht unverrückbar, sondern entwicklungsfähig sind, ein Gedanke, der die Verantwortung des kritisch denkenden Individuums für die Ausbildung eben dieser Weltansichten in den Vordergrund rückt. Es ist deshalb für Underhill wenig sinnvoll, das Individuum als „passive object or ‘victim‘ of ideology“ (S. 6) zu sehen.
Zweitens: Die Taxonomisierungen werden recht knapp eingeführt und im weiteren Verlauf der Studie nicht hinreichend systematisch wieder aufgegriffen, um dem Leser ein klares orientierendes Gerüst vor Augen zu führen. Es darf daher bezweifelt werden, dass das Werk, wie auf dem Buchrücken angekündigt, „for anyone new to the topic“ geeignet ist. Im Gegenteil scheint der Autor nicht nur hier, sondern gerade auch in der dritten Fallstudie von Teil 2 in gewisser Weise davon auszugehen, dass die Leser mit seiner Studie zu Humboldt von 2009 bzw. mit der Humboldtschen Sprachphilosophie mehr oder minder vertraut sind.
In den darauf folgenden Kapiteln von Teil 1 widmet sich Underhill konkret den metapherntheoretischen Grundlagen. Schon in Kap. 2 (A Concern for Metaphor) zeigt sich, dass seine Ausführungen sehr stark sprachphilosophisch geprägt sind. Die Ideen von Lakoff/Johnson werden mit europäischen Werken von Cassirer (The Philosophy of Symbolic Forms, vol. I: Language, New Haven, 1968) sowie Matoré (L’espace Humain, Paris, 1962) in Bezug gesetzt. Der Verfasser blickt also nicht nur bei den Fallstudien, sondern auch bei der Darstellung der theoretischen Hintergründe über den kognitionswissenschaftlichen angloamerikanischen Tellerrand hinaus.
Auch in Kap. 3, das im Titel das Werk von Lakoff/Johnson zitiert (Metaphors We Live By), zeigt Underhill Traditionslinien der Metaphernforschung auf, indem er die amerikanischen Autoren ‘in die Fußstapfen Paul Ricœurs‘ treten lässt (S. 25). Die Erkenntnisse Lakoffs und Johnsons fasst er in sieben Punkten zusammen (S. 25ff.) : 1. Metaphors live, 2. Metaphors form systematic constructs, 3. Metaphors highlight and hide, 4. Conceptual metaphors often contradict one another, 5. Me‑taphors are grounded in experience, 6. Metaphors create similarity, 7. Metaphor is the cardinal trope.
Kap. 4 beginnt mit dem noch einmal ausdrücklichen Hinweis, dass ‘die geheime Macht der Metaphern’ („the secret power of metaphor“, S. 30), um die es vor dem Hintergrund der Erschaffung von Weltansichten geht, keine Entdeckung der kognitiven Linguistik ist. Dies untermauert Underhill durch eine Art Forschungsüberblick, den er in die Kategorien philosophical investigations – linguistic approaches – the poetic tradition – the rhetorical tradition unterteilt. Getreu seines biographischen Hintergrunds zeichnet sich dieser Überblick durch eine starke Fokussierung auf Frankreich aus. Nicht nur die über rein linguistische Forschungsarbeiten hinausgehende Darstellung, sondern auch eine explizite Anmerkung des Verfasser heben die Interdisziplinarität des Forschungsgegenstandes Metapher hervor: „From Aristotle to Ricœur, metaphor has tended to attract those who build bridges between academic disciplines“ (S. 43).
Kap. 5 (Further Cognitive contributions to Metaphor Theory) enthält u.a. einen kleinen Einblick in die Biographie Lakoffs. Als weitere ‘kognitive Beiträge‘ bzw. Beitragende behandelt Underhill besonders Ideen und Arbeiten von Philip Eubanks (A War of Words in the Discours of Trade: The Rhetorical Constitution of Metaphor, Carbondale, 2000), Andrew Goatly (Washing the Brain: Metaphor and Hidden Ideology, Amsterdam/Philadelphia, 2007) und Mark Turner („Turner’s Contribution”, S. 55ff.). Das Kapitel endet mit dem Hinweis auf eine gewisse „shortsightedness”, die der Verfasser britischen und amerikanischen kognitiven Linguisten vorwirft (S. 61), deren Arbeiten sich ihm zufolge in drei Kategorien einteilen lassen: 1. solche, die die Universalität von metaphorischen Konzepten zu beweisen suchen, 2. solche, in denen die englischsprachigen Forscher mit Hilfe von Muttersprachlern anderer Sprachen – hier scheinen vor allem kleinere, regional sehr begrenzt auftretende und aus europäischer Sicht ‘exotische‘ Sprachen gemeint zu sein, die die Forscher selbst nicht beherrschen – ihre Hypothesen zu belegen versuchen sowie 3. Arbeiten, in denen Sprecher anderer Sprachen die Hypothesen von Lakoff/Johnson untermauern. Inwiefern es sinnvoll ist, diese drei Kategorien voneinander abzugrenzen, die sich letztlich alle dadurch auszeichnen, dass angestrebt wird, Annahmen Lakoffs und Johnsons durch ausgewählte Beispiele aus anderen Sprachen zu belegen, mag diskussionswürdig sein. Es ist jedoch festzuhalten, dass Underhill die Hypothese der Universalität der Konzepte bzw. die bisherigen Versuche, diese zu beweisen, als ‘kurzsichtig‘ empfindet und diese Empfindung zum Anlass nimmt, in Kap. 6 einen Blick auf die ‘Vielfalt in der Peripherie‘ zu werfen (Diversity on the Periphery).
Die ‘Vielfalt in der Peripherie‘ scheint sich für den Verfasser u.a. darin zu begründen, dass jenseits des ‘kognitivistischen Mainstreams‘ sprachvergleichend gearbeitet wird. Konkret diskutiert Underhill Dirven („Metaphor as a basic means of extending the lexicon“, in: Paprotté, Wolf/Dirven, (ed.), The Ubiquity of Metaphor: Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science, Amsterdam/Philadelphia, 1985, S. 84-119), die mehrsprachigen Studien in metaphorik.de, tschechische und polnische Beiträge, die in Vaňková, Irena (2001, ed.) veröffentlicht sind (Obraz světa v jazyce (The Picture of the World in Language), Prag) sowie die Arbeiten von Eve Sweetser. Im Zusammenhang mit der Diskussion der slawischen Forschungstradition wichtig erscheint der Hinweis, dass „cognitive studies have shown little sensitivity to questions of register, social class, gender and personality“ (S. 79). Bei der Diskussion der Arbeiten von Sweetser, der der Verfasser einen eigenen Absatz widmet (S. 79-81), wäre ein Verweis z.B. auf Andreas Blank (1997, Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen, Tübingen) denkbar gewesen. Da auch Underhill letztlich in erster Linie die Arbeiten zu kommentieren und wiederzugeben scheint, die ihm bekannt sind und ihm interessant erscheinen, bleibt es nicht aus, dass auch er die perspektivische Verengung vornimmt, die er den englischsprachigen kognitiven Linguisten vorwirft. Nichtsdestotrotz dürften seine Versuche des ‘Brückenbaus‘ (S. 81) zwischen europäischen und amerikanischen Arbeiten als ein großer Pluspunkt der vorliegenden Studie betrachtet werden. Vor dem Hintergrund des skizzierten Wertes sprachvergleichender Arbeiten und in Anlehnung an Trabant (2007, „L’antinomie linguistique: quelques enjeux politiques“, in: Werner, Michael (ed.), Politiques & Usages de la Langue en Europe, Condé-sur-Noireau, S. 67-79) warnt Underhill vor einer „languageless linguistics“ (S. 83). Der Wert der sprachvergleichenden Herangehensweise könnte als eine Begründung für die mehrere Sprachen umfassenden Fallstudien herangezogen werden, auch wenn der Verfasser am Ende dieses Theoriekapitels die genaue Motivation für den Blick in die ausgewählten Sprachen und Korpora schuldig bleibt.
Teil 1, der die ‘metapherntheoretischen Grundlagen‘ umfasst, kann damit zusammenfassend als breit angelegter, verschiedene Forschungstraditionen berücksichtigender Einblick in Studien zu Metaphern betrachtet werden. Zweifellos belegt Underhill mit seinen Ausführungen breite Kenntnisse aktueller und älterer Werke zur Metaphernforschung und zeigt eine große Expertise in sprachphilosophischen Abhandlungen. Seine Darstellungen haben Potential für den angestrebten ‘Brückenbau‘ zwischen Forschungstraditionen, die Nutzbarkeit seiner Erkenntnisse wird aber dadurch beeinträchtigt, dass er, wie bereits einleitend kritisch angemerkt, keine systematische Verknüpfung von Metapherntheorie und Diskursanalyse vornimmt und mit Ausnahme der eingangs formulierten, in der Abgrenzung recht diffusen Taxonomien auf klare Analyseschemata und Modelle verzichtet, die die Herangehensweise an die Untersuchung der Texte transparenter gemacht hätten.
In Anbetracht dieser Ausgangslage verwundert es daher wenig, dass bei der Darstellung der Fallstudien keine systematische Auswertung von Korpora erfolgt – bzw. selbige für den Leser zumindest nicht ersichtlich wird – und dass nicht konsequent metaphorische Konzepte herausgearbeitet werden, sondern der Verfasser eher inhaltliche Kategorisierungen seiner Ergebnisse vornimmt.
Die Analyse der Language of Czechoslovak Communist Power scheint auf einer Beschäftigung mit den Arbeiten Petr Fidelius‘ zu beruhen (L’esprit post-totalitaire, Paris, 1986; Řeč kommunistické, Prag, 1998; Filosofický slovník (O-Z) (A Philosophical Dictionary), Prag, 1985). Underhill verweist aber auch immer wieder auf die Tageszeitung Rudé Právo, die er als ‘Äquivalent‘ der russischen Pravda bezeichnet (S. 94). Er identifiziert in den ihm vorliegenden Daten vier ‘konzeptuelle Kluster‘, und zwar Historie (History), Lidé (People), Strana (Party), Stát (State), die er im Anschluss diskutiert. Dabei nennt er durchaus aufschlussreiche metaphorische Konzepte, die Verwendung finden (z.B. history is a machine, S. 98; der Mensch wird darin als ‘living energy‘ konzeptualisiert, derer man bedarf, um die ‘Reise zum Sozialismus‘ vollziehen zu können, S. 99). Weges- und Bewegungsmetaphorik spielen eine große Rolle. Auch wenn die Ausführungen aufschlussreich sind und – tendenziell eher wenige – interessante Beispiele diskutiert werden, hätte man sich als Leser eine größere Nähe zu den untersuchten Texten und eine systematischere Auseinandersetzung mit den metaphorischen Konzepten gewünscht. So bleibt zumindest für den mit tschechischer bzw. tschechoslowakischer kommunistischer Rhetorik wenig vertrauten Rezipienten zu unklar, auf welche Weise „dissenters […] are expelled metaphorically from society and from the homeland“ (S. 114). Die Schlussfolgerungen der Analyse (S. 124 ff.) bleiben dementsprechend relativ allgemein. Underhill kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass „universal cross-cultural models of ideological manipulation […] reductive and simplistic“ seien (S. 130). Inwiefern dieses Ergebnis in Hinblick auf die konkrete Fallstudie innovativ ist, kann aufgrund eines fehlenden systematischen Überblicks über den Stand der Forschung zur tschechoslowakischen kommunistischen Rhetorik nicht beurteilt werden. Zu unklar bleibt aufgrund der fehlenden methodischen Systematik auch, was genau man sich unter „models of ideological manipulation“ vorzustellen hat – dieser Aspekt erscheint aber sehr zentral, wenn man das Fehlen eben jener Modelle so substantiell in die Argumentation einbezieht.
Die Feststellung, dass die ‘Modelle der ideologischen Manipulation‘ nicht universell seien, kann als Begründung für die zweite Fallstudie, die Untersuchung des Hitlerdeutschen, herangezogen werden, die diese nicht vorliegende Universalität weiter begründen könnte. Zentrale Fragen der zweiten Fallstudie sind: „How would [the Nazi] movement express itself linguistically? How would the metaphors born of that movement contribute to the reshaping of the German that was spoken at work, in the streets and at home?“ (S. 131), Fragen, die vor dem Hintergrund einer abermals in ihrem Umfang nicht klar zu fassenden Materialanalyse vergleichsweise ehrgeizig erscheinen. Wie bereits erwähnt beruht die Darstellung auf den Studien Victor Klemperers. Struktureller Ausgangspunkt der Analyse ist in diesem Fall eine Unterteilung der sprachlichen Belege, die auch hier nur teilweise konkret angeführt werden, in „seven forms of perversion in the metaphors cherished by the Nazis“, und zwar: 1. conceptual clusters, 2. binary definition, 3. essentialisation [Kursiv i. Orig., J.V.] and exclusion, 4. adoption and inversion, 5. instability, 6. contradiction, 7. absurdity (S. 136). In Hinblick auf die verwendete Metaphorik sind viele der von Underhill angestellten Beobachtungen interessant, aber in ihrem Innovationsgrad abermals nicht zu beurteilen. Sie zeigen z.B., dass auch die Nationalsozialisten mit für manipulative Diskurse typischen binären Kategorisierungen arbeiten (S. 144f.). Überhaupt sind viele Beobachtungen durchaus charakteristisch für rechtextremen metaphorischen und nicht-metaphorischen Diskurs, wenn auch auffällt, dass die vom Verfasser als Überschriften gewählten Kategorisierungen der beobachteten manipulativen Strategien – die als solche nicht explizit benannt werden – nicht in im politolinguistischen Forschungsdiskurs etablierten Terminologien wurzeln. Abermals zeigt sich hier, dass Underhill eher eine sprachphilosophische Perspektive einnimmt und viele Forschungen zur politischen Sprache nicht rezipiert hat. Dies muss dem Verfasser nicht zum Vorwurf gemacht werden, aber es hat zur Folge, dass die Verwertbarkeit seiner Ergebnisse konkret für die Auseinandersetzung mit dem rechtsradikalen europäischen oder aber dem kommunistischen Diskurs (cf. hier z.B. die Studien zur sog. langue de bois) eingeschränkt bleibt, wobei zugestanden werden muss, dass der Verfasser diese Verwertbarkeit nicht anzustreben scheint, dass es hier also offenbar nicht grundsätzlich um die konkrete Auseinandersetzung mit metaphorischen Konzepten im politischen Diskurs geht, sondern eher allgemein um die Frage, wie universell manipulatorische Strategien funktionieren und welche Rolle Sprachsysteme bei diesem Funktionieren spielen.
Die dritte ‘Fallstudie‘ untersucht, wie mit Metaphern über Sprache gesprochen wird. Der Autor stützt sich dabei, wie bereits im Zusammenhang mit der Diskussion des Textes auf dem Buchrücken aufgezeigt, besonders auf die Analyse von Arbeiten des französischen Wissenschaftlers Claude Hagège sowie des Briten David Crystal, auch wenn er beim Blick auf das Oberthema Défense de la langue française und die Diskussion von Eigenschaften, die der französischen Sprache traditionell zugesprochen werden („The french language is so beautiful, we hardly dare touch her“, S. 172ff.; „The aesthetics of order“, S. 183ff.), zunächst einen Blick in die Geschichte der französischen Sprachpolitik wirft und auch anderen Linguisten und/oder Sprachliebhabern kurz Aufmerksamkeit schenkt (besonders Henri Meschonnic, De la langue française. Essai sur une clarté obscure, 1997). Unter der Überschrift „New defences“ widmet er sich kurz sprachpflegerischen Institutionen bzw. sprachpflegerische Artikel publizierenden Organen wie der Délégation générale à la langue française et aux langues de France, der Académie Française und dem Figaro, einem Essai von Dominique Noguez („C comme une crise du français?“, in: Cerquiglini, Bernard et al. (ed.), Le Français dans tous ses états, Paris, 2000), einem Artikel von Julia Kristeva („É comme écrire en français“, in: ibid.) sowie einem Werk von Mohamed Benrabah (Langue et pouvoir en Algérie: histoire d’un traumatisme linguistique, Paris, 1999). Die Gründe für die Auswahl der diskutierten Autoren bleiben offen.
Das Werk Hagèges wird unter der metaphorischen Überschrift „Hagège’s Garden“ diskutiert. Der Stil Underhills zeichnet sich, wie auch in diesem gewählten Titel sichtbar, insgesamt durch eine ausgeprägte Verwendung sprachlicher Bilder aus. Insofern ist es überraschend, dass er sich genötigt sieht darzulegen, dass in Metaphern über Sprache gesprochen wird. Hagège wird als ‘Ökolinguist‘ beleuchtet. Das Augenmerk Underhills gilt dabei u.a. der Annahme der Ökolinguistik, dass sprachliche Diversität in Analogie zu biologischer Diversität gesetzt werden kann sowie der damit verbundenen Sorge vor ‘Sprachentod‘, die davon ausgeht, dass Vielfalt ein schützenswertes Gut darstellt.
Auch wenn sich die Situation des Englischen historisch und in der heutigen globalisierten Welt nur bedingt mit derjenigen des Französischen vergleichen lässt, benutzt auch der englische Wissenschaftler David Crystal die Metapher des Sprachentods: „with the death of each language, another source of potentially invaluable information disappears“ (Language Death, Cambridge, S. 55, zitiert nach S. 226). Die Argumentation beider Linguisten wird von Underhill – me‑taphorisch – als „chivalry of the nobles of the Middle Ages“ abqualifiziert, „who were convinced of the importance of their own values, but considered it their duty (in theory at least), to benevolently watch over those less elevated and rush to the rescue of those in distress“ (S. 230), eine Position, die seiner Ansicht nach der Humboldtschen Sprachphilosophie widerspricht, weil er in der Debatte um drohenden Sprachentod die Vorstellung von Sprachsinn vermisst: „The authours who defend other languages do so because they take it as an article of faith that each language must constitute a worldview” (S. 232). Das Problem Underhills, auf dem die Kritik am ökolinguistischen Ansatz allgemein resultiert, die hier lediglich an den Personen Hagèges und Crystals exemplifiziert wird, besteht also darin, dass er glaubt, dieser sprachwissenschaftlichen Richtung vorwerfen zu müssen, sie würde worldview auf die erste Kategorie seiner Taxonomie reduzieren, nämlich die ‘Weltansicht des Sprachsystems‘. Hagège und Crystal wird vorgeworfen, mit Metaphern ‘Geschichten zu erzählen‘: „The logic of many of these analogies proves to be untenable. Languages are not living things […]. They do not have a limited lifespan. They have no biological parents. They do not interact as species or individual links in a food chain” (S. 233). Für Underhill ist dies insofern kritikwürdig, als diese Perspektive die Kreativität des Individuums, die den Ausgangspunkt bildet für die ‘Weltansicht des Individuums‘ (Nr. 3 der Taxonomie), ausblende und damit das Humboldtsche Konzept des Sprachsinns nicht hinreichend berücksichtige, das die Metapher des Todes nicht sinnvoll erscheinen lasse: „Sprachsinn is not ill or in danger. Since the human species is innately creative, it seems unlikely that imagination is in danger of drying up“ (S. 235).
(Nicht nur) diese Kritik bzw. diese letzte ‘Fallstudie‘ wirft aus Sicht der Rezensentin Fragen auf: Kann Underhill der Ökolinguistik vorwerfen, das Konzept der ‘Erschaffung von Weltansichten‘ auf die Systemebene zu beschränken, nur weil Ökolinguisten vor Sprachentod warnen und dieses Verschwinden von Sprachen mit der Gefahr in Verbindung bringen, dass kulturelles (!) Wissen verlorengeht, das sich in Sprachsystemen niederschlägt (cf. die Forschungsrichtung Wörter und Sachen)? Kann der Verfasser Autoren wie Hagège und Crystal vorhalten, über etwas Abstraktes wie Sprache metaphorisch zu sprechen, wenn doch die Ausführungen Underhills selbst – wie jeder wissenschaftliche Diskurs – von Metaphern durchsetzt sind? Heißt es nicht, die heuristische Funktion von Metaphern zu ignorieren, wenn man diese Metaphern wörtlich nimmt und damit die Argumentation des Gegenübers ad absurdum führt?
Die in ihrer Systematik durchaus schwer zu fassenden und sich in der Diskussion verschiedenartigster Autoren und Texte bisweilen etwas verlierenden, alles andere als perspektivisch offenen Ausführungen Underhills scheinen, das legt auch das Schlusskapitel nahe („A final word, S. 236), auf eine wesentliche Aussage reduzierbar zu sein:
Es bestehe kein Anlass davon auszugehen, dass Sprecher in Weltansichten ‘gefangen‘ – Underhill benutzt hier die Metapher des prison – sein müssen: „Wo‑rldviews must resonate within consciousness. They must enable individuals and peoples to give expression to their thoughts and feelings. They must enable us to live together as communities. Ideology is thus constantly modified by individual expression, and therefore subject to innovation” (S. 239). Die Fähigkeit zur Veränderung und Innovation sieht der Verfasser in dem Konzept des Sprachsinns repräsentiert, wie es Humboldt vertritt.
Wie die Sprecher Veränderungen und Innovationen vornehmen, bleibt allerdings weitgehend offen. Insofern geht es in Creating Worldviews weder, wie das Bild auf dem Buchdeckel – vielleicht zu Unrecht – hat erwarten lassen, um Strategien der Manipulation oder Konspiration, noch um die konkrete Frage, welche Möglichkeiten bestehen, das Oktroyieren von Weltansichten zu verhindern.
Das Buch kann damit abschließend und auch unter Berücksichtigung des 75 Einträge umfassenden Glossars (S. 241-2284), das auf die Studie zugeschnitten und nicht rein definitorisch angelegt ist, als Beitrag zur Diskussion der Ideen der Metaphernforschung betrachtet werden, der sich durch einen umfassenden Einbezug europäischer Forschungsarbeiten auszeichnet. Die Analyse politischer Sprache erfolgt mit einem sprachphilosophischen Ansatz, die Kritik der Ökolinguistik durch die Brille der Humboldtschen Sprachphilosophie. Die Frage nach dem Erkenntniswert der Ausführungen dürfte damit von der Perspektive abhängen, mit der man sich dem Thema nähert: In Hinblick auf eine Verwertbarkeit der Ergebnisse in den Disziplinen der kognitiven Linguistik o‑der der Politolinguistik wie auch der kritischen Diskursanalyse fehlt es der Darstellung an methodischer Schärfe.