1. Einleitung
Berichte und Debatten über Migrationspolitik, u.a. Artikel zum und über den Umgang mit politischen Flüchtlingen und Kriegsflüchtlingen, zum Asylrecht, zu Entscheidungen der Bundesregierung hinsichtlich der Flüchtlingsfrage etc., sind seit nunmehr drei Jahren regelmäßiger Bestandteil der deutschen Medienberichterstattung. Insbesondere durch den Anstieg an Asylanträgen im Jahr 2014 auf 202.834 Erst- und Folgeanträge, und anschließend durch die mehr als Verdopplung an Anträgen im Jahr 2015 auf 476.649 Erst- und Folgeanträge[1] und einer so genannten Flüchtlingswelle, die kausal eng an den Begriff der Flüchtlingskrise gebunden ist, überschlugen sich die Nachrichten und Pressartikel 2015 und dann insbesondere im Jahr 2016 mit Schlagzeilen wie „Neue Flüchtlingswelle? Europa übersieht das Pulverfass Libanon“ (Hausner 2016: online) oder „Die große Furcht vor dem zweiten Flüchtlingsstrom“ (Sommerfeldt 2016: online). Anhand der Überschriften kann bereits festgestellt werden, dass das Wortfeld Natur, insbesondere die Wassermetaphorik, ein Bildspenderbereich zur Konzeptualisierung der (großen Anzahl an) Flüchtlinge(n) zu sein scheint. In Deutschland wurden im Jahr 2016, so Leubecher (03.01.2017: online), mehr Asylanträge als in allen anderen europäischen Staaten gestellt. So wurden in der EU insgesamt 988.000 Asylanträge bei entsprechenden Ämtern eingereicht, von denen rund zwei Drittel auf Deutschland entfielen. In Italien und Frankreich, die nach Deutschland Platz zwei und drei im „Ranking um Asylanträge“ einnehmen, wurden 85.000 Anträge bzw. 62.000 Anträge gestellt. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass Deutschland eine Sonderstellung einnimmt.
In anderen europäischen Ländern, wie bspw. Frankreich, wurde das Thema Flüchtlinge ebenfalls – häufig sehr emotional – diskutiert. Auch hier lassen sich Lexemverbindungen wie la crise des refugiés oder la crise des migrants und l’afflux de refugiés in den Medien finden. In Spanien hingegen hat die Thematik weniger Aufmerksamkeit erhalten und andere, national wichtige Themen wie z.B. die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens und dessen Sprachpolitik[2] oder die anhaltende Wirtschaftskrise, und die damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit, schafften es öfter im Jahr 2016 in die Schlagzeilen. Das mag zum einen an der Brisanz dieser Themen liegen, zum anderen wurden in Spanien weitaus weniger Asylanträge als in Deutschland und Frankreich gestellt[3]. Dennoch muss das Thema Flüchtlinge als europäisch relevante Problematik auch hier ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit erreicht haben, was sich durch die Vielzahl an Artikeln – im vorliegenden Artikel wurde der Monat Februar 2016 betrachtet – bestätigen lässt. Der damalige spanische Innenminister Díaz (2011-2016) verglich in einem Fernsehinterview im Juli 2015 die nach Europa strömenden Flüchtlinge mit einem Wasserschaden, was darauf hindeutet, dass auch in Spanien die Wassermetaphorik in der Politik (sowie in der Medienberichterstattung) gebräuchlich zu sein scheint.
Es como si tuviéramos una casa, con muchas goteras, que están inundando diversas habitaciones y en lugar de taponar esas goteras lo que hacemos es distribuir el agua que cae entre distintas habitaciones. (Díaz zitiert in eldiario.es: online)
Im Rahmen der vorliegenden Studie interessiert der bildsprachliche Umgang mit der Flüchtlingskrise in Spanien, d.h. die metaphorische Konzeptualisierung von Flüchtlingen. Hierbei sollen zwei Fragestellungen in den Fokus gerückt werden:
I. Welche sprachlichen Bilder, i.e.S. Metaphern werden für Flüchtlinge gebraucht?
II. Können Unterschiede in der bildsprachlichen Darstellung in verschiedenen Tagesblättern – einem eher linksliberalen und einem eher konservativ ausgerichteten – festgestellt werden?
In der vorliegenden Studie wurden online-zugängliche Presseartikel aus dem Jahr 2016 (Monat Februar) aus La Razón und El País zur Metaphernanalyse ausgewählt. Die Bestimmung der sprachlichen Metaphern (in Abgrenzung zum wörtlichen Gebrauch von Lexemen und Lexien) erfolgt auf Basis von linguistischen Kriterien, die unter Abschnitt 2 erläutert werden. Es handelt sich bei der vorliegenden Studie um eine qualitative Arbeit, die an Müllers Ergebnisse aus dem Jahr 2016 anschließt, die in ihrer Arbeit durch den Vergleich von je vier Artikeln aus La Razón und El País aus den Monaten Januar bis März 2016 die Flüchtlingsdebatte in Spanien untersucht hat. Die Ergebnisse ihrer Arbeit, die unter Abschnitt 3 darstellt werden, sollen mit denen der vorliegenden Studie verglichen und ggf. um neue Erkenntnisse ergänzt oder aber widersprüchliche Ergebnisse diskutieren. Hierbei wird jedoch nur auf die metaphorische Darstellung von Flüchtlingen (refugiados, migrantes) des Syrienkrieges[4] Bezug genommen; andere, nah an die Thematik geknüpfte semantische Felder wie Migration, Flüchtlingspolitik Europas etc. werden aus fokussierenden weitgehend ausgeblendet, da Darstellungen weiterer metaphorisch strukturierter Konzepte, die im Zusammenhang mit Flüchtlingen auftreten, den Rahmen des Artikels sprengen würden. Auf einige interessante und repräsentative Konzeptualisierungen, die sich sprachlich nachweisen lassen, wird unter Abschnitt 3 und 4 hingewiesen und ihre detaillierte Analyse kann als Forschungsdesideratum verstanden und dargestellt werden.
2. Konzepte und Sprache
Der Ansatz der kognitiven Semantik geht von der Prämisse aus, dass sich das menschliche Denken in der Sprache widerspiegelt und man durch die Erforschung von sprachlichen Strukturen Rückschlüsse auf kognitive Strukturen, menschliche Denkprozesse und unbewusste Weltbilder ziehen kann. Sprache als „fenêtre ouverte sur notre conceptualisation du monde“ (Vandeloise 1991: 97) ist folglich DAS Medium, durch das sich verschiedene mentale Konzepte des menschlichen Geistes rekonstruieren lassen. Konzepte werden als
nicht-linguistische, mentale Repräsentationen von Entitäten der Welt bzw. [als] so genannte Basisstrukturen des menschlichen Geistes [und Denkens], die zur Determinierung von Kategorien gebildet werden (Plötner 2014: 27)
definiert. Durch Konzeptbildung werden Erfahrungen kategorisiert: Entweder werden Erfahrungen einem bereits existierenden Konzept zugeordnet oder aber es wird ein Konzept neu aufgebaut oder erworben. Diesem Ansatz folgend geht Murphy (2004: 389-391) sogar so weit zu behaupten, dass Lexeme erst durch die Bindung an Konzepte ihre Bedeutung erhalten würden. Auch würden nicht alle Konzepte sprachlich verbalisiert, denn Konzepte für Stimmungen werden bspw. eher nonverbal – etwa durch Mimik oder Gestik – ausgedrückt.[5] Des Weiteren können Lexeme an verschiedene Konzepte geknüpft sein. Glucksberg (2001: 16) zeigt dies am Beispiel vom Lexem Eier auf, das sowohl an das Konzept Lebensmittel, als auch an das Konzept menschliches Organ geknüpft ist. Zudem referiert das Lexem Ei in bestimmten Kontexten auf das tierischen Konzeptsystem, das um eine Eizelle aufgebaut wird, um deren Inhalt zu schützen.
Metaphern zur Beschreibung von abstrakten Konzepten, wie z.B. Liebe, Sehnsucht, Zeit oder auch Krise(n), sind in europäischen Sprachen weit verbreitet: Lakoff & Johnson (1980) – verstanden als Wegbereiter der kognitiven Metaphertheorie[7] –, aber auch Lakoff & Turner (1989), Sweetser (1991), Boers (1996), Baldauf (1997), Blumenberg (1998), Jäkel (2003), Sánchez Corbacho (2009), Plötner (2014) etc. haben sich mit der metaphorischen Konzeptualisierung abstrakter Konzepte in verschiedenen europäischen Sprachen beschäftigt. Auch nicht-abstrakte Konzepte, zu denen das Konzept Flüchtlinge gezählt werden kann (da es sich auf Lebewesen bezieht), sind durch Metaphern strukturiert. Die Argumentation der metaphorischen Strukturierung von Konzepten, und generell die Annahme eines metaphorischen Gebrauchs von Lexemen, die nicht nur in der kognitiven Semantik geläufig sind, gehen auf bestimmte Kriterien zurück, die im Folgenden näher erläutert werden.
Plötner (2014: 79) führt unter der Frage „Wie metaphorisch ist die Metapher?“ fünf Kriterien an, die für die Definition und zur Bestimmung von metaphorischer Bedeutungen (im Gegensatz zur wörtlichen Bedeutung von Lexemen) in Metaphertheorien entscheidend sind: 1) Kriterium der Diachronie, 2) Kriterium der Frequenz, 3) Kriterium der Kontextunabhängigkeit, 4) Kriterium der Logik und 5) Kriterium des Raumes.
Die wörtliche Bedeutung von Lexemen wird also anhand dieser Kriterien bestimmt: Das heißt bspw., dass die zeitlich früheste bekannte Bedeutung eines Lexems als dessen wörtliche Bedeutung anerkannt wird (Kriterium der Diachronie), später auftretende Bedeutungen werden als metaphorisch definiert, sofern in ihnen ein „metaphorical mapping“ festgestellt werden kann. Nach dem Kriterium der Frequenz wird die am häufigsten assoziierte Bedeutung eines Lexems, d.h. seine außerhalb eines sprachlichen Kontextes von Sprechern assoziierte Bedeutung als wörtlich anerkannt (Kriterium der Kontextunabhängigkeit); von dieser Grundbedeutung entfernte Bedeutungen, die in sprachlichen Kontexten entstehen können, gelten als übertragen und damit metaphorisch. Zudem werden die am logischsten erscheinende Bedeutung (Kriterium der Logik) – Basis sind hier reale Gegenstände und Körpererfahrung – und/oder die auf Raum und Körper beruhende Bedeutung eines Lexems (Kriterium des Raumes) als wörtliche Bedeutungen definiert. Ein Lexem oder eine Lexie wird also dann zur Metapher, wenn es/sie im sprachlichen Kontext nicht mehr auf etwas Reales, in der physischen Welt Erfahrbares referiert, sondern für andere, oftmals abstrakte Sachverhalte und Konzepte gebraucht wird, wie z.B. in Zeit gewinnen (Metapher) im Gegensatz zu Geld gewinnen (keine Metapher).
In zahlreichen Metaphertheorien kann ein oder können mehrere dieser Kriterien – auch wenn sie nicht explizit genannt werden – als Grundlage der Definition von Metaphern bestimmt werden. In der kognitiven Metaphertheorie bilden vor allem Kriterien 4 und 5 die Basis für die Bestimmung von Metaphern. Lakoff & Johnson ([1980] 2005: 4-5) nehmen auf Basis des Kriteriums der Logik und des Raumes an, dass Lexeme wie attackieren und angreifen dem Bereich des Krieges zuzurechnen sind. Wenn sie auf Bereiche wie „Argumentation“ angewendet werden, wie bspw. in er hat jeden Schwachpunkt meiner Argumentation angegriffen, so seien sie Ausdruck einer konzeptuellen Metapher; das Konzept Argumentation werde folglich metaphorisch durch das Konzept Krieg strukturiert.
Das Kriterium der Diachronie, der Frequenz und der Kontextunabhängigkeit werden hingegen in der kognitiven Metaphertheorie vernachlässigt. Würde man mit größerer Sicherheit bestimmen wollen, ob es sich tatsächlich um die Strukturierung eines abstrakten Konzeptes durch ein nicht-abstraktes Konzept handelt, müssten auch weitere Kriterien Anwendung finden. Allein die bloße Annahme (nach dem Kriterium des Raumes und der Logik), dass bspw. Zeit ein durch den Raum strukturiertes Konzept ist, reicht nicht aus, da sich auch Belege dafür finden lassen, dass bestimmte Zeitlexeme und Zeitlokutionen auf den Raum übertragen wurden und folglich Raum in bestimmten Bereichen auch durch das Zeitkonzept beeinflusst wird oder aber bestimmte, als räumlich definierte Lexeme und lexematische Einheiten kaum räumlich gebraucht werden (cf. Plötner 2014: 310-314). Es ist also fraglich, ob „Raum“ und all das, was zu diesem Konzept zählt, grundsätzlich als primäre Bedeutung zu definieren ist.
Nichtsdestotrotz ist die kognitive Metaphertheorie für einen ersten Überblick über die Strukturierung eines Diskurses, hier den medialen Diskurs zu Flüchtlingen in Europa bzw. zur Flüchtlingskrise, äußerst hilfreich. Insofern wird in der vorliegenden Studie auf Basis der Kriterien drei, vier und fünf (Kriterium der Kontextunabhängigkeit, Kriterium der Logik, Kriterium des Raumes) gearbeitet. Zur vollständigen Überprüfung der Metaphorizität des jeweiligen Lexems, der lexematischen Einheit oder der Satzstruktur wären jedoch eine diachrone und synchrone Analyse zum Gebrauch des als metaphorisch bestimmten Elements notwendig. Insofern bleibt die Klassifizierung als Metapher eine vom Forscher/von der Forscherin selbst bestimmte intuitive Kategorie, die jedoch durch die Darstellung der Definitionskriterien und der Methode die Generierung des Datenkorpus offengelegt wird und auf deren Implikationen für die Analyse hinweist.
3. Die Flüchtlingskrise in spanischen Presseartikeln
3.1 Pressesprache und Migration
Medien spielen, so Böhm (2015: 267), eine „wesentliche Rolle bei der Behandlung der Immigrationsthematik“, da sie sowohl „‘medialer Vermittlerʼ“ (zwischen Politikern und Bevölkerung) als auch „‘aktiver Akteur bzw. Mitgestalter bei der Darstellung einer bestimmten sozialen Realitätʼ sind. Die Sprache der Presse wird vor diesem Hintergrund metaphorisch ausgedrückt als ein Spiegel der Gegenwartssprache verstanden. Die mitunter sehr negative Konnotation des Begriffs Migration, die Böhm in ihrem Korpus feststellen konnte, ist, wie sie schreibt, bspw. „weniger in Südamerika zu finden“ (2015: 267). Die Definition und insbesondere die Konnotation eines Lexems oder einer lexematischen Einheit, und folglich auch die (Teil)Konzipierung eines Konzeptes, können nicht über Wörterbücher zufriedenstellend bestimmt werden, da diese nicht die tatsächliche Verankerung mit all den möglichen Assoziationen und Implikationen in einer Gesellschaft darstellen (können). Insofern kann die Analyse von Pressesprache zur Feststellung des Bedeutungsumfanges einzelner Lexeme und lexematischer Einheiten herangezogen werden.
Die Schriftstellerin Juli Zeh (2015: online) kritisiert den „rhetorisch falschen“ Umgang mit Migration und folglich mit der Flüchtlingsdebatte. Sie prangert in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Metaphern wie Flüchtlingsströme und brechende Dämme an, die z.T. unreflektiert von den Medien gebraucht würden. Vor allem in Überschriften werden Metaphern – teils unreflektiert, teils bewusst, um bestimmte Gefühle und Gedanken im Rezipienten zu evozieren – gebraucht, da potentielle Leser für den Artikel bzw. die Zeitung interessiert respektive gewonnen werden sollen (cf. Osthus 1998: 153). Wie auch Böhm (2015) stellt Zeh fest, dass Politiker und Journalisten Bilder über Migration und Flüchtlinge kreieren, die Angst schüren sollen und so, wie Zeh sagt, zu einer fehlenden Bereitschaft der Bevölkerung führen, sich mit Migration fruchtbar auseinander zu setzen und Hilfe zu leisten.
Es geht mir jetzt nicht um so eine abstrakte Political Correctness, sondern es geht einfach darum, dass wir uns klarmachen, dass wir schon jahrzehntelang, nicht erst seit einigen Wochen mit diesem Problem rhetorisch falsch umgehen, und wir erleben jetzt gerade, was das bedeutet und was daraus resultiert, nämlich die fehlende Bereitschaft, die fehlende Fähigkeit der Menschen im Land, mit dem Problem fertig zu werden, weil sie rhetorisch schon völlig falsch darauf vorbereitet worden sind. (Zeh 2015: online)
Zeh folgt hier – unbewusst der kognitiven Metaphertheorie, wenn sie darlegt, dass durch den Gebrauch bestimmter Sprachstrukturen im Kontext von Migration, das Gesamtkonzept strukturiert und folglich auch die Einstellung gegenüber dem Thema und der Personengruppe der Migranten und insbesondere der Flüchtlinge beeinflusst wird. Dies trifft auch für die Bild-Text-Relation im Flüchtlingsdiskurs zu und müsste deutlicher herausgearbeitet werden. Denn wenn in den Medien ausschließlich Bilder von strömenden Massen an Menschen an den europäischen Grenzen und Bahnhöfen gezeigt werden, so kann durchaus die Vorstellung entstehen, dass eine kaum zu kontrollierende und zu beherbergende Anzahl an Menschen nach Europa und Deutschland einreise. Zumal die Realität deutlich gezeigt hat, dass Deutschland durchaus, insbesondere zunächst das Bundesland Bayern, mit der Vielzahl an einreisenden Menschen überfordert war, was u.a. zu medialen Bezeichnungen wie Flüchtlingskrise führte.
3.2 Der spanische Flüchtlingsdiskurs und seine Metaphern (Müller 2016)
In ihrer Abschlussarbeit hat Müller (2016) auf Basis der kognitiven Metapherntheorie nach Lakoff & Johnson (1980) Metaphern zu den von ihr bestimmten Themenfeldern „Flüchtlingspolitik“, „Migration“, „Europa / Länder“ und „Flüchtlingskrise“ qualitativ untersucht. Dabei konnte sie in ihrer Arbeit folgende metaphorische Konzepte bestimmen, die den medialen Diskurs in den angegeben spanischen Tageszeitungen maßgeblich strukturieren:
Flüchtlingspolitik | ist Kampf / Krieg ist Weg ist Handel ist Jagd ist Wettbewerb ist Experiment |
Migration | ist Bedrohung ist Naturkatastrophe ist Wasser ist Spiel ist fahrendes Objekt ist Entität |
Europa / Land | ist Haus ist Käfig ist (Gäste-)Zimmer |
Flüchtlingskrise | ist Theater ist Bedrohung ist Flächenbrand |
Tabelle 1: Metaphorische Konzepte des spanischen Flüchtlingsdiskurses
nach Müller (2016: 38)
Da in der von mir durchgeführten Studie die metaphorische Konzipierung von Flüchtlingen fokussiert wird, ist der zweite Bereich „Migration“ von besonderem Interesse. Unter diesen Bereich fasst Müller (2016: 29) das metaphorische Konzept Flüchtlinge sind aufteilbare Substanz / Objekte, das sie ausschließlich in El País in sprachlichen Formulierungen wie el reparto de refugiados, reubicaciones de refugiados und el derecho de otros países de reenviarles los refugiados feststellt. Zur konzeptuellen Metapher Migration als fahrendes Objekt zählt Müller die sprachlichen Ausdrücke frenar las salidas de refugiados, frenar los flujos und Austria ralentiza la circulación, ebenfalls nur in El País nachweisbar. Unter die konzeptuelle Metapher Migration ist Naturkatastrophe fasst Müller (2016: 30-32) u.a. el éxodo que hace tremblar los cimientos de la Unión Europea, la ola de refugiados amenaza con tumbar al Gobierno (beide Beispiele aus La Razón) und la elevada presión de refugiados sowie oleada de personas (beide in El País). Sie reflektiert dabei, dass z.B. la elevada presión der Wassermetaphorik zugerechnet werden könne, da „bei einer Flut Druck auf Dämme“ ausgeübt werde und diese folglich „aufgrund des hohen Wasserdrucks zu brechen drohen“ (Müller 2016: 31). Folglich sieht Müller die Wassermetapher als konzeptuelle Submetapher des metaphorischen Konzepts Migration ist Naturkatastrophe.
Je nach konzeptueller Metapher ordnet Müller sprachliche Ausdrücke verschiedenen Metaphern zu: So wird bspw. el éxodo que hace tremblar los cimientos de la Unión Europea einerseits der konzeptuellen Metapher Migration ist Naturkatastrophe zugeordnet, wobei der semantische Fokus auf der verbalen Struktur hace tremblar liegt. Andererseits findet man die sprachliche Formulierung auch unter der Metapher Europa ist Gebäude, die auf die nominalen Gruppe los cimientos fokussiert (cf. Müller 2016: 34).
Müller kann in ihren Untersuchungen eine geringere Anzahl an Metaphern zum Flüchtlingsdiskurs in La Razón im Vergleich zur Anzahl an Metaphern in El País verzeichnen. Allerdings seien die Metaphern in El País nicht „unsachlich“ und die „sprachlichen Bilder in Bezug auf die Flüchtlingsthematik“ in La Razón „drastischer“ (Müller 2016: 47). Diese Schlussfolgerung scheint etwas subjektiv geprägt. Untermauert wird diese Aussage jedoch durch eine Bestimmung der Anzahl von verschiedenen Bezeichnungen, die für Flüchtlinge in Müllers Korpus gebraucht werden: in El País wird 11mal migrantes verwendet, wohingegen das Lexem in La Razón kein einziges Mal gebraucht wird und häufiger refugiados (22mal) oder inmigrantes (3mal) Anwendung findet. Dies deutet auf eine deutlich andere Grundhaltung und eine andere semantische Rahmung der Flüchtlingskrise hin in den jeweiligen Tageszeitungen hin.
4. Korpusanalyse
4.1 Korpus und methodologisches Vorgehen
Im vorliegenden Artikel solles zunächst darum gehen, Metaphern des spanischen Flüchtlingsdiskurses, die im Zusammenhang mit dem Konzept Flüchtlinge gebraucht werden, zu bestimmen und zu analysieren. Hierfür werden die Kriterien der Kontextunabhängigkeit, der Logik und des Raumes zur Bestimmung der metaphorischen Bedeutung von Lexemen oder Lexien herangezogen. Im weiteren Verlauf der Analyse wird dann auf den Vergleich zwischen den Tagesblättern El País und La Razón hinsichtlich des metaphorischen Sprachgebrauchs fokussiert.
Die Tageszeitung El País, die im Jahr 1976 das erste Mal erschien, gilt als linksliberal und hat in der Zeit der spanischen Transición eine bedeutende Rolle gespielt, da sie sich am 23. Februar 1981 – dem Tag des Putschversuchs, an dem Spanien hätte erneut eine Diktatur werden können – zu den demokratischen Grundwerten bekannte. El País ist die größte Tageszeitung Spaniens (cf. faz.net und mediadb.eu[11]). La Razón wurde 1998 gegründet, gehört zur Grupo Planeta und steht der katholischen Kirche nah. Sie wirbt neben den Tageszeitungen El Mundo und ABC um die konservativ eingestellte Leserschaft Spaniens (cf. eurotopics.net[12]) und zeichnet sich durch eine relative Regierungfreundlichkeit aus.
Für die Analyse der sprachlich-metaphorischen Darstellung von Flüchtlingen in spanischsprachigen Medien (aus Spanien), wurden zunächst alle im Monat Februar 2016 – dem Monat der Westbalkan-Konferenz und des daraus resultierenden europäischen Entschlusses, die Balkanroute zu schließen – erschienenen Artikel in den Tagesblättern El País und La Razón nach formal-semantischen Auswahlkriterien gelistet und anschließend sieben Zeitungsartikel aus den zwei Tageszeitungen zur weiteren Analyse für die vorliegende Studie ausgewählt.
Die Kriterien zur differenzierten Textauswahl (graue Markierung der Texte) – um korpusbasierte Studien im Rahmen dieser Studie durchzuführen – wurden definiert, um eine Varianz an sprachlichen Formulierungen zu garantieren. Folgende formale Kriterien wurden angesetzt:
a) Mindestanzahl von Wörtern (ab 600) (=Umfang des sprachlichen Materials pro Artikel)
b) Angabe des Autors/der Autorin muss vorhanden sein
c) Möglichst verschiedene Autoren (mindestens 5) (=Varianz an autorenspezifischen sprachlichen Wendungen)
d) Keine Artikel des gleichen Publikationsdatums (=Themenvarianz innerhalb des Flüchtlingsdiskurses)
e) Keine Interviews
4.2 El País
Das Korpus zu El País setzt sich aus im Februar erschienenen, online-publizierten Artikeln, zusammen. Die Listung beinhaltet all diejenigen Artikel, die unter der Seite https://elpais.com/tag/crisis_migratoria_europa/ abgerufen werden können und die die crisis migratoria bzw. die crisis de refugiados thematisieren. Allerdings treten in der Rubrik u.a. auch einige Artikel zum Brexit auf, die in die Listung (Tabelle 2) nicht aufgenommen wurden, auch wenn möglicherweise im gleichen Artikel die crisis de refugiados (als mögliche Ursache für den Austritt) angeführt wird. Unter einigen Überschriften/Links der Rubrik sind nur Bilder und keine Artikel oder ausschließlich kurze Notizen gespeichert. Diese Art der Subtextsorte wurde in der Listung ebenfalls nicht berücksichtigt.
Die im Folgenden sieben grau markierten Artikel wurden für die weitere, detaillierte Metapheranalyse ausgewählt (Kriterien zur Artikelauswahl siehe 4.1). Die sieben ausgewählten Artikel aus El País umfassen 5.180 Lexeme und 26.590 Zeichen (ohne Leerzeichen).
Lauf. Nr. | Publikations-datum | Titel | Autor(innen) / Autor(en) |
1 | 01/02/2016 | Campo de refugiados de Idomeni | CLAUDIO ÁLVAREZ MARÍA ANTONIA SÁNCHEZ-VALLEJO |
2 | 02/02/2016 | Cerrar las fronteras, no. Acción inmediata, sí | GUY VERHOFSTADT |
3 | 02/02/2016 | ¿Está ganando Daesh la guerra? | M. A. BASTENIER |
4 | 02/02/2016 | Tras las bombas, los menores refugiados afrontan las mafias | MARÍA ANTONIA SÁNCHEZ-VALLEJO |
5 | 03/02/2016 | La UE activa el pago de 3.000 millones a Turquía para refugiados | LUCÍA ABELLÁN |
6 | 04/02/2016 | ‘Hamlet’ sale a escena ante los refugiados de la ‘jungla’ de Calais | ANGABE: EL PAÍS |
7 | 04/02/2016 | Los países prometen 9.000 millones para los refugiados sirios | PABLO GUIMÓN |
8 | 04/02/2016 | Cuatro gráficos para entender la crisis humanitaria de los sirios | FELIPE SÁNCHEZ |
9 | 04/02/2016 | Alemania ya pasó por esto | LUIS DONCEL |
10 | 05/02/2016 | Turquía refuerza los controles en la frontera con Siria | ANDRÉS MOURENZA |
11 | 06/02/2016 | La ‘retirada táctica’ de Tsipras | MARÍA ANTONIA SÁNCHEZ-VALLEJO |
12 | 07/02/2016 | Un respiro para los refugiados | ANGABE: EL PAÍS |
13 | 08/02/2016 | Más de 20 muertos en un naufragio frente a Turquía | AGENCIAS |
14 | 08/02/2016 | Merkel pedirá a la OTAN que ayude en la crisis de los refugiados | LUIS DONCEL LUCÍA ABELLÁN |
15 | 08/02/2016 | ‘Refugees welcome’, pero cada vez menos | LUIS DONCEL |
16 | 08/02/2016 | El frente de los rebeldes sirios en Alepo se desmorona | ANDRÉS MOURENZA |
17 | 08/02/2016 | Aumentan las agresiones contra refugiados gais en Holanda | ISABEL FERRER |
18 | 09/02/2016 | La OTAN se muestra reacia a actuar en la crisis de refugiados | LUCÍA ABELLÁN MIGUEL GONZÁLEZ |
19 | 10/02/2016 | Bruselas presiona a Grecia y Turquía por los refugiados | LUCÍA ABELLÁN |
20 | 10/02/2016 | El rescate del único sobreviviente de un naufragio con 33 muertos | ANGABE: EL PAÍS |
21 | 10/02/2016 | Turquía levanta un muro para sellar su frontera con Siria | ANDRÉS MOURENZA |
22 | 11/02/2016 | La OTAN envía buques al Egeo contra el tráfico de refugiados | ÓSCAR GUTIÉRREZ |
23 | 13/02/2016 | Salvar vidas | JOSÉ IGNACIO TORREBLANCA |
24 | 14/02/2016 | “Europa se amuralla para impedir conflictos como el de los refugiados” | JUAN CRUZ |
25 | 15/02/2016 | Canadá abre los brazos a los refugiados sirios más vulnerables | NATALIA SANCHA |
26 | 16/02/2016 | Grecia afirma tener listos cuatro puntos de registro migratorio | AGENCIAS |
27 | 16/02/2016 | Austria sella su frontera sur para frenar a los refugiados | ENRIQUE MÜLLER |
28 | 18/02/2016 | Bruselas busca acelerar la devolución a Turquía de migrantes | LUCÍA ABELLÁN |
29 | 18/02/2016 | Bruselas avisa de que limitar la entrada de asilados es ilegal | LUCÍA ABELLÁN |
30 | 18/02/2016 | La costa belga, nueva ruta migratoria hacia Reino Unido | BELÉN DOMÍNGUEZ CEBRIÁN |
31 | 19/02/2016 | Los líderes fracasan en lograr avances en la crisis migratoria | LUCÍA ABELLÁN BELÉN DOMÍNGUEZ CEBRIÁN |
32 | 19/02/2016 | Austria desafía a la UE al activar el cupo diario de llegada de refugiados | ENRIQUE MÜLLER |
33 | 19/02/2016 | La reina de Europa pierde su corona | LUIS DONCEL |
34 | 21/02/2016 | Demasiadas señales de peligro | SOLEDAD GALLEGO-DÍAZ |
35 | 21/02/2016 | Vecinos de Sajonia celebran el incendio de un centro de refugiados | ENRIQUE MÜLLER |
36 | 22/02/2016 | Alemania alerta del riesgo de que la violencia xenófoba cause muertos | LUIS DONCEL |
37 | 22/02/2016 | La saharaui Aziza Brahim canta contra el drama de los refugiados | ANGABE: EL PAÍS |
38 | 22/02/2016 | Europol crea un centro para luchar contra el tráfico de migrantes | ISABEL FERRER |
39 | 22/02/2016 | La alemana que sí gana con la crisis de refugiados | LUIS DONCEL |
40 | 23/02/2016 | Los controles en Bélgica agravan la crisis de los refugiados | LUCÍA ABELLÁN BELÉN DOMÍNGUEZ CEBRIÁN |
41 | 24/02/2016 | Amnistía acusa a 30 países de devolver refugiados ilegalmente | MARÍA SOSA TROYA |
42 | 24/02/2016 | Orbán desafía a la UE con una consulta sobre el reparto de asilados | LUCÍA ABELLÁN |
43 | 25/02/2016 | La serpiente | JULIO LLAMAZARES |
44 | 25/02/2016 | Las políticas nacionales lastran una solución de la UE a los refugiados | LUCÍA ABELLÁN |
45 | 25/02/2016 | La justicia francesa autoriza el cierre de parte del campo de Calais | ANA TERUEL |
46 | 25/02/2016 | La OTAN y la crisis migratoria y de refugiados | JENS STOLTENBERG |
47 | 25/02/2016 | Barcos de la OTAN inician la misión contra los traficantes | LUCÍA ABELLÁN |
48 | 25/02/2016 | El abandono absoluto de los migrantes sin papeles en Libia | FRANCISCO PEREGIL (ENVIADO ESPECIAL) |
49 | 26/02/2016 | Los países de la ruta balcánica solo dejarán pasar a 580 migrantes al día | LUCÍA ABELLÁN |
50 | 28/02/2016 | De mal en peor | ANGABE: EL PAÍS |
51 | 28/02/2016 | Los refugiados y los gorrones | JOAQUÍN ESTEFANÍA |
52 | 29/02/2016 | Los migrantes buscan romper el bloqueo de la frontera macedonia | AGENCIAS |
53 | 29/02/2016 | Francia inicia el desalojo de más de mil migrantes en Calais | GABRIELA CAÑAS |
54 | 29/02/2016 | Bruselas ultima un plan de ayuda urgente para atender a refugiados | LUCÍA ABELLÁN |
Tabelle 2: Artikel zur Flüchtlingskrise in El País im Februar 2016
4.3 La Razón
Das Korpus zu La Razón setzt sich aus im Februar erschienenen, online-publizierten Artikeln der Tageszeitung zusammen. Die Listung beinhaltet alle Artikel, die unter der Seite http://www.larazon.es/busquedas abgerufen werden können und die thematisch auf die crisis migratoria bzw. die crisis de refugiados fokussieren. Suchbegriffe, die zur vollständigen Erfassung aller in der Zeit publizierten Artikel gedient haben, waren: refugiados (98 Treffer bei refugiados, davon hier dann aus im Folgenden noch zu klärenden inhaltlichen Einschränkungen 43 gelistet), crisis, crisis migratoria und refugio. Einige Rubriken, wie bspw. Guerras y conflictos und Guerra en siria, unter denen zwar Artikel zum Syrienkrieg publiziert wurden bzw. die dramatischen Umstände im Land beschrieben werden, die aber nicht direkt Bezug auf die Flüchtlingskrise in Europa nehmen, wurden aus dem Korpus gelöscht. Unter dem Suchbegriff refugiados waren alle – auch in den anderen Rubriken z.T. gelisteten Artikel auffindbar. Im untersuchten Korpus in Tabelle 3 sind nur die mit der europäischen Flüchtlingskrise im Zusammenhang stehenden Artikel gelistet, d.h. Berichte zum Syrienkrieg ohne Europabezug oder Berichte über bspw. Russlands Rolle im Syrienkrieg fallen nicht unter diese Kategorie, erscheinen aber als Treffer unter dem Suchbegriff refugiados auf der Webseite des Tagesblattes. Aus dem Korpus der Tabelle 3 wurden sieben Artikel zur weiteren Analyse ausgewählt (Kriterien zur Artikelauswahl siehe 4.1), diese sind hier grau markiert. Die ausgewählten Artikel umfassen 5.008 Lexeme und 24.870 Zeichen (ohne Leerzeichen).
Lauf. Nr. | Publikations-datum | Titel | Autor(innen) / Autor(en) |
1 CM | 01/02/2016 | Más de 3.000 sirios cruzan hacia Turquía en los tres últimos días | Reuters/Ep |
2 | 01/02/2016 | Los médicos recomiendan un protocolo de salud para los refugiados que lleguen a España | B. Rodrigo |
3 | 02/02/2016 | El drama de los niños perdidos | Keine Angabe |
4 CM | 02/02/2016 | Denuncian la situación de los menores refugiados: «Abusan de ellos y los abandonan» | Ethel Bonet |
5 | 02/02/2016 | El drama de la inmigración centrará una Berlinale densa, animada por Clooney | Gemma Casadevall |
6 CM | 03/02/2016 | Más de 62.000 refugiados llegaron a Grecia en enero | Esther S. Sieteiglesias |
7 CM | 05/02/2016 | Agramunt opina que la crisis de los refugiados no se resuelve con un barco | L. CH. |
8 CM | 05/02/2016 | Alemania admite un «tapón» inaceptable en las peticiones de asilo para refugiados | Gemma Casadevall |
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20 CM | 13/02/2016 | La UE da tres meses a Grecia para controlar sus fronteras o cerrará Schengen | Lidia Soria |
21 UE | 14/02/2016 | «Grecia como parte inseparable de Schengen», por Dimitrios Papadimoulis | Dimitrios Papadimoulis |
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28 CM | 20/02/2016 | La UE vuelve a dar la espalda a los refugiados | Lidia Soria |
29 CM | 20/02/2016 | Vecinos de Sajonia «festejan» un incendio provocado en un albergue para refugiados | Keine Angabe |
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37 REF | 26/02/2016 | Orban, la anomalía europea | Pedro G. Poyatos |
38 UE | 26/02/2016 | Berlín desconoce el paradero del 13 % de los refugiados que acogió en 2015 | S.I. |
39 CM | 28/02/2016 | La crisis de refugiados abre en canal a la UE | Lidia Soria |
40 CM | 28/02/2016 | El epicentro de la violencia xenófoba | Itziar Matamoros - Enviada especial |
41 | 28/02/2016 | El Papa pide una respuesta conjunta ante el drama de los refugiados | Efe |
42 CM | 28/02/2016 | Barcelona urge a la UE vías seguras para evitar que mueran más refugiados | Montse Espanyol |
Tabelle 3: Artikel zur Flüchtlingskrise in La Razón im Februar 2016
4.4 Das Gesamtkorpus im Vergleich
Wie anhand der beiden Tabellen 2 und 3 ersichtlich wird, sind in El País laut Auszählung rund 29% mehr Artikel zum Thema ‘Flüchtlinge’ und ‘Flüchtlingskrise’ als in La Razón erschienen. Bis zu sechs Artikel pro Tag konnten in El País (25.02.1016) und vier Artikel in La Razón notiert werden. Der semantische Fokus der Überschriften ist dabei in summa ähnlich: Themen wie „Flucht“, „die Situation in den Flüchtlingslagern“ (hier u.a. auch auf Minderjährige fokussiert, 3LR, 4EP), „Reaktionen und Handlungen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten“ (vor allem ab dem 14.02.2016) sind feststellbar.
Das Operieren mit Zahlen in den Überschriften ist in beiden Tagesblättern feststellbar: La Razón: 1, 6, 11, 19, 23, 31, 38 und El País: 3, 7, 13, 20, 41, 49, 53; allerdings wird in La Razón häufiger auf die Anzahl der Flüchtlinge referiert. In La Razón werden zudem häufiger Zitate in den Artikelüberschriften gebraucht. El País berichtet in einem Artikel über Probleme von homosexuellen Flüchtlingen (17), La Razón widmet der Reaktion des Papstes auf die Flüchtlingskrise in einen Artikel (41) – Inhalte die durchaus auf die politische Ausrichtungen der Tagesblätter zurückgeführt werden können. Es fokussieren lediglich wenige Artikel des Monats Februar humanitäre Aspekte der Flüchtlingskrise (z.B. die Situation in Calais, die Situation von Minderjährigen etc.). Allerdings finden die gefährlichen Wege nach Europa und die vielen Menschen, die während der Flucht sterben, Erwähnung oder sind überdies zentraler Gegenstand einiger (weniger) Artikel. Einzelschicksale werden selten thematisiert und wenn dies in Ansätzen erfolgt, dann bleiben die betroffenen Personen anonym (z.B. 34LR) und ihre Gefühlslage wird wenig ausführlich erwähnt. Zusammenfassend betrachtet besteht das Ziel stets in der Darstellung der Situation in den Flüchtlingslagern und nicht in der Konzentration auf Individuen und deren Biographien.
In den untersuchten Artikeln – vor allem auch in La Razón – werden zudem die Negativhaltungen von bspw. Österreich und Ungarn sowie die fehlende Einigkeit und gegenseitige Unterstützung innerhalb der EU kritisiert. Zudem wird, und das ist interessant, die Haltung der spanischen Regierung und Bevölkerung zur Flüchtlingsfrage nicht diskutiert, was ein interessanter Aspekt ist, der in weiterführenden Forschungen zu diesem Thema untersucht werden sollte. Im Gegensatz zu einer reflexiven Perspektive auf die Befindlichkeiten in Spanien konzentriert sich die mediale Berichterstattung vielmehr auf die Handlungen und Haltungen der anderen europäischen Mitgliedsstaaten.
4.5 Metaphern
4.5.1 El flujo / los flujos
Die häufigste Metapher (11 Okkurrenzen in El País, 6 Okkurrenzen in La Razón), die sich zur Beschreibung der großen Anzahl an Flüchtlingen in beiden Tagesblättern finden lässt, ist el flujo bzw. los flujos. El flujo kann nach dem Kriterium der Logik und des Raumes dem Naturbereich zugeordnet werden. Auch im Sinne des Kriteriums der Kontextunabhängigkeit ist el flujo zum Naturbereich zu zählen, das Lexem kann als „movimiento de ascenso de la marea“ und als „acción y efecto de fluir“ (RAE: online) definiert werden. Ein Gebrauch im Zusammenhang mit menschlicher Bewegung ist nach den genannten Kriterien als metaphorisch einzustufen.
In El País finden sich meist Adjektive wie migratorio oder masivo oder aber präpositionale Anschlüsse im Kontext des Nomens flujo. Präpositionale Anschlüsse wie de migrantes oder de refugiados sowie das Adjektiv migratorio haben die Funktion, den Strom zu spezifizieren, da das Nomen selbst – wie bereits erwähnt – primär auf den Naturbereich referiert. Allerdings kann auch ein Gebrauch ohne Anschluss festgestellt werden, wie in (2).
(1) para contener el flujo y muerte de miles de refugiados (22EP)
(2) Aun así, la urgencia por frenar los flujos lleva a la UE a transitar esta vía (28EP)
(3) Los Veintiocho celebrarán una cumbre con Turquía a principios de marzo para frenar los flujos de migrantes (31EP)
(4) El punto de mayor acuerdo entre los líderes fue la necesidad en insistir a Turquía para que frene los flujos migratorios. (31EP)
(5) los flujos migratorios (33EP)
(6) En 2015, más de un millón de migrantes entró irregularmente en Europa, un flujo masivo “que ha tenido un profundo efecto en el panorama delictivo europeo” (38EP)
(7) por constituir la puerta de entrada del flujo migratorio (38EP)
(8) Otro flujo continuo, aunque menor, procede de India, Bangladés, China y Vietnam. (38EL)
Das Lexem flujo fokussiert semantisch die immense Zahl an Flüchtlingen, die ähnlich kleiner Wassertropfen oder Wassermoleküle, nicht mehr zählbar sind und über Europa strömen. Das Verb frenar tritt im Kontext des flujo verstärkt auf, vor allem im Zusammenhang mit den laufenden Verhandlungen mit der Türkei.
In La Razón wird dasselbe Bild des flujo gebraucht, allerdings werden neben dem Verb frenar noch weitere, stärker bildungssprachliche Verben wie trasladar und gestionar verwendet. Im Gegensatz zu El País wird das Lexem flujo/flujos in La Razón ausschließlich – außer in wörtlichen Zitaten (Bsp. 9) – mit adjektivischem oder präpositionalem Anschluss gebraucht. Dies zeigt sich in den folgenden Beispielen:
(9) De ahí que, en opinión del investigador y secretario de European Student, “otros países europeos deberían ayudar a Grecia en el registro en las fronteras para gestionar de manera eficiente el flujo”. (6LR)
(10) "No podemos esperar de Turquía que frene todo (el flujo de refugiados) y decir que de los contingentes hablaremos dentro de medio año. Esto no puede ser. Debe ir mano a mano", recalcó. (12LR)
(11) También Davutoglu dijo que iba a proponer incluir en la agenda de esta reunión el uso de los mecanismos de vigilancia y observación de la OTAN para frenar el flujo de refugiados. (12LR)
(12) el desmantelamiento de las redes de traficantes y el control de los flujos de refugiados. (21LR)
(13) los Estados miembros que asumen la mayor parte de los flujos migratorios (21LR)
(14) trasladó el flujo migratorio a sus vecinos (37LR)
Müller (2016) ordnet frenar los flujos und frenar las salidas de refugiados der ontologischen Metapher [hier bitte eine FN mit einer Erklärung und Referenz, was eine ontologische Metapher laut L&J ist] Migration ist fahrendes Objekt zu, was sie aber lediglich am Gebrauch des Verbs frenar bestimmt. Durch die Darstellung von Migration als fahrendes Objekt werden, so Müller (2016: 29) „der Aspekt der Dynamik sowie die Direktionalität unterstrichen“ .
Flujo(s) allein betrachtet wäre aber eher der konzeptuellen Metapher Migration ist Natur(katastrophe) bzw. Migration ist Wasser zuzurechnen. Insofern ist die Kombination aus frenar und flujo relativ ungewöhnlich und verdeutlicht, dass auch Wassermassen als fahrende(s) Objekt(e) konzeptualisiert werden. Das Verb frenar als primär für ein fahrendes Objekt gebrauchtes Lexem – „moderar o parar con el freno el movimiento de una máquina o de uncarruaje“ (RAE: online) – kann ebenfalls auf Personen im Sinne von „moderar los ímpetus“ (RAE: online) oder aber auf abstrakte Lexeme (z.B. crisis) angewendet werden (cf. pons.com). Es wäre zu überprüfen, ob frenar in der lateinischen Sprache (frenāre) bereits in verschiedenen semantischen Feldern gebraucht wurde und wann bzw. ob eine Übertragung von der mechanischen Bewegung auf geistige Vorgänge stattgefunden hat (=Kriterium der Diachronie zur Bestimmung von metaphorischer Bedeutung).
Das Verb frenar lässt sich auch außerhalb des Kontextes des Nomens flujo(s) finden, so bspw. In:
(15) frenar las salidas de refugiados (28EP)
(16) frenar las salidas hacia la UE (19EP)
(17) para que frenara las llegadas (8LR)
(18) para frenar a los “sin papeles” (37LR)
Um die Notwendigkeit eines Bremsens aufgrund der großen Anzahl (an Flüchtlingen) zu unterstreichen, werden Nomen, die dem Verb folgen, im Plural gebraucht. Das kann ebenso im Zusammenhang mit flujo(s) festgestellt werden.
Wie bereits in diesem Abschnitt erwähnt, tritt frenar häufig in Zitaten (mit Bezug zur Türkeipolitik) auf, was darauf schließen lässt, dass es auch in anderen Sprachen im Kontext von Migration gebraucht wird und hier möglicherweise ein interlingualer Transfer – wahrscheinlich nicht erst in den Jahren 2015 bis 2016 – stattgefunden hat. Das Lexem frenar wurde bereits im Vorfeld, also in den Vormonaten des hier zeitlich begrenzten Korpus, im Kontext der Flüchtlingskrise, aber auch in anderen Kontexten in spanischen Zeitungsartikeln verwendet (z.B. in frenar el flujo de armas, Fisas 2008: 32).
4.5.2 Weitere Naturmetaphern
Für den Bildspenderbereich ‘Wasser’ lassen sich im Korpus weitere Belege finden, in denen die Vielzahl an Flüchtlingen durch Lexeme aus diesem Bereich konzipiert werden:
(19) Al constante flujo migratorio que recorre Europa desde hace más de ocho meses se une ahora la previsión de una nueva oleada de llegadas (22EP)
(20) con la primavera llegue una nueva oleada de personas (33EP)
(21) frente a la mayor ola de refugiados desde la II Guerra Mundial (37LR)
(22) luchar contra la afluencia masiva de refugiados (28LR)
Das Lexem afluencia kann als lexikalisierte Metapher gewertet werden, da es nicht nur im Zusammenhang mit natürlichen Erscheinungen bzw. zur Bezeichnung von fließendem Wasser gebraucht wird, sondern auch als ‘Andrang’ definiert wird. Es ist u.a. im Zusammenhang mit Aufführungen (afluencia del público) und im Kontext von Wahlen (afluencia de votantes) zu finden (cf. Pons Jahreszahl [falls es das Wörterbuch sein sollte bitte in die Bibliographie aufnehmen und URL sowie Abrufdatum angeben). Hier wäre zu prüfen, ob und wann eine Übertragung des Lexems vom unbelebten Naturbereich auf die belebte Natur stattgefunden hat. Ola ist laut Definition im Wörterbuch der RAE (Akronym bitte erklären) als primär räumlich zu werten. Oleada kann in Analogie zu ola ebenfalls als primär räumlich klassifiziert werden, wird allerdings im Wörterbuch stets im Zusammenhang mit Personen (oleada de gente) angegeben (cf. RAE und pons: online).
Die genannten Nomina werden im Korpus durch intensivierende Adjektive (mayor, masiva) und/oder präpositionale Anschlüsse ergänzt, was im aktuellen Abschnitt noch genauer diskutiert werden wird. Die nominale Gruppe una nueva oleada de llegadas scheint eine sprachliche Konstruktion zu sein, die in ihrer Grundform una nueva oleada de X im Kontext von verschiedenen Themen (so z.B. auch im Bereich des Wetters) angewendet wird. Möglich wäre hier der unreflektierte Gebrauch der Konstruktion ohne direkten Bezug zur Wassermetaphorik, was aber in Beispiel (19) durch den gleichzeitigen Gebrauch des Lexems flujo verworfen werden kann. Der Autor baut hier bewusst eine Isotopie um den Bildspenderbereich ‘Wasser’ auf.
Müller kommentiert den durchaus problematischen Einsatz der Wassermetaphorik im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise in Spanien wie folgt:
Man kann es unmoralisch und befremdlich finden, wenn man bedenkt, wie viele Menschen bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, ihr Leben in den Fluten lassen mussten. (Müller 2016: 52)
Des Weiteren stellt die Autorin hinsichtlich der politischen Solidarität zwischen den europäischen Staaten Folgendes fest:
Wenn im wirklichen Leben Staaten von Naturkatastrophen heimgesucht werden, ist die internationale Solidarität für gewöhnlich groß. Ob finanziell oder symbolisch, man steht einander bei. Diesen Aspekt konnte die Metapher Migration ist Naturkatastrophe bisher jedoch nicht in die politische Rede übertragen, denn die Debatte ist von Alleingängen, Streit und Uneinigkeit geprägt. (Müller 2016: 53, Hervorhebung im Original)
Lexeme wie flujo, oleada, ola und afluencia können allerdings nicht per se dem Konzept Naturkatastrophe zugerechnet werden. Dem Kriterium der Kontextunabhängigkeit folgend sind bspw. ola und olear – letzteres Lexem wird definiert als „hacer o producir olas, como el mar“ (RAE: online) – zunächst einmal als Teilbewegungen des Meers zu verstehen. Eine Welle oder Wellen stellen noch keine Bedrohung dar; Naturkatastrophen sind im Gegensatz dazu durchaus eine Bedrohung, sie können bis zum Tod von Lebewesen führen. Allerdings führt insbesondere die Kombination aus den genannten Nomen und quantifizierenden Adjektiven wie masivo und mayor zur Kreierung einer Bedrohung dieser Wellen und Wasserströme, da sie „größer“ und „masiver“ als gewöhnlich sind. Auch die Darstellung als kontinuierlich (continuo, siehe Korpusbeispiel 8) führt zur Konzeptualisierung einer potentiellen Überschwemmung im Verlauf der Zeit. ‘Wasser’ als lebenspendendes Element ist weitaus positiver konnotiert als bspw. ‘Unwetter’, aber durch die adjektivische Quantifizierung bzw. den Gebrauch eines quantifizierenden Adjektivs, wird es zu einer Bedrohung stigmatisiert, die – wie in Artikel 28LR metaphorisch beschrieben – mit einem tapón reguliert werden soll. Der Gebrauch der Wassermetaphorik in Verbindung mit quantifizierenden Adjektiven zeigt, dass der Zustrom an Menschen bis zum damaligen Zeitpunkt als nur wenig kontrolliert bzw. außergewöhnlich stark empfunden wurde, und es konkreter Maßnahmen bedurfte, um diesen zu regulieren (zu bremsen), damit eine mögliche Naturkatastrophe werden konnte.
Weitere Naturmetaphern konnten im Zusammenhang mit Flüchtlingen für den genannten Untersuchungszeitraum nicht aufgefunden werden.
4.5.3 Metaphern der Bedrohung und Kampfmetaphorik
Das Bild der Bedrohung durch Flüchtlinge, gegen die es sich zu wehren gilt, kann im vorliegenden Korpus in einem Artikel in La Razón durch den Gebrauch des Verbs luchar nachgewiesen werden.
(23) luchar contra la afluencia masiva de refugiados e intentar que los demandantes de asilo se queden en el país y no lleguen a las costas europeas (28LR)
In einem weiteren Artikel in El País wird der Kampf gegen die illegale Einwanderung durch so genannte „Schlepper“ thematisiert, i.e.S. handelt es sich hierbei nicht um die Darstellung der Flüchtlinge als Bedrohung, sondern um den Kampf gegen Kriminelle.
(24) Europol crea un centro para luchar contra el tráfico de migrantes (38EP)
Der (Zwei-)Kampf referiert implizit auf die Verhandlungen mit der Türkei, so dass er sich folglich implizit gegen die Aufnahme von Flüchtlingen richtet, deren „Weiterleitung“ durch politische Maßnahmen der Türkei verhindert werden soll.
(25) El compromiso de desembolsar 3.000 millones de euros ya fue ratificado y servirá para ayudar a Ankara a gestionar uno de los mayores desafíos a los que se enfrenta Europa. (28LR)
Im Tagesblatt El País findet man folgende Abschnitte, die die Flüchtlingskrise als ‘Bedrohung’ oder ‘Druck’ darstellen, jedoch nicht einen Kampf gegen diese konstruieren.
(26) Grecia y Turquía son piezas clave en la gestión de la crisis de refugiados que afronta Europa (28EP)
(27) Pese a la elevada presión de refugiados que soporta (31EP)
Die Zuordnung des Lexems presión zur Wassermetaphorik (cf. Müller 2016: 31) lässt sich im vorliegenden Korpus nicht eindeutig bestätigen, da presión auf Lexeme wie flujo(s) keinen direkten Bezug nimmt, aber im Kontext der Metapher auftritt.
(28) La crisis de refugiados pone una presión adicional sobre el país en este esfuerzo y lo cierto es que los Estados miembros que asumen la mayor parte de los flujos migratorios, es decir, Grecia e Italia, deberían recibir un trato más suave de sus homólogos de la UE en relación con el gasto público. (21LR)
Das Lexem presión wird in El País insgesamt sechsmal gebraucht, in La Razón findet es nur einmal Anwendung. Hieraus könnte geschlossen werden, dass in El País die Bedrohung Europas oder einzelner Länder stärker konzipiert bzw. fokussiert wird als in La Razón, was jedoch noch genauer anhand einer umfassenderen datengrundlage und -analyse zu überprüfen wäre. Der Gebrauch des Lexems presión kann nicht nur im Zusammenhang mit einer großen Anzahl an Flüchtlingen festgestellt werden. Auch Staaten selbst können politischen Druck ausüben, etwa in Verhandlungsgesprächen mit Russland bezüglich der Bombardierung Syriens (im Artikel 12LR wird in diesem Zusammenhang allerdings das Verb presionar verwendet).
Beide Tageszeitungen halten zusammenfassend betrachtet mit Formulierungen aus dem Konzept Krieg und Kampf in den untersuchten Artikeln erstaunlicherweise – möglicherweise aus ethisch-moralischen Gründen – weitgehend zurück. Auf das Konzept Bedrohung wird aber im Zusammenhang mit flujos, oleada etc. und quantifizierenden Adjektiven sowie durch den Gebrauch des Lexems presión stetig Bezug genommen. Zudem unterstreicht der Gebrauch von Verben wie reducir, frenar, luchar, afrontar, gestionar das Konzept einer Bedrohung für Europa.
4.5.4 Weitere Beobachtungen zu Metaphern im Flüchtlingsdiskurs
Durch die hier durchgeführten Analysen kann festgestellt werden, dass sowohl in El País als auch in La Razón Flüchtlinge selten als Individuen Ausdruck finden. Sie erscheinen vielmehr als eine homogene Masse: Das belegt zum einen die Zuordnung zu Personengruppen wie migrantes, inmigrantes, refugiados, sin papeles etc. und zum anderen ist die metaphorische Konzeptualisierung einer großen Anzahl von Flüchtlingen als flujo, ola etc. maßgeblich an der Homogenisierung beteiligt. Einzelschicksale werden in den untersuchten Artikeln nur in Ansätzen bis gar nicht beleuchtet, es konnten keine Vornamen von Flüchtlingen gefunden werden.
Als Konsequenz der Konzeptualisierung als zu massive Wassermasse für einzelne Länder ist in vielen Artikeln die Auf- bzw. Verteilung der Flüchtlinge in Europa Gegenstand der Berichterstattung, etwa in el reparto de 160.000 (37LR), reparto de refugiados (19EP), montar un sistema de reparto de refugiados (33EP), la reubicación de refugiados (28LR). Anzumerken ist, dass im Korpus in El País das Lexem reparto achtmal, in La Razón nur einmal gebraucht wird. Das Verteilen von Menschen erscheint als Analogie zur Verteilung von Objekten, kann demzufolge unter Anwendung des Kriteriums der Logik („operación de repartir una cantidad“, RAE: online) als konzeptuelle Metapher Flüchtlinge sind Gegenstände gewertet werden, die stärker in El País Anwendung findet. Allerdings müssten hier noch weitere Bedeutungen des Lexems genauer untersucht werden (siehe Kriterien zur Bestimmung von Metaphern unter Abschnitt 2), um den metaphorischen Gebrauch des Lexems zu verifizieren. Unter anderem wäre zu klären, warum eine Verteilung von Menschen im Gegensatz zur Verteilung von Gegenständen, Lebensmitteln etc. als metaphorisch zu verstehen ist.
Interessant, jedoch hier für die Analyse von Metaphern zu Flüchtlingen zu weit führend, ist die metaphorische Konzeptualisierung von Europa im spanischen Flüchtlingsdiskurs. Auch durch eine Analyse dieser Darstellungen könnten Rückschlüsse auf die Konzepte Flüchtlinge und Migration geschlossen werden. In einigen Pressetexten wird Europa als Gebäude metaphorisch gerahmt, in das ein- und ausgetreten wird, was sich u.a. anhand des Gebrauchs von Lexemen wie salidas (19EP, 28EP, siehe Korpusbeispiele 16 und 17), entrada (15EP, 19EP, 38EP, 42LR), corredor seguro (42LR) und puerta (38 EP, 42LR) zeigen lässt. Zudem repräsentieren Metaphern wie dar la espalda (28LR, 37LR) die Haltung Europas gegenüber den ankommenden Flüchtlingen und repräsentieren folglich den Blick (auf diese „unwillkommenen Gäste“), der durch die Analyse der Tageszeitungen nachgezeichnet wird.
5. Fazit
Insgesamt betrachtet konnte keine eindeutig differente Konzipierung von Flüchtlingen im konservativen Tagesblatt La Razón im Vergleich zum linksliberalen Tagesblatt El País festgestellt werden. Das unterstreicht nur z.T. die Ergebnisse von Müller (2016), die u.a. schreibt, dass in El País zwar mehr Metaphern (insbesondere Naturmetaphern) gebraucht werden, diese aber weniger dramatisch (Müller gebraucht die Bezeichnung „drastisch“) als die in La Razón seien (cf. Müller 2016: 47). Sowohl in La Razón als auch in El País lassen sich ähnliche und sogar gleiche Naturmetaphern nachweisen. Die metaphorisch gebrauchten Lexeme aus dem Naturbereich (flujo(s), ola, oleada, afluencia) erfahren, wie gezeigt werden konnte, erst durch die Kombination mit quantifizierenden Adjektiven eine verstärkt negative Konnotierung. Eine Konzeptualisierung, wie z.B. als eindeutig gefährlich einzustufende Wassermasse (Tsunami), ließe sich in keinem Artikel nachweisen, was auf einen sprachlich vorsichtigen Umgang mit dem Thema ‘Migration’ in den untersuchten Tageszeitungen hinweist. Interessant wäre hier ein Vergleich mit anderen Sprachen und Ländern.
Müller (2016: 45) gibt zudem an, dass Flüchtlinge in La Razón stärker als Bedrohung dargestellt werden würden, was sich im vorliegenden Korpus ebenfalls nicht nachweisen ließ. Wie unter 4.5.3 dargestellt, sind es eher die Artikel aus El País, die die große Anzahl an Flüchtlingen als Druck auf einzelne Mitgliedsstaaten hervorheben. Auch die Konzeptualisierung von Flüchtlingen als Objekte, die verteilt werden sollen, ist fast ausschließlich in El País zu finden und steht möglicherweise semantisch mit dem Konzept der Bedrohung in Verbindung.
Vor dem Hintergrund dieser ersten Ergebnisse sollte in weiterführenden Analysen stärker berücksichtigt werden, dass die Autoren der Zeitungsartikel z.T. Zitate Dritter wörtlich oder paraphrasiert wiedergeben – ein zentrales Merkmal der Textsorte ‘Pressetext’ (siehe Fußnote 15) das lohnend für eine vertiefte Analyse herangezogen werden könnte. Vor allem Übernahmen aus ausländischen Medien wären zu überprüfen, um intertextuelle Bezüge stärker nachzeichnen zu können. Das heißt, der Einfluss anderer Sprachen respektive Medien, insbesondere der deutschen und französischen Medien, noch stärker in einzelsprachigen Analysen wie der vorliegenden Beachtung stattfinden müsste. Es ist vorstellbar, dass die dort gebrauchte Metaphorik z.T. in den spanischen Medien reproduziert wird, was die häufig verwendete Wassermetaphorik in deutschen Medien nahelegt. Zudem könnten diachrone Studien zu Krisenmetaphorik und Flüchtlingsmetaphorik weitere Aufschlüsse über die Konzipierung des Konzepts Flüchtlinge in verschiedenen Sprachen ergeben.
6. Ausblick
Die Auseinandersetzung mit und Analyse von aktuellen Pressetexten als Spiegelbild kognitiver Konzepte und Quelle metaphorischer Sprachverwendung ist von größtem fachwissenschaftlichen Interesse, weil? (Bitte Begründung allgemeiner Natur und in Bezug auf Migration liefern!). Das Thema ‘Migration’ ist in den Medien obligat präsent: So werden bspw. nicht nur die europäische Flüchtlingskrise, sondern die generelle Zuwanderung nach Europa fortwährend thematisiert. Aber auch in anderen Ländern, wie z.B. den klassischen Einwanderungsländern USA und Kanada ist das Thema ‘Migration’ ein stets aktuell. Böhm (201: 267-269) zeigt, dass auch in Lateinamerika Migration in den Medien häufig Beachtung findet. Die Analyse des Migrationsbegriffes und der damit verbundenen Vorstellungen, Stereotype und Metaphern zu einzelnen Gruppen und Ländern sowie die Analyse des Begriffs in verschiedenen Sprachen stellen Forschungsdesiderata da, denen in den nächsten Jahren Rechnung getragen werden sollte. Dabei ist vor allem die korpusbasierte Analyse von sprachlichen Metaphern eine geeignete sowie empiriegestützte Methode zur Darstellung der Konzeptualisierung von semantischen Konzepten wie dem der Migration. Als wiederkehrende und somit relativ stabile diskursive Konstanten wirken Metaphern (wie die analysierten Wassermetaphern) auf die Perzeption und Wissensinhalte von Sprechern und Bürgern ein. Möglicherweise würde eine Veränderung der bis dato genutzten Metaphorik ein (langsames) Umdenken in Bezug auf ‘Migration nach Europa’ befördern und Flüchtlinge würden stärker als Individuen und nicht als zu bremsende Wasserflut(en) in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
Zudem sollte auch hinsichtlich der sprachlichen und fachwissenschaftlichen Ausbildung von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe II – Immigration ist z.B. in Berlin und Brandenburg im Fach Spanisch einer der aktuell obligatorischen Themenbereiche in der Qualifikationsphase für das Abitur – und Studierenden dem Feld ‘Migration’ verstärktAufmerksamkeit geschenkt werden. Insbesondere der kontrastive Vergleich zwischen sprachlichen Strukturen der Muttersprache und denen der Fremdsprache sowie den damit verbundenen Konzepten über Migration, die u.a. anhand von Pressetexten studiert werden können, bieten eine fruchtbare Basis zur Auseinandersetzung mit dem Thema Migration und seinen semantischen Implikationen, die maßgeblich durch Metaphern mitbestimmt werden.
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Richards, Ivor Armstrong (1936): „Die Metapher“, in: Anselm Haverkamp (ed.) (1983): Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 31-54.
Sánchez Corbacho, Alfonso (2009): „Zur Wassermetaphorik in Phraseologismen der Wirtschaftssprache. Eine kognitive Studie anhand des Deutschen und Spanischen. In: Revista de Lingüística y Lenguas Aplicadas, Volumen 4/2009, 37-45. https://polipapers.upv.es/index.php/rdlyla/article/view/732/719 (10.10.2017)
Sinner, Carsten (2015): „VERFOLGUNG, AGONIE, TOD? Zur Rekontextualisierung von ökolinguistischen Metaphern in Medienberichten über die Situation des Spanischen in Katalonien“, in: Anja Hennemann & Claudia Schlaak (eds.): Politische und mediale Diskurse. Fallstudien aus der Romania. Berlin: Frank & Timme, 113-144.
Sweetser, Eve E. (1991): From etymology to pragmatics. Metaphorical and cultural aspects of semantic structure. Cambridge: University Press.
Tomasello, Michael (2003): Construction a language. A usage-based theory of language acquisition. Cambridge, Massachusetts, London: Harvard University Press.
Vandeloise, Claude (1991): „Autonomie du langage et cognition“, in: Claude Vandeloise (ed.): Sémantique cognitive. Paris: Éditions du Seuil, 69-101.
Weitere Online-Artikel (ohne Korpusartikel in Tabelle 1 und 2)
eldiario.es (ohne Autorenangabe, 20.07.2015):„Fernández Díaz compara el reparto de refugiados con una fuga de ‘goteras’ en una casa“. http://www.eldiario.es/desalambre/Fernandez-Diaz-reparto-refugiados-goteras_0_411209324.html (20.04.2017).
Hausner, Joseph (01.03.2016): „Neue Flüchtlingswelle? Europa übersieht das Pulverfass Libanon“. http://www.focus.de/politik/ausland/lage-in-dem-land-spitzt-sich-zu-neue-fluechtlingswelle-droht-dieses-pulverfass-uebersieht-europa-voellig_id_5323765.html (19.08.2017)
Leubecher, Marcel (03.01.2017): „Mehr Asylanträge in Deutschland als in allen anderen EU-Staaten“. https://www.welt.de/politik/deutschland/article160804721/Mehr-Asylantraege-in-Deutschland-als-in-allen-anderen-EU-Staaten.html (24.08.2017).
Sommerfeldt, Nando (09.08.2016): „Die große Furcht vor dem zweiten Flüchtlingsstrom“. https://www.welt.de/wirtschaft/article157572494/Die-grosse-Furcht-vor-dem-zweiten-Fluechtlingsstrom.html (24.08.2017).
Zeh, Juli (2015): „Gegenseitiges Diffamieren ist nicht der Weg“. Juli Zeh im Gespräch mit mit Sandra Schulz. http://www.deutschlandfunk.de/rhetorik-in-der-fluechtlingsdebatte-gegenseitiges.694.de.html?dram:article_id=329502 (19.08.2017)
Wörterbücher
www.pons.de (19.08.2017-10.10.2017)
http://dle.rae.es/?id=DgIqVCc (10.10.2017-31.10.2017)
Linguistische Studien zu medialen Diskursen in Spanien cf. Hennemann & Schlaak (eds., 2015), hier lassen sich (u.a. von Sinner 2015 und Böhm 2015) Artikel zu Kataloniens Sprachpolitik und immigrationspolitischen Diskursen in Spanien finden.
Es wird nicht ausschließlich in den Artikeln über Flüchtlinge des Syrienkrieges berichtet, z.T. werden alle Flüchtlinge, die nach Europa kommen, unter „die Gruppe der Flüchtlinge“ gefasst.
Das erscheint jedoch, folgt man Tomasello (2003), nicht verwunderlich, da Gestik und Mimik (als erweiterte Form des pointings respektive Zeigens) Teil des Spracherwerbs sind und folglich in enger Verbindung zur Sprache stehen.
Ansätze zur kognitiven Metaphertheorie lassen sich bereits bei Du Marsais (1730) finden (cf. Plötner 2015b) und Grundprämissen, wie bspw. die Verwendung von Raum als Basiskonzept zur Beschreibung abstrakter Konzepte, werden im 20. Jahrhundert schon bei Richards (1936: 32-33) thematisiert: „daß sich kein Wort und keine Beschreibung für intellektuelle Prozesse finden lassen, die, sofern ihre Bedeutung bekannt ist, nicht ganz offensichtlich mittels einer Metapher von der Beschreibung irgendeines physischen Vorgangs vorgenommen wurden“.
Auch andere Analysetechniken, wie bspw. die Frame-Diskursanalyse (cf. Böhm 2015) sind möglich, auch wenn die genannte Technik nicht primär auf Metaphern ausgerichtet ist, sondern mit reaktiven und proaktiven Diskursstrukturen arbeitet.
Plötner (2015a: 290) konnte für den Krisenbegriff im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise in Frankreich (2008) ebenfalls die metaphorische Verwendung von Naturgewalten zur Bezeichnung und semantischen Konzeptualisierung von Krisen feststellen. So wird die Wirtschaftskrise im Jahr 2008 als incendie, tornade und tempête betitelt. Es scheint, als wäre die Darstellung einer Situation als „Krise“ Grundvoraussetzung oder Legitimation dafür, um im Weiteren Metaphern aus dem Bildspenderbereich „Naturgewalt“ gebrauchen zu können. Allerdings können Krisen, wie Plötner (2015a) für die Wirtschaftskrise in Frankreich feststellt, auch als etwas Positives begriffen werden. So findet man auch die Konzipierung der Krise als Neuerung und Einigung, wie bspw. im Artikel L’Europe et l’Asie s’unissent face à la crise, sowie als Stärkung (cf. Plötner 2015a: 286-289).