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Ernährt ihr euch von diesem Gold? − Ressourcenraub versus
Nachhaltigkeit als Thema kolonialzeitlicher Amerika-
Chroniken1
Monika Wehrheim, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
(m.wehrheim@uni-bonn.de)
Abstract
Die spanische Eroberung Amerikas war von Anbeginn an auf das engste verknüpft mit dem
Streben nach schnellem wirtschaftlichem Gewinn. Im Zentrum stand dabei die Sicherung von
Edelmetallen wie Gold und Silber, die oftmals gewaltsam erbeutet wurden. Der Beitrag soll
im Folgenden der Frage nachgehen, wie der Ressourcenraub und die damit einhergehende
Zerstörung von Natur und indigenen Lebensräumen sowie der durch die spezifische koloniale
Ausbeutung vorangetriebene Genozid in den kolonialzeitlichen Amerika-Chroniken verhandelt
werden. Auf der Grundlage der kolonialzeitlichen Texte soll gezeigt werden, dass die
Debatte um Nachhaltigkeit auch historisch entwickelt werden kann, wurde doch die Frage
nach dem Umgang mit den vorhandenen Ressourcen seit Beginn der Kolonisierung gestellt –
freilich in einer anderen Terminologie und Perspektive als heute. Die Eroberung Amerikas
können wir als einen gigantischen Raubzug betrachten, bei dem nicht allein Gold und Silber,
sondern auch Menschen (als Sklaven oder im Encomienda-System) dem Nutzen der Eroberer
anheimfielen. Interessanterweise wurde dieser Aneignungsprozess aber von Beginn an immer
auch kritisch hinterfragt und zwar nicht nur von indigener, sondern auch von spanischkatholischer
Seite.
From the very beginning, the Spanish conquest of the Americas was closely linked to the
pursuit of quick economic profit. The focus laid on securing precious metals such as gold and
silver, which were often captured by force. In the following, this article will explore the
question of how the theft of resources and the accompanying destruction of nature, indigenous
habitats, and ultimately a genocide driven by specific colonial exploitation were negotiated in
the colonial America chronicles. On the basis of the colonial texts, it will be shown that the
debate on sustainability can also be developed historically, since the question of how to deal
with available resources has been raised from the beginning of colonization on - admittedly in
a different terminology and perspective than today. The conquest of the Americas can be seen
as a gigantic raid in which not only gold and silver, but also people (as slaves or in the
encomienda system) fell to the use of the conquerors. Interestingly, however, this appropriation
process was always critically questioned, not only by indigenous but also by Spanish
missionaries.
1 Eine ausführliche Version dieser Überlegungen findet sich in dem auf Spanisch erschienen
Aufsatz: „¿Es este el oro que comes? Una relectura ecocrítica de las crónicas coloniales”
(Wehrheim 2022).
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1. Kolonialzeitliche Chroniken als Thema des Ecocriticism
In der Einleitung des mittlerweile klassischen Ecocriticism Reader (1996) definiert
Cheryll Glotfelty Ökokritik als „the study of the relationship between literature
and the physical environment“ (xviii) und unterscheidet drei Forschungsbereiche
der in den 1990er Jahren noch jungen Forschungsrichtung: die Frage
nach den Naturbildern in der Literatur, die Frage nach dem Kanon (gesucht
werden Werke, die sich dem ökologischen Thema verpflichtet fühlen, oder aus
dem Kanon ausgeschlossene Werke, die das Thema Natur behandeln) und als
dritte eine eher theoriegeleitete Fragestellung: Wie wird Natur im literarischen
Diskurs konstruiert? Welche Konzepte tauchen auf? Wie wird das binäre
System zwischen Mensch und Natur im wissenschaftlichen Diskurs selbst
konstruiert? (1996: xxii-xxiv).
Wie Jennifer French in ihrem grundlegenden Aufsatz „Nature and subjectivity
in colonial Latin America: Identities, epistemologies, corporealities“ (2014)
zeigt, wurden kolonialzeitliche Chroniken lange Zeit nicht unter einer ökokritischen
Perspektive behandelt, da sie streng genommen nicht dem implizit
geforderten Grundsatz nach einem ökologischen Commitment entsprachen
(French 2014: 38). Für die Chronikforschung macht French deshalb geltend,
dass eine neue Perspektive auf die Chroniken zu entwickeln sei – unter Berücksichtigung
von Fragen zu den Bildern und Konzepten von Natur, die die Ausbeutung
der natürlichen Ressourcen rechtfertigen und naturalisieren oder die
Kritik daran artikulieren. In diesem Kontext ist zu analysieren, wie die Inbesitznahme
der entdeckten Gebiete und all dessen, was sich in ihnen befindet,
diskursiv legitimiert wird, und zwar über die koloniale Diskursanalyse2 hinausgehend
mit einer besonderen Fokussierung auf der Darstellung, Legitimation
und der Kritik an extraktivistischen, nicht-nachhaltigen Praktiken. Damit
rücken ebenfalls epistemologisch Fragen in den Fokus, wie die Frage nach dem
Verständnis von Natur im Kontext der Eroberung und der Bedingtheit von
okzidentaler Ausbeutungslogik durch eine binäre Konstruktion von Menschund
Naturbeziehung.
2 Zur kolonialen Diskursanalyse siehe u.a. Peter Hulme (1986) und Edward Said (1978), bei
denen der Fokus auf der Konstruktion von Alterität als Mittel der Legitimation von kolonialer
Herrschaft lag.
Wehrheim: Ernährt ihr euch von diesem Gold?
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2. Kolumbus und der Verwertungsblick
1493 kursiert ein Brief in Europa, der die Nachricht von den auf dem Seeweg
nach Westen erreichten Indischen Gebieten verbreitet: In dieser Carta a
Santángel informiert Kolumbus den Schatzmeister der Katholischen Könige
über die Reichtümer in den neu entdeckten Gebieten. Der Brief ist in seiner Zeit
eine Art Bestseller, er erscheint innerhalb kurzer Zeit in Übersetzungen auf
Italienisch, Deutsch, Französisch, Katalanisch – allein die lateinische Fassung
erreicht neun Ausgaben in einem Jahr.3 Wie wir wissen, glaubte Kolumbus den
Seeweg nach Asien entdeckt zu haben, wobei es erklärtermaßen um die Sicherung
von Handelsgütern, insbesondere Gewürzen, ging. Wir wissen auch, dass
Kolumbus nicht das fand, was er zu finden hoffte (und zu diesem Augenblick
noch zu finden glaubte). Da er auf weitere finanzielle Unterstützung für seine
Unternehmungen angewiesen war, war ihm daran gelegen, das ‘Entdeckte‘ als
lohnendes Objekt weiterer Investitionen zu beschreiben. Ganz in diesem Sinne
werden die Inseln als fruchtbar mit einer wunderbaren Natur versehen dargestellt:
[…] todas [las islas] andables y llenas de árboles de mil maneras y
altas, y parecen que llegan al cielo; y tengo por dicho que jamás
pierden la hoja, según lo pude comprender, que los vi tan verdes y
tan hermosos como son por mayo en España. Y dellos estaban
floridos, dellos con frutos […]; y cantaban el ruiseñor y otros pajaricos
de mil maneras […]. Hay palmas de seis o de ocho maneras […]; en
ella hay pinares a maravilla, y hay campiñas grandísimas, y hay miel,
y de muchas maneras de aves y frutas muy diversas. En las tierras hay
muchas minas de metales y hay gente instimabile [sic] número4
(Colón [1493] 1985: 223).
Auf den ersten Blick – und so wurde der Text lange Zeit rezipiert – liest sich die
Passage wie die Beschreibung eines Paradieses auf Erden. Vielfach wurde
3 Zu den Editionen siehe Arranz (1985: 221) und Estebe Barba (1992: 24).
4 ‘[...] alle [Inseln] sind voll von Bäumen, es gibt tausend verschiedene Arten und Höhen,
und sie scheinen bis zum Himmel zu reichen; und ich glaube, dass sie nie ihre Blätter verlieren,
denn ich habe sie so grün und schön gesehen wie im Mai in Spanien. Und sie blühten und
trugen Früchte [...]; und die Nachtigall und andere Vögel sangen auf tausend verschiedene
Arten [...]. Es gibt sechs oder acht Arten von Palmen [...]; es gibt dort wunderbare
Kiefernwälder, und es gibt sehr große Felder, und es gibt Honig, und viele Arten von Vögeln
und sehr viele verschiedene Früchte. In den Ländern gibt es viele Metallminen, und es gibt
eine unschätzbar große Anzahl von Menschen.‘ [Soweit nicht anders vermerkt, handelt es sich
bei den Übersetzungen um Übersetzungen der Autorin.]
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Kolumbus demensprechend als jemand angesehen, der die Natur liebt und
schätzt (vgl. Todorov 1982; Greenblatt 1991). Doch bei genauerer Überlegung
erscheint die Passage nicht mehr ganz so unschuldig und bewundernd – insbesondere,
wenn wir den Text von seinem Ende ausgehend betrachten, wo
plötzlich knapp und unvermittelt auf die Metall- und Erzvorkommen und auf
die Menge an Menschen verwiesen wird. Nach dem schwärmerisch anmutenden
Blick auf die Naturidylle wirkt dieser Abschluss kalt und berechnend.
Hier geht es offensichtlich um schnellen Reichtum – um Goldvorkommen und
um Sklaverei. Aber auch der vermeintlich schwärmerische Blick auf die Natur
kaschiert möglicherweise nur die Frage nach deren Verwertbarkeit, wie dies
bereits Moebus (1982) feststellte. Für die expansiven Intentionen braucht man
Bäume für den Schiffsbau (bzw. für die Reparatur von Schiffen), Honig, Früchte
und Geflügel zur Versorgung mit Lebensmitteln.
Mehr noch, im Sinne des europäischen Verständnisses war die Natur dazu
bestimmt, genutzt zu werden. Montrose (1991) zeigt, welche Wirkmacht der
Topos des jungfräulichen Landes (unbearbeitet und scheinbar unbewohnt) in
der kolonialen Diskursivität in der englischen Besiedlung Amerikas entwickelte.
Auch im Text des Kolumbus schwingt dieser Subtext mit – die
Indigenen nutzen die Reichtümer der Natur nicht, wie es sich gebührt. Diesen
Gedanken finden wir selten so eindrucksvoll illustriert wie im Kupferstich
America von Jan von der Straet/Theodore de Galle (um 1600):
Wehrheim: Ernährt ihr euch von diesem Gold?
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Abb: 1: Jan van der Straet: America/Stich von Theodoor Galle (um 1600)
Die hier gezeigte allegorische Figur der Amerika ruht inmitten einer abundanten
Natur in einer Hängematte und wird durch den Seefahrer Amerigo
Vespucci erweckt. Ohne auf die vielfältigen Hierarchisierungen, die das Bild
entwickelt, und ohne auf die Frage nach der Rolle von Genderkonstruktionen
im Erobererdiskurs einzugehen5, wird hier deutlich, dass der Reichtum der
Natur, die Früchte, die Bäume, die Tiere nicht durch den Menschen nutzbringend
verwertet werden. Das menschliche Wesen (hier signifikanterweise eine
Frau) dominiert sie nicht, sie ist Teil der Natur, ohne Macht auszuüben. Selbst
die europäischen Haustiere wie das Schwein und das Pferd spazieren frei durch
den Urwald, ohne den Menschen nützlich zu sein. In ontologischen Kategorien
wird hier ein holistisches Naturverständnis denunziert, das der europäischchristlichen
Vorstellung von der Überlegenheit des Menschen über die Natur
entgegenläuft und den alttestamentarischen Auftrag, sich die Erde untertan zu
machen (Dominium terrae), ignoriert.6 Zu welchen Verwerfungen die Nicht-
5 Siehe dazu Montrose (1991); Wehrheim-Peuker (2001).
6 Zum Verständnis des Dominium terrae in der Kolonisierung Amerikas siehe Schulz (2013).
Schulz weist auf unterschiedliche Konzepte hin: Den Auftrag, sich die Erde untertan zu
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Unterscheidung von Mensch und Natur führt, zeigt sich im Übrigen im oberen
Bildteil, wo ein Kannibalenfeuer prasselt, auf dem unschwer menschliche
Körperteile zu erkennen sind. Statt sich von Schweinen zu ernähren, essen die
Indigenen Menschenfleisch – Resultat des Fehlens des kategorialen Unterschieds
zwischen Mensch und Tier.
Auch das Land, das Kolumbus in seinem Brief beschreibt, ist, wie oben dargestellt,
offensichtlich reich, aber nicht hinreichend genutzt. Sehr deutlich resümiert
Kolumbus am Ende seines Briefes die Möglichkeiten des wirtschaftlichen
Profits, den die vorhandenen Ressourcen bieten:
Er spricht von „unermesslich viel Gold” (oro sin cuento, 227) und er verspricht
den Königen: „[…] yo les daré oro […]: especería y algodón cuanto sus altezas
mandaren cargar, y almastiga […], y lignáloe cuanto mandarán cargar, y
esclavos cuantos mandarán cargar […].”7 (228). Damit hat er werbetechnisch
einen Köder ausgeworfen – und die Erwartungen in die neuen Gebiete sehr
hochgeschraubt.
Das oro (‚Gold‘) wird ab nun zum bestimmenden Faktor der Wahrnehmung
Amerikas werden. Obwohl die Goldmengen, die Kolumbus nach Spanien
bringt, noch vergleichsweise gering sind und es sich in der Hauptsache um
Flussgold handelt (vgl. Fisher/Pietschmann 1994: 404), sind die Erwartungen
auf schnellen Reichtum von Anfang an extrem. So schreiben Fisher und Pietschmann
über Hernán Cortés, der 1519 an der Küste Mexikos landete, dass er sich
abfällig über ihm angebotenes Ackerland auf Hispañola geäußert habe und
darauf verwies, er sei gekommen, um Gold zu holen (404). Das sollte er mit der
Eroberung Mexikos 1521 in die Tat umsetzen.
3. Cortés und das Gold Mexikos
Der Brief an Kaiser Karl V (König Carlos I), mit dem Cortés 1522 seine eigenmächtige
Eroberung Mexikos rechtfertigt,8 ist durchzogen von der Erwartung
machen, im Sinne einer Pflege, die der Arbeit eines Schäfers gleiche, und der Unterwerfung,
im Sinne eines ungebremsten Nutzens (18-19).
7 ‘[...] ich werde Ihnen Gold geben [...]: Gewürze und Baumwolle, soviel Ihre Hoheiten
mitzunehmen befehlen, und Mastix [...], und Linaloe [ein Aloegewächs], soviel Sie
mitzunehmen befehlen, und Sklaven, soviel Sie zu mitzunehmen befehlen [...].‘
8 Cortés hatte sich über den Befehl seines direkten Vorgesetzten Velasquez hinweggesetzt,
der ihn ausgeschickt hatte, um die Küste Mexikos zu erkunden, ohne Gebiete zu erobern.
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auf Gold – und zwar von Beginn seines Landgangs an. Cortés ist ein guter
Beobachter und taxiert das Neue mit dem Blick dessen, der Reichtümer sucht
(vgl. Todorov 1981). In Mexiko-Tenochtitlán, der Hauptstadt des Aztekenreiches,
scheint er am Ziel seiner Wünsche angekommen zu sein.
In der ersten Begegnung mit dem aztekischen Herrscher Moctezuma überreicht
er diesem eine Halskette aus Perlen und Glasdiamanten. Im Gegenzug wird er
reich beschenkt:
Vino un servidor suyo con dos collares de camarones envueltos en
paño, que eran hechos de huesos de caracoles colorados, que ellos
tienen en mucho y da cada collar colgaban ocho camarones de oro de
mucha perfección, tan largos casi como un geme y como se los trajeron
se volvió a mí y me los echó al cuello. Y tornó a seguir por la calle […]
hasta llegar a una muy grande y muy hermosa casa que él tenía para
aposentarnos […].
Y dende [desde] a poco rato, ya que toda la gente de mi compañía
estaba aposentada, volvió con muchas y diversas joyas de oro, plata,
plumajes a hasta cinco o seis mil piezas de algodón, muy ricas y de
diversas maneras tejidas y labradas […]9 (Cortés 1985: 116).
Cortés lobt die Handwerkskunst der Azteken, die Edelmetalle, den Federschmuck.
Er taxiert das Reich mit dem Blick eines Extraktivisten – auf der Suche
nach Ressourcen aller Art. In diesem Sinne kann auch seine Beschreibung des
Marktes von Tlatelolco gewertet werden, der für seinen Reichtum an Waren
verschiedenster Art berühmt war:
Tiene esta ciudad muchas plazas, donde hay continuo mercado y trato
de comprar y vender. Tiene otra plaza tan grande como dos veces la
ciudad de Salamanca, toda cercada de portales alrededor, donde hay
cotidianamente arriba de sesenta mil ánimas comprando y vendiendo;
donde hay todos los géneros de mercadurías que en todas las
tierras se hallan, así de mantenimientos como de vituallas, joyas de
9 ‘Es näherte sich einer seiner Diener mit zwei in Stoff gewickelten Hummerhalsbändchen
aus rotem von ihnen sehr geschätzten Muschelschalen. An jedem Halsband hingen etwa acht
vollendet schöne Garnelen aus Gold, groß wie Edelsteine, und als der Diener sie brachte,
wandte sich der Fürst zu mir und legte sie mir um den Hals. Und er drehte sich um und folgte
der Straße [...] bis er zu einem sehr großen und sehr schönen Haus kam, das er für uns hatte
herrichten lassen [...].
Kurz darauf, nachdem meine Leute untergebracht waren, kam er mit vielen verschiedenen
Schmuckstücken aus Gold und Silber und Federschmuck zurück, und brachte fünf- bis
sechstausend Stücke kostbaren Baumwollstoff und reich verzierte Gewebe und Stickereien
[...].‘
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oro y plata, de plomo, de latón, de cobre, de estaño, de piedras, de
huesos, de conchas, de caracoles y de plumas. Véndese cal, piedra
labrada y por labrar, adobes, ladrillos, madera labrada y por labrar de
diversas maneras. Hay calle de caza donde venden todos los linajes
de aves que hay en la tierra, así como gallinas, perdices, codornices,
lavancos, dorales, zarcetas, tórtolas, palomas, pajaritos en cañuela,
papagayos, búharos, águilas, halcones, gavilanes y cernícalos; y de
algunas de estas aves de rapiña, venden los cueros con su pluma y
cabezas y pico y uñas10 (ibid.: 132).
Die Beschreibung des Marktes bildet das extraktivistische Konzept in emblematischer
Form ab. Der Markt zeigt das Potential der zukünftigen Kolonie. Er ist
eine Art Mikrokosmos der Reichtümer der Region: Gold, Silber, Metalle wie
Zinn und Kupfer werden neben Baumaterialien und essbaren Federtieren wie
Hühnern, Wachteln und Tauben und dekorativem Getier wie Papageien erwähnt.
Auch der für die Azteken so bedeutsame und wertvolle Federschmuck
findet Eingang in die Beschreibungen, freilich wohl eher als exotisches Dekor.
In Art einer Metonymie referiert der Markt auf den zu erschließenden Markt
des gesamten Territoriums und verweist auf die Ressourcen des Landes, derer
man sich als Kolonialmacht bemächtigen kann.
Im Zentrum des Cortés‘schen Interesses steht bei aller Wertschätzung der
bunten Vielfalt das Gold. Und so thematisiert er bereits in dieser frühen Phase
der Begegnung die Frage, woher die Mexica ihr Gold beziehen und fragt
Moctezuma nach Goldminen (ibid.: 123-124). Gleichzeitig überlegt er, dass man
zur Ausbeutung der Minen Siedlungen benötige, und sieht vor, zur Versorgung
der Menschen die landesüblichen Produkte Mais, Bohnen und Kakao („que es
10 „In dieser Stadt gibt es viele Plätze, auf denen ein ständiger Markt stattfindet, auf dem
gekauft und verkauft wird. Sie hat einen weiteren Platz, der doppelt so groß ist wie die Stadt
Salamanca, und ist rundherum von Portalen umgeben, wo täglich über sechzigtausend
Menschen kaufen und verkaufen; wo es alle Arten von Waren gibt, die man in allen Ländern
finden kann, sowie Lebensmittel, Gold- und Silberschmuck, Blei, Messing, Kupfer, Zinn,
Steine, Knochen, Muscheln, Schnecken und Federn. Sie verkaufen Kalk, bearbeitete und
unbearbeitete Steine, Lehmziegel, Ziegelsteine, bearbeitetes und unbearbeitetes Holz auf
unterschiedliche Weise. Es gibt eine Jagdstraße, in der alle Arten von Vögeln verkauft werden,
die es im Land gibt, sowie Hühner, Rebhühner, Wachteln, Haubentaucher, Fliegenschnäpper,
Krickenten, Turteltauben, Tauben, kleine Vögel, Papageien, Eulen, Adler, Falken, Sperber und
Turmfalken; und von einigen dieser Raubvögel werden die Häute mit ihren Federn und
Köpfen und Schnäbeln und Nägeln verkauft“.
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una fruta como almendras, que ellos venden molida y la tienen en tanto, que se
trata por moneda en toda la tierra“11, ibid.: 124) anzubauen.
Der kurzfristigen Erbeutung des bearbeiteten Goldes der Azteken soll also die
Erschließung und Ausbeutung der Goldminen folgen, die den langfristigen
Nachschub des Edelmetalls sichert.12
Da Cortés den Kaiser in Spanien für seine eigenwillige Expedition gewinnen
musste, schickte er bereits Anfang 1520 Goldschätze nach Spanien, zusammen
mit fünf Totonaken (drei Männern und zwei jungen Frauen).13 Der Schatz und
die Totonaken werden an verschiedenen Orten in Europa ausgestellt, so werden
sie bspw. in Valladolid von Bartolomé Las Casas besichtigt. Der Kaiser sieht die
Schätze in Tordesillas (siehe Thomas 2004: 348). Im August 1520 wird ein
aztekischer Schatz in Brüssel ausgestellt, wo ihn Albrecht Dürer besichtigt und
sich tief beeindruckt von den goldenen Sonnen und den silbernen Monden und
der Kunstfertigkeit der „Menschen in fremden Ländern“ gibt.
Albrecht Dürer schreibt dazu bewundernd in sein Tagebuch über die Reise in
die Niederlande:
Auch hab jch gesehen die dienge, die man dem könig auß dem neuen
gulden land hat gebracht: ein ganez guldene sonnen, einer ganczen
klaffter braith, deßgleichen ein ganecz silbern mond, auch also groß,
deßgleichen zwo kammern voll derselbigen rüstung, desgleichen von
allerley ihrer waffen, harnisch, geschuez, pettgewandt und allerley
wunderbahrlicher ding zu maniglichem brauch, das do viel schöner
an zu sehen ist dan wunderding. Diese ding sind alle köstlich
gewesen, das man sie beschäezt vmb huntert tausend gulden werth.
Und ich hab aber all mein lebtag nichts gesehen, das mein herez also
erfreuet hat als diese ding. Dann ich hab darin gesehen wunderliche
künstliche ding und hab mich verwundert der subtilen jngenia der
menschen ji frembden landen (Rupprich 1956: 155).
11 „[…] das ist eine mandelähnliche Frucht, die sie gemahlen verkaufen und in so großer
Menge haben, dass sie im ganzen Land als Zahlungsmittel gehandelt wird.“
12 Wie Fisher und Pietschmann betonen, wird mehr als Gold die Silbergewinnung in Mexiko
an Bedeutung erlangen (1994: 407). Von der Bedeutung der Silbergewinnung zeugen noch
heute die Silberstädte Mexikos wie Taxco, Zacatecas, Guanajuato oder die alte Bergbaustadt
Real de Catorce.
13 Auffallend ist, dass Menschen und Gold in diesen Ausstellungen wie bei Kolumbus in eins
gesetzt werden.
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Der Anteil des Kaisers an den erbeuteten Reichtümern war auf ein Fünftel (el
Quinto) festgesetzt. Wie Fisher und Pietschmann (1994: 405) schreiben, benötigte
die Krone das Gold, um die Kolonisierung zu finanzieren, die bis 1510 ein
Verlustgeschäft war: Die Kosten für Grundnahrungsmittel wie Mehl, Öl, Wein
zur Verpflegung der Siedler, ebenso Werkzeuge, Waffen, Tiere, Saatgut, Baumaterial
lagen über dem Wert der importierten tropischen Güter und des
Goldes.
So wurden, bei aller Bewunderung für die Kunstwerke, die goldenen Sonnen
und silbernen Monde zu Gold- und Silberbarren eingeschmolzen, oftmals
bereits vor Ort (vgl. Thomas 2004: 330).
Fisher und Pietschmann sehen in der Eroberung Mexikos (1519-1521) die
Grundlage einer allgemeinen Handelsexpansion, die von 1524 bis circa 1550 zu
beobachten sei (406). 1540 segelten 79 Schiffe von Sevilla aus nach Amerika, 47
kehrten zurück. Jährlich schifften sich um 1000 Personen in Sevilla nach
Veracruz ein. Die Schiffe aus Amerika führten Goldbarren, Rinderhäute,
Koschenille mit, ebenso wie Zucker aus Santo Domingo. Dorthin brachte man
zunehmend schwarze Sklaven, da die indigene Bevölkerung der Karibik nahezu
vollständig ausgestorben war (406).
4. Las Casas Kritik der Zerstörung von Natur und der Vernichtung
der Menschenleben
Interessanter Weise blieben die kolonialen Praktiken von spanischer Seite von
Kritik nicht ausgespart. Bereits 1511 sorgte die Adventspredigt des Padre
Antonio Montesinos, die dieser auf der Insel Hispañola, auf der sich heute die
beiden Staaten Dominikanische Republik und Haiti befinden, hielt, für einen
Eklat unter den Kolonisatoren. Montesinos greift die spanischen Siedler wegen
der unmenschlichen Behandlung der Indigenen an (vgl. Pagden 1982: 30). Diese
Predigt sollte der Beginn des christlichen Protestes gegen die koloniale Praxis
sein. Bekannt ist die vernichtende Kritik des Dominikanermönchs Bartolomé de
Las Casas, der – zunächst selbst Besitzer einer Encomienda14 – sich vom Saulus
14 Im System der Encomienda gewährte die spanische Krone den Conquistadoren als Lohn
für ihre Dienste eine bestimmte Anzahl von Indigenen. Der Besitzer einer Encomienda konnte
über die Arbeitskraft der ihm zugewiesenen Indigenen frei verfügen, sollte aber im Gegenzug
für deren Unterweisung im christlichen Glauben sorgen, siehe: Caminos – eine Reise durch die
Geschichte Lateinamerikas.
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zum Paulus wandelte. Der prominente Verteidiger der Indigenen schildert in
seiner 1552 publizierten Schrift Brevísima relación de la destrucción de las Indias15
die an den Indigenen verübten Gräueltaten und den folgenden Genozid auf
drastische Weise.
Bei ihrer Entdeckung seien die Inseln fruchtbar und voller Menschen gewesen,
doch nun seien die Inseln und Teile des Festlandes verödet und menschenleer,
er spricht von Einöden, die Länder seien verwüstet und verheert worden (deutsche
Ausgabe 1982: 12). Die Zerstörung der Natur und von menschlichem
Leben werden hier als Folgen der Habgier der Eroberer gebrandmarkt. Schuld
am Übel seien nämlich die Spanier, „que se llaman cristianos“ (Las Casas [1552]
1989: 76), also sogenannte Christen, die mit einer unfassbaren Brutalität die
Indigenen niedermetzelten. Berühmt ist der Vergleich der Spanier mit Wölfen:
„En estas ovejas mansas […] entraron los españoles desde luego que las
conocieron como lobos y tigres y leones crudelísimos de muchos días
hambrientos”16 (ibid.: 77).
Im Text von Las Casas werden biblischen Bilder aufgerufen und gleichsam resemantisiert:
Die Christenmenschen nehmen die Rolle von wilden Tieren ein,
die in eine Herde Schafe – das Lamm immerhin Sinnbild Jesus Christi – fahren.
Was treibt die Christenmenschen an? Es ist die Gier nach Gold, nach schnellem
Reichtum, in modernem Sinne nach schneller Ausbeutung von Rohstoffen:
La causa porque han muerto y destruido tantas y tales y tan infinito
número de ánimas los cristianos, ha sido solamente por tener por su
fin último el oro y henchirse de riquezas en muy breves días […]17
(ibid.: 78).
Las Casas klagt die Raubzüge ebenso an wie die Arbeitsbedingungen, unter
denen die Indigenen leiden und dahinsterben, wenn sie in Bergwerken oder
zum Tauchen nach Perlen eingesetzt werden. Die Indigenen werden als
Menschen mit schwacher Statur beschrieben, die für derartige harte Arbeiten
15 Die Übersetzungen der folgenden Zitate orientieren sind der deutschen Ausgabe Bericht
von der Verwüstung der Westindischen Länder hrsg. von Hans-Magnus Enzensberger (1982).
16 ‘Unter diese sanften Schafe … fuhren die Spanier, sobald sie von ihrem Dasein erfuhren,
wie Wölfe, Tiger und Löwen, die mehrere Tage der Hunger quälte‘ (11).
17 ‘Der einzige Grund, warum die Christen eine so ungeheure Menge unschuldiger Menschen
ermordeten und zugrunde richteten, war allein, sich ihres Goldes zu bemächtigen und sich in
wenigen Tagen mit ihren Schätzen zu bereichern‘ (Übersetzung der Autorin, siehe auch S. 13
der deutschen Ausgabe).
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gänzlich ungeeignet seien – weswegen Las Casas den Import von Sklaven aus
Afrika empfiehlt. Der Kehrseite des schließlich erwirkten Versklavungsverbots
für Indianer ist also perfiderweise der Sklavenhandel mit Afrika, in dessen Zuge
in der Zeit von 1492-1870 um 1,5 Millionen Afrikaner nach Amerika verschleppt
worden sind (Waldmann 2000: 9).
Die Maßlosigkeit der extraktivistischen Praxis, die Suche nach schnellem, exzessivem
Genuss, also in unserer Terminologie ein nicht-nachhaltiges Verhalten
gegenüber Mensch und Natur, charakterisiert die Eroberer auch in weiteren
Passagen der Schrift von Las Casas: In antagonistischer Manier setzt er in der
Brevísima relación dem exzessiven Verbrauch von Produkten aller Art das
genügsame Leben der Indigenen von Hispañola gegenüber, die Güter nicht
akkumulieren, sondern immer nur so viel besitzen, wie sie zum Überleben
benötigen:
En la isla Española, que fue la primera […], donde entraron cristianos
y comenzaron los estragos y perdiciones destas gentes y que primero
destruyeron y despoblaron, comenzando los cristianos a tomar las
mujeres e hijos a los indios para servirse y para usar mal dellos, y
comerles sus comidas que de sus sudores y trabajos salían, no contentándose
con lo que los indios les daban de su grado, conforme a la
facultad que cada uno tenía, que siempre es poco, porque no suelen
tener más de lo que ordinariamente han menester y hacen con poco
trabajo, y lo que basta para tres casas de a diez personas cada una para
un mes, come un cristiano y destruye en un día […]18 (Las Casas [1552]
1989: 80).
Man bemerke die Hyperbel, die am Ende des Zitats die Maßlosigkeit der
Christenmenschen indiziert. In christliche Parameter übersetzt, begehen die
Christen drei Todsünden: Habgier (Gold, Reichtümer), Wollust (Missbrauch
von indigenen Frauen und Kindern) und Völlerei. Sie zerstören die Menschen
und die Natur und damit letztlich auch die Grundlage des Handels – da es keine
18 ‘Auf der Insel Hispaniola war es, wo die Christen […] zuerst landeten und das Gemetzel
und Unheil an diesen Menschen anrichteten. Sie war die erste, die verheert und entvölkert
wurde, da die Christen die Frauen und Kinder nahmen, um sich ihrer zu bedienen und sie zu
missbrauchen. Sodann aßen sie alle ihre Lebensmittel auf, die sie mit viel Mühe und Arbeit
erzeugt hatten. Was die Indianer ihnen freiwillig gaben, war ihnen keineswegs genug. Jeder
gab, was er hatte, aber das war wenig, denn sie pflegen nie mehr anzuschaffen, als was sie
unumgänglich nötig haben und was ohne viel Arbeit zu erlangen ist. Das, was für drei
Familien von 10 Personen für einen Monat reicht, isst und zerstört ein Christ an einem einzigen
Tag […]‘ [Eigene Übersetzung, Bearbeitung von S. 14].
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einheimischen Arbeitskräfte mehr gibt, werden Sklaven aus Afrika importiert.
Las Casas ist übrigens kein grundsätzlicher Gegner der Kolonialisierung. Er
möchte das Christentum verbreiten, aber mit friedlichen Mitteln.
In der Tat war nach wenigen Jahrzehnten die indigene Bevölkerung der
karibischen Inseln durch die koloniale Praxis fast ausgestorben. Den Genozid
beschreibt Peter Waldmann wie folgt:
Auf vielen westindischen Inseln starben sie [die Ureinwohner]
gänzlich aus, auf Haiti lebten 1520 nur noch 16.000 von rund einer
Million indigenen Bewohnern im Jahr 1492. Für Zentralamerika
insgesamt lauten die Zahlen folgendermaßen: 1519: 15 Millionen,
1568: 2,6 Millionen, 1605: 1 Million (2000: 9).
Als Gründe für diesen Bevölkerungsschwund nennt Waldmann Hungersnöte,
die extrem harten Arbeitsbedingungen (im Encomienda-System oder durch den
Mita genannten Arbeitsdienst in den Bergwerken) sowie die von Europäern
eingeschleppten Krankheitserreger, gegen die die Indigenen keine Abwehrkräfte
besaßen (Pocken, Typhus, Grippe, Lungenentzündung) (9). Erst ab 1650
stabilisierte sich die Lage auf dem Festland wieder, zu diesem Zeitpunkt gab es
auf den Inseln keine Indigenen mehr.
5. Guamán Poma de Ayalas Denunziation der Gier nach Gold
Durch die Berichte des Kolumbus und die schließlich tatsächlich gefundenen
Goldschätze in Mexiko war Gold zu einer manischen Idee der Eroberer geworden.
Wir wenden uns nun einem indigenen Chronisten zu, der auf sehr eindrucksvolle
Weise die zunehmende Gier beschreibt. Es handelt sich um
Guamán Poma de Ayala aus dem Gebiet des heutigen Peru.
1532 war Francisco Pizarro in Tumbes, im Norden Perus gelandet. In Peru
herrschte nach dem Tode des 12. Inka Huayna Capac ein Bürgerkrieg zwischen
den beiden Brüdern Atahualpa (mit Sitz im Norden, in Quito) und Huáscar (mit
Sitz im südlichen Teil des Reiches, in Cuzco). Nach seiner Ankunft in Peru zog
Pizarro nach Cajamarca, wo sich Atahualpa mit seinem Heer aufhielt. Bei der
ersten Zusammenkunft mit Atahualpa überwältigten Pizarros Leute Atahualpa
und nahmen diesen gefangen. Für dessen Freilassung sollte ein immenses Lösegeld
gezahlt werden. Der sogenannte Cuarto del Rescate (‘Lösegeldzimmer‘) in
Cajamarca sollte, soweit wie Atahualpa mit der Hand nach oben reichen konnte,
mit Gold und Silber gefüllt werden. Aus dem gesamten Inkareich wurden Goldmetaphorik.
de 33/2023
68
und Silberschätze herbeigebracht, bis die Forderung tatsächlich erfüllt war.
Genutzt hat es dem Inka nichts, er wurde trotzdem hingerichtet.
Abb. 2: Hinrichtung des Inca Atahualpa, Guamán Poma de Ayala (circa 1615): 390 [392]
Auch in diesem Fall wurden die Gegenstände aus Gold und Silber eingeschmolzen,
unvorstellbare Kunstwerke gingen so verloren.
Guamán Poma de Ayala wurde um 1534 – also zu Beginn der spanischen Eroberung
- geboren, verstorben ist er um 1617. Er war Quechua und fungierte als
Übersetzer in der Missionierung der Indigenen. Er verfasste eine der außergewöhnlichsten
Chroniken der Kolonialzeit, die lange Zeit unbeachtet in der
Katholischen Bibliothek in Kopenhagen schlummerte, bis sie 1908 von dem
deutschen Historiker Richard Pietschmann entdeckt wurde. Die Nueva Corónica
y buen gobierno wurde um 1615 abgeschlossen, das Manuskript umfasst circa
1200 beschriebene Seiten sowie 400 Federzeichnungen.19 Seit den 1980er Jahren
19 Das Manuskript ist online abrufbar und unter:
http://www.kb.dk/permalink/2006/poma/info/en/frontpage.htm.
Wehrheim: Ernährt ihr euch von diesem Gold?
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ist die Chronik Gegenstand einer intensiven Forschung, maßgeblich vorangetrieben
durch die Literaturwissenschaftlerin Rolena Adorno.20
Die Nueva Corónica y buen gobierno ist ein ausgesprochen spanienkritischer Text,
der die Kolonialherrschaft anklagt – und zwar mit einer christlichen Argumentation.
Guamán Poma war getauft und nahm das Christentum sehr ernst. In
diesem Sinne fordert er, der spanische König Philipp III. möge die Spanier aus
Peru abziehen, da sie ihre Macht missbrauchten, man werde Philipp jedoch als
obersten Souverän anerkennen und sich dem Christentum unterwerfen (siehe
dazu Adorno 2000: 5).21
Guamán Poma verdanken wir sehr eindrückliche Darstellungen der Gold-Gier
der Spanier. Unter dem Titel Conquista beschreibt er, wie sich die Nachricht
von den Reichtümern in Spanien verbreitet:
Todo Castilla ubo grandes alborotos; era de día y noche entre sueños.
Todo decía: “Yndias, yndias, oro, plata, oro, plata del Pirú.” Hasta los
músicos cantauan el rromance “Yndias, oro, plata”. A se ajuntaron
estos dichos soldados y mensage del rrey nuestro señor católico de
España y del santo padre papa22 (Poma [circa 1615]: 372 [374]).
Die Nachricht von Gold und Silber verbreitet sich in Europa in Windeseile, alles
spricht nur noch von Oro y Plata, sogar die Sänger singen das Lied von „oro y
plata“. Kastilien scheint in einer Hysterie, „Yndias, oro, plata“ bilden einen
festen Dreiklang, die rhetorische Figur einer Akkumulation. Indem Poma
Indias23 in eine Reihe mit Oro und Plata setzt, verdeutlicht er, welche Perspektive
die Eroberer auf das Gebiet haben: Sie reduzieren das Land auf die Edelmetalle.
20 Federführend in der Poma-Forschung ist zweifelsohne die Literaturwissenschaftlerin
Rolena Adorno. Insgesamt sind an der Erforschung der Chronik Wissenschaftler unterschiedlicher
Disziplinen beteiligt, Historiker wie John Murra und Franklin G.Y. Pease, Linguisten
wie Jorge Urioste, Anthropologen wie Juan Ossio und Nathan Wachtel, um nur die Pioniere
zu nennen. Eine umfangreiche Bibliographie findet sich unter:
http://www5.kb.dk/permalink/2006/poma/info/en/biblio/index.htm#P.
21 Dieser Vorschlag findet sich bereits bei Las Casas, den Poma neben anderen Schriften
spanischer Missionare rezipiert hat. Zur intertextuellen Beziehung von Poma zu anderen
Chronisten siehe Adorno (2000).
22 ‘Ganz Kastilien war in großer Aufregung; tags und nachts selbst in den Träumen. Alles rief:
„Indias, Indias, Gold, Silber, Gold, Silber aus Peru“. Sogar die Musiker sangen das Lied
„Indias, Gold, Silber“. Und die Soldaten [...] des katholischen Königs von Spanien und des
Heiligen Vaters Papst machten mit.‘
23 Indias (‘Indien“‘) bezeichnet in der Kolonialzeit (hier dem von Kolumbus eingeführten
Sprachgebrauch folgend) Amerika (vgl. Morínigo 1996: 328).
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Modern gesprochen könnte man diese Verkürzung auch als gelungenen Slogan
einer Vermarktungsstrategie begreifen, die Abenteurer für die Kolonisierung
anwerben möchte.
Gleichzeitig überrascht das Gespür für die Wirksamkeit bestimmter Bilder in
Europa: Für Spanien ist die Neue Welt (laut Poma) zum Synonym für Edelmetalle
geworden.
Ganz wunderbar beschreibt folgende Passage die Jagd nach oro y plata. Der Text
setzt ein mit dem Aufbruch von Pizarro, Almagro und den spanischen Soldaten
nach Peru:
Y no quicieron descansar ningún día en los puertos. Cada día no se
hazía nada, cino todo era pensar en oro y plata y rriquiezas de las
Yndias del Pirú. Estauan como un hombre desesperado, tonto, loco,
perdidos el juicio con la codicia del oro y plata. A ueses no comía con
el pensamiento de oro y plata. A ueces tenía gran fiesta, pareciendo
que todo oro y plata tenía dentro de las manos. A cido como un gato
casero quando tiene al rratón dentro de las uñas, entonces se huelga.
Y ci no, siempre azecha y trauaja y todo su cuidado y pensamiento se
le ua allí hasta coxello; no para y cienpre vuelve allí.
Ací fue los primeros hombres; no temió la muerte con el enterés de
oro y plata. Peor son los desta uida, los españoles corregidores,
padres, comenderos. Con la codicia del oro y plata se uan al ynfierno24
(374 [376]).
Der Hendiadyoin oro y plata durchzieht wie ein Mantra den Text, wobei der Text
das Denken der Spanier reflektiert, deren Geist von der Fixierung auf oro y plata
vernebelt ist: Sie tun nichts, außer an Gold und Silber zu denken, manchmal
essen sie nicht, vor lauter Denken an Gold und Silber, sie gebärden sich wie
24 ‘Und sie wollten nicht einen Tag in den Häfen ausruhen. Sie taten nichts, dachten nur an
Gold und Silber und die Reichtümer von Peru. Sie waren wie ein verzweifelter Mann, töricht,
verrückt, die in ihrer Gier nach Gold und Silber den Verstand verloren haben. Manchmal aßen
sie nichts vor lauter Denken an Gold und Silber. Manchmal feierten sie ein großes Fest und
schienen alles Gold und Silber in ihren Händen zu halten. Sie waren wie eine Hauskatze, wenn
sie eine Maus in ihren Krallen hat, entspannt sie sich. Und wenn sie sie nicht hat, lauert sie
immer und arbeitet, und alle ihre Sorgen und Gedanken sind dort, bis sie sie gefangen hat; sie
hört nicht auf und kehrt immer wieder dorthin zurück.
So waren die ersten Männer, die mit dem Begehren nach Gold und Silber keine Angst vor dem
Tod hatten. Schlimmer sind die der heutigen Zeit, die spanischen Amtsmänner, Priester,
Priore. Mit ihrer Gier nach Gold und Silber fahren sie zur Hölle.‘
Wehrheim: Ernährt ihr euch von diesem Gold?
71
Verrückte, sie stürzen in Verzweiflung, dann sind sie wieder himmelhochjauchzend,
als hätten sie das ganze Gold und Silber schon in den Händen. Die
Metapher der Hauskatze zeigt erneut die Fähigkeit Pomas die Hast und Unruhe
der Spanier in ein passendes Bild zu bringen: Die Hauskatze wird erst ruhig,
wenn sie die Maus in ihren Krallen hat.
Es scheint fast so, als brauchten die Spanier Gold, um zu überleben – und genau
diesen Gedanken illustriert das folgende Bild, dessen Text zur Betitelung dieses
Beitrags diente:
Abb. 3: Guamán Poma de Ayala (circa 1615: 369 [371])
Das Bild zeigt den Spanier Candía und den Inca Huayna Capac (Poma [circa
1615]: 369 [371]) bei einer fingierten Begegnung in Cuzco: Wie Sprechblasen im
Comic ist zwischen beiden folgender Dialog abgebildet:
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Conquista/ Gvaina Capac Inca / Candía, español / Cay coritacho
micunqui? [¿Es éste el oro que comes?] / Este oro comemos. / en el
Cuzco /25
Das Bild illustriert eine Begegnung, die es nie gegeben hat. Zwar landete Candía
tatsächlich 1527 in Tumbes, drang aber nicht ins Land ein. Huayna Capac verstarb
1527. Das Bild greift also historische Fakten auf (Landung von Candía, das
Wissen um Gold im Inkareich, die Figur des Inka Huayna Capac) und bettet
darin eine Begebenheit ein, die so nie stattgefunden haben kann. Im fingierten
Dialog spricht der Inka Quechua, der Spanier Spanisch – insofern haben wir
auch hier wieder ein realistisches Setting. Auch der Inhalt entspricht einer
durchaus vorstellbaren Unterhaltung: Möglicherweise glaubten die Indigenen,
die Spanier ernährten sich von Gold, weil nur so das suchthafte Verhalten
erklärbar schien.
Mehr als eine Abbildung einer realen Begebenheit möchte ich die Zeichnung
von Poma aber als Allegorie begreifen, die die koloniale Praxis der Aneignung
des Goldes zeigt: Die Spanier verhalten sich so, als bräuchten sie das Gold zum
Überleben und die Inka verweigern ihnen die Nahrung nicht.
Gleichzeitig entlarvt die Illustration (in Wort und Bild) die ungeheure Goldgier
als eigentlichen Movens für die Conquista: Nicht, wie die spanischen Autoren
anführen, ist die Christianisierung der Indigenen der Grund für die Eroberung,
sondern reine Habsucht – eine der sieben Todsünden des Christentums.
Die Kritik von Poma zielt also ins Mark des Kolonialsystems. Er bestreitet, dass
die Spanier nach Amerika gekommen seien, um das Christentum zu verbreiten.
Sie sind getrieben von ihrer Gier und werden deshalb (so der 2. Teil des Zitats)
in der Hölle landen: „los españoles corregidores, padres, comenderos. Con la
codicia del oro y plata se uan al infierno”. Mit dieser Anklage wird jedwede
theologische Rechtfertigung der weiteren Beherrschung Perus obsolet.
6. Pomas Bild eines Wirtschaftens zum Wohle aller
Poma kritisiert die koloniale Praxis als menschenverachtend, als unchristlich
und klagt die exzessive Habgier der Kolonialherren an. Unter spanischer Herrschaft
regieren Gewalt, Ausbeutung, Ungerechtigkeit. Modern gesprochen geht
25 ‘Eroberung / Huayna Capac Inca / Candía, Spanier / Cay coritacho micunqui? [Ernährt ihr
euch von diesem Gold?] / Dieses Gold ist unsere Nahrung. / In Cuzco/.‘
Wehrheim: Ernährt ihr euch von diesem Gold?
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es den Conquistadoren um schnellen Profit. Das war bei den Inka anders. Dabei
steht Poma den Inka durchaus kritisch gegenüber, da er (als Christ) ihr Götzentum
anprangert. Aber er erkennt das Staats- und Wirtschaftssystem des Inkastaates
als gerecht an und zeigt, dass hier ‚nachhaltig‘ produziert wurde –
zumindest litten die Menschen keinen Hunger. Im letzten Teil seiner Chronik
stellt Poma der Sucht nach schnellem Reichtum und Ausbeutung der Ressourcen
den Aufbau des Agrar-Jahres im Inka-Reich gegenüber und beschreibt,
welche Arbeiten die Indigenen wann verrichten. Hier zeigt sich ein nachhaltiges
Wirtschaften, in einer Agrarwirtschaft, die sich an die harten Anbau-Bedingungen
des Andengebirges und die ressourcensparenden Notwendigkeiten anpasst.
In vorspanischer Zeit hätten die Inka Sorge getragen, dass die Früchte des
Feldes nicht unreif oder zu hastig geerntet werden, damit die Vorräte das ganze
Jahr reichten (1137 [1147]). Im März werde begonnen, Vorräte anzulegen, damit
es den Menschen im ganzen Jahr an nichts fehle.
Oftmals beklagt er, dass die Indigenen nun nichts mehr zu essen hätten, dabei
sei das Land reich. Er bittet den König, die Menschen den Boden bearbeiten zu
lassen und den Menschen (und dem König) würde es an nichts mehr fehlen.
Deutlich richtet sich seine Kritik gegen die Verpflichtung, in Minen zu arbeiten,
dadurch würden die Felder nicht mehr bestellt und die Menschen würden
Hunger leiden.26
Die Zeichnungen, die diesen Abschnitt begleiten, zeigen die verschiedenen
Phasen der Feldarbeit, sind harmonisch und friedlich ausgestaltet, sie zeigen
Menschen bei der gemeinsamen Arbeit, die verknüpft ist mit rituellen
Praktiken: Das Bild zu den Arbeiten im Monat August zeigt die Feldarbeit im
Kontext kultureller Aktivitäten. Der Text erläutert: „Travaxa / Huilli chacra
iapvicvi pacha [cantos triunfales, tiempo de abrir la tierra] agosto/ Yapuy
Quilla [mes de abrir las tierras]”27 (1153 [1163]). Im Bild selbst ist der Text eines
Liedes zu lesen:
Trabajo / Hailli chacraia puicupacha, August yaquayquilla [época de
regocijarse, en este mes de sembras la mies] / ayau haylli, ayau
haylliyau [mes de arar la tierra] / ayauhaylli, yau / ayau hayllyau
26 Insbesondere im Kapitel „Camina el autor“ 1095 [1105] – 1103 [1113] beschreibt Poma, auf
seinem Weg durch das Andengebiet nach Lima, die Verarmung des Landes.
27 ‘Arbeit / Huilli chacra iapvicvi pacha [Triumpfgesänge / Zeit, um die Erde umzugraben]
August / Yapuy Quilla [Monat, um die Erde umzugraben].‘
metaphorik.de 33/2023
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[canto de regocijo en la siembra o cosecha]; chaymi lo ya chaymi palla
[allí, allí, Palla] ayalli, ahaylli [qué bonito, qué bonito] / agosto, hacra
yapuy 28 (Poma, in der Transkripion und Übersetzung von Franklin
Pease 1980).
Abb. 4: Cantos triumfales, tiempo de abrir la tierra, agosto, Guamán Poma de Ayala (circa 1615):
1153 [1163]
Wenn man so will, haben wir hier ein Gegenprogramm zur exzessiven Ausbeutung
der Ressourcen, die (so Poma) wenigen dient und den Großteil der Bevölkerung
verarmen und verhungern lässt. Hier zeigt sich ein gemeinsames
Arbeiten, von dem alle etwas haben und das sich den Zyklen und Möglichkeiten
der Natur anpasst.
28 ‘Arbeit / Hailli chacraia puicupacha, August yaquayquilla [Zeit, um sich zu freuen, in
diesem Monat, das Korn zu säen] / ayau haylli, ayau haylliyau [der Monat, in dem die Erde
gepflügt wird] / ayauhaylli, yau / ayau hayllyau [Gesang der Freude beim Säen oder bei der
Ernte]; chaymi lo ya chaymi palla [dorthin, dorthin, Palla] ayalli, ahaylli [wie schön, wie schön]
/ August, hacra yapuy‘ [Übersetzung von Elmar Schmidt].
Wehrheim: Ernährt ihr euch von diesem Gold?
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7. Neue Perspektiven auf Chroniken unter Nachhaltigkeitsaspekten
Die koloniale Praxis setzte auf schnelle Ausbeutung. Nachhaltigkeitsdenken
liegt hier fern. Wären die Kolonisatoren endlos so weiter verfahren, hätten sie
den Kolonien die wirtschaftliche Basis entzogen: In der Karibik starben in Kürze
so viele Menschen, dass billige Arbeitskräfte (Sklaven) aus Afrika geholt
werden mussten, um das Wirtschaftssystem aufrecht zu erhalten. Auf dem
Festland agierte man anders. Hier entwickelten sich unterschiedliche Produktionsformen:
Den Spaniern wurden auf den Encomiendas Indianer zugewiesen,
die für sie arbeiten mussten. Dafür sollten sie ernährt und christianisiert
werden. Im Unterschied zu den Afrikanern durften die Indigenen nicht versklavt
werden. Indigene litten jedoch weiterhin unter den Arbeitsbedingungen
auf den Encomiendas und in den Bergwerken, wo sie im Prinzip der Mita zur
Arbeit zwangsverpflichtet wurden. Andererseits überdauerten aber auch indigene
Strukturen in den Repúblicas de Indios, die nach wie vor Gemeinschaftsbesitz
hatten, allerdings vielfältig mit dem kolonialen Markt verwoben waren.29
Modern gesprochen stellte die koloniale Expansion ein riesiges Extraktionsprogramm
dar, insofern einem Kontinent massenhaft Edelmetall, Rohstoffe und
menschliche Arbeitskraft entzogen wurden. Genau in diesem Punkt werden in
Lateinamerika häufig Analogien zur gegenwärtigen Situation gesehen. Hier ist
es ein verbreiteter Topos eine Kontinuität der kolonialen Ausbeutung hin zum
neokolonialen bzw. neoliberalen Extraktivismus der Gegenwart zu postulieren.
Repräsentativ für diese Argumentationslinie sind die Schriften des uruguayischen
Schriftstellers und Journalisten Eduardo Galeano, allen voran Las venas
abiertas de América Latina, erstmals 1971 publiziert, der die Ausbeutung des
lateinamerikanischen Kontinents durch externe Mächte seit Beginn der ‚Entdeckung‘
anprangert30:
Desde el descubrimiento hasta nuestros días, todo se ha trasmutado
siempre en capital europeo o, más tarde, norteamericano, y como tal
se ha acumulado y se acumula en los lejanos centros de poder. Todo:
la tierra, sus frutos y sus profundidades ricas en minerales, los
29 Zu den zwei Republiken („dos repúblicas“) im kolonialen Mexiko siehe Gruzinski (2004:
233-254).
30 Auf Deutsch ist das Werk unter dem Titel Die offenen Adern Lateinamerikas erschienen (1972).
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hombres y su capacidad de trabajo y de consumo, los recursos
naturales y los recursos humanos31 (Galeano 2004: 16).
Auch die Populärkultur referiert auf diese Kontinuität.32 So greift etwa der
Dokumentarfilm Operación Diablo von Stephanie Boyd (2010) genau diesen
Topos auf. In dem Film der kanadischen Regisseurin geht es um den Ausbau
des gigantischen Goldbergwerks in Yanacocha bei Cajamarca. Die lokale Bevölkerung
fürchtet um die Zerstörung ihrer Lebensräume durch die Kontamination
der Flüsse und Seen und die Vergiftung weiter Naturräume.33 Der Film
zeigt die Proteste gegen den Ausbau der Mine, die gewaltsam niedergeschlagen
werden.34 Eine Animation des Films greift dabei die Bildersprache des Guamán
Poma auf und bezieht sie auf den aktuellen Kontext:
Abb. 5: Kolonialzeitlicher Extraktivismus – Referenz auf Guamán Pomas Darstellung der
Conquista, Screenshot aus dem Film Operación Diablo (2010)
31 ‘Seit der Entdeckung bis heute hat sich alles immer in europäisches oder später
nordamerikanisches Kapital verwandelt, und als solches hat es sich in den fernen
Machtzentren angesammelt und akkumuliert. Alles: das Land, seine Früchte und seine an
Mineralen reichen Tiefen, die Menschen und ihre Arbeits- und Konsumfähigkeit, die
natürlichen Ressourcen und die menschlichen Ressourcen.‘
32 Siehe dazu auch den Beitrag von Elmar Schmidt in diesem Band.
33 2000 verlor ein LKW eine Quecksilberladung in der Gegend von Choropampa, ohne dass
sich die verantwortlichen Unternehmen um die Bergung des Quecksilbers kümmerten. Die
Bewohner, die das Quecksilber aufsammelten, leiden seitdem unter den Folgeschäden.
Siehe dazu die Dokumentation: Choropampa: El precio del oro von Guarango (2014),
https://www.youtube.com/watch?v=cr-txUv0Zpo.
34 Zu diesem Film siehe Wehrheim (2013).
Wehrheim: Ernährt ihr euch von diesem Gold?
77
Abb. 6: Kolonialzeitlicher Extraktivismus – Referenz auf Guamán Pomas Darstellung der
Conquista, Screenshot aus dem Film Operación Diablo (2010)
Abb. 7: Extraktivismus heute – Ikonographische Aktualisierung der Bilder von Guamán
Poma im Kontext der Proteste gegen die Goldmine von Yanacocha, Screenshot aus dem Film
Operación Diablo (2010)
metaphorik.de 33/2023
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Abb. 8: Extraktivismus heute – Ikonographische Aktualisierung der Bilder von Guamán
Poma im Kontext der Proteste gegen die Goldmine von Yanacocha, Screenshot aus dem Film
Operación Diablo (2010)
Die Referenz auf die kolonialzeitlichen Praktiken macht der Text im Off explizit:
Hace 500 años la conquista de América del Sur empezó en esta misma
plaza [en Cajamarca]. En Inca Atahualpa se reúne con una banda de
españoles que prometen venir en paz. Es una trampa. Lo secuestran.
Para rescatarlo los seguidores del Inca llenan un cuarto con oro y dos
con plata. Pero los españoles matan al Inca y reclaman su imperio para
la corona.
Hoy Cajamarca es una vez más el escenario de una batalla por el oro35
(Boyd 2010).
Kolonialzeitliche Texte beschreiben und reflektieren also bereits im 16./17. Jahrhundert
den enthemmten Zugriff des Menschen auf Ressourcen. Bereits zu
Beginn der Kolonialzeit wird dieses Verhalten aber auch kritisch reflektiert und
die Folgen, wie die Zerstörung der Lebensräume, thematisiert. Heute bilden die
Texte oftmals die Referenz für eine Kritik am immer gleichen Verhalten und an
der strukturellen Ausbeutung durch ein auf Profit ausgelegtes kapitalistisches
System – wobei das Postulat der Kontinuität kolonialer Strukturen gelegentlich
verschleiert, dass heimische Eliten und nicht allein externe Interessengruppen
vom Fortbestand neokolonialer Strukturen profitieren.
35 ‘Vor 500 Jahren begann die Eroberung Südamerika genau auf diesem Platz [in Cajamarca].
Der Inca Atahualpa trifft sich mit einer Truppe von Spaniern, die versprechen in Frieden zu
kommen. Es ist eine Falle. Sie entführen ihn. Um ihn zu befreien, füllen die Getreuen des Inca
einen Raum mit Gold und zwei Räume mit Silber. Aber die Spanier töten den Inca und
beanspruchen sein Reich für die Krone. Heute ist Cajamarca erneut Schauplatz eines Kampfes
um das Gold.‘
Wehrheim: Ernährt ihr euch von diesem Gold?
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8. Quellenverzeichnis
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Edición en línea: http://www.kb.dk/permalink/2006/poma/info/
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8.3 Filme
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