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Der ökologische Fußabdruck im Deutschunterricht.
Auf Spurensuche nach dem sprachdidaktischen Potenzial einer
Metapher
Christian Hoiß, Ludwig-Maximilians-Universität München
(christian.hoiss@lmu.de)
Abstract
Der ökologische Fußabdruck ist ein häufig verwendetes Hilfsmittel bei der Darstellung erdsystemischer
Auswirkungen durch den Menschen. Er verdeutlicht, wie individuelle und
kollektive Lebensstile die Erde langfristig beeinflussen, dient also als Messinstrument dafür,
wie umweltverträglich oder -schädlich bestimmte kulturelle Praktiken sind. Der ökologische
Fußabdruck ist im öffentlichen Diskurs zum allgemein anerkannten Indikator für nachhaltiges
Handeln avanciert, der z.B. in Medien und Bildung rege aufgegriffen wird, um Reflexionsprozesse
anzustoßen. Wie die rechnerische Komplexität des Instruments selbst bleibt auch die
sprachliche Komplexität der Metapher des ökologischen Fußabdrucks in der Regel unreflektiert.
Das nur dem ersten Anschein nach einfache Bild verweist auf eine Vielzahl kognitiver
Strukturen und normativer Implikationen. Neben einer Analyse der Metaphorik des ökologischen
Fußabdrucks und einer kulturwissenschaftlichen Kritik zeigt der Beitrag Wege auf, wie
in diesem Kontext sprachliche Lernprozesse initiiert werden können.
The ecological footprint is a frequently used tool in the representation of man-made effects on
the Earth system. It illustrates how individual and collective lifestyles influence the Earth in
the long term, thus serving as a measuring instrument for how environmentally compatible or
harmful certain cultural practices are. The ecological footprint has become a generally
recognized indicator for sustainable behaviour in public discourse which is actively picked up
in the media and in education in order to initiate self-reflective processes. Like the
mathematical complexity of the ecological footprint, the linguistic complexity of the metaphor
does usually not receive any attention either. The only seemingly simple image points to a
multitude of cognitive structures and normative implications. In addition to an analysis of the
metaphorical content of the ecological footprint and a critique from the perspective of cultural
studies, the article shows ways in which language learning processes can be initiated in this
context.
1. Einleitung
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde der ökologische Fußabdruck ein häufig
verwendetes Hilfsmittel bei der Darstellung erdsystemischer Auswirkungen
durch den Menschen. Er verbildlicht den langfristigen Einfluss individueller
und kollektiver Lebensstile auf die Erde, dient also als Messinstrument dafür,
wie umweltverträglich oder -schädlich bestimmte kulturelle Praxen sind (cf.
Wackernagel/Beyers 2010). Zugleich ist das Errechnen des ökologischen Fußabdrucks
selbst mittlerweile als kulturelle Praxis zu bezeichnen (cf. Girvan
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2018), denn im öffentlichen Diskurs ist er zu einem allgemein anerkannten
Indikator avanciert, der neben den Medien vor allem auch in der Bildung rege
aufgegriffen wird, um Reflexionsprozesse anzustoßen und Verhaltensweisen
zu regulieren (cf. u.a. Lambrechts/van Liedekerke 2014; McNichol/Davis/
O‘Brien 2011).
Dabei bleibt die Komplexität des Instruments jedoch in der Regel genauso
unberücksichtigt wie seine sprachliche Beschaffenheit; beides tritt oft zugunsten
(vermeintlich) leicht verständlicher Zahlen in den Hintergrund. Bei der
Feststellung eines bestimmten Verbrauchs wird beispielsweise von „vier
Erden“ pro Jahr gesprochen, wenn eine Person, Institution, Nation etc. so viel
Ressourcen verbraucht, dass man auf die ganze Weltbevölkerung gerechnet die
Ressourcen von vier Erden bräuchte, damit diese Bedürfnisse langfristig gestillt
werden und die Ökosysteme sich ausreichend erholen können (cf. Abbildung
2). In diesem Zusammenhang werden Chancen und Lernpotenziale im didaktischen
Kontext bislang nur vereinzelt aufgegriffen (cf. Kirchhoff/Mölter/Hoiß
2022). Gerade die sprachlichen Implikationen, die die Metapher des ökologischen
Fußabdrucks transportiert, bieten Anlass zu kritischer didaktischer
Reflexion.
Nach einer Begriffsbestimmung und der Beschreibung seiner naturwissenschaftlichen
Grundlagen (1) erfolgt daher im vorliegenden Beitrag eine Analyse
der Metapher des ökologischen Fußabdrucks (2). Die anschließende kulturwissenschaftliche
Kritik (3) mündet in einer Beschreibung des Potenzials des
Konzepts für das sprachliche Lernen (4). Der Beitrag endet mit einem Plädoyer
für ein neues deutschdidaktisches Forschungsparadigma, das neben konventionellen
Lernzielen auch eine tiefere Auseinandersetzung mit globalen kulturellen
Zusammenhängen im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung
(BNE) einfordert (5).
2. Der ökologische Fußabdruck: Grundlagen
Die globalen Umweltveränderungen durch den Menschen sind seit den 1950er
Jahren in allen Bereichen exponentiell gestiegen (cf. Steffen et al. 2015). Es
besteht eine deutliche Korrelation zwischen einer wachsenden Population der
Spezies Mensch, zunehmender menschlicher Aktivität (Düngereinsatz, Energieverbrauch,
Dammbau, Wasserverbrauch, Papierproduktion, Mobilität, Tourismus,
Transport etc.) und den globalen Veränderungen des Erdsystems
Hoiß: Der ökologische Fußabdruck im Deutschunterricht
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(Konzentration atmosphärischen Kohlenstoffdioxids bzw. von Stickoxiden und
Methan, Übersäuerung der Meere, Verlust tropischen Regenwaldes etc.). Diese
Trends stehen in unmittelbarem Zusammenhang zum Aufkommen neuer
Lebensstile, sie haben also anthropogene Ursachen:
Die Explosion der Weltbevölkerung, globale Infrastrukturierung und
ökonomische Globalisierung sowie wohlfahrtsgesellschaftliche Konsumeskalation
gehen Hand in Hand mit dem Kollaps von Ökosystemen,
der Verschwendung von Ressourcen, dem Artensterben
und der Erderwärmung (Kersten 2014: 17).
Häufig wird daher in der Wissenschaft metaphorisch artikuliert, dass der Planet
unter Druck stehe (A Planet Under Pressure; cf. Steffen et al. 2004). Ein Instrument,
um diesen Druck des Menschen auf die Erdsysteme zu messen, ist der ökologische
Fußabdruck. Da er den Verbrauch natürlicher Ressourcen mit wissenschaftlichen
Methoden erhebt, wird er auch als Nachhaltigkeitsindikator verstanden.
Der Begriff stammt ursprünglich aus der Sozialbiologie und beschreibt
die ökologische Tragfähigkeit (ecological carrying capacity) bzw. Regenerationsfähigkeit
von Systemen bzw. Lebensräumen, misst also die größtmögliche Zahl
an Lebewesen, die auf unbestimmte Zeit in einem definierten Lebensraum
nachhaltig leben können und diesem Raum durch ihre Existenz keinen langfristigen
Schaden zufügen (cf. Hardin 1991).
Mathis Wackernagel und William Rees entwickelten daraus ein Rechenmodell,
mit dessen Hilfe sich die notwendige Land- und Wasserfläche errechnen lässt,
die man benötigt, um den Ressourcenverbrauch der Menschen sowie die daraus
entstehenden Schädigungen und Belastungen für die Ökosysteme zu kompensieren.
Weil nicht jede räumliche Einheit über die exakt gleiche Produktivität
(also Trag- und Regenerationsfähigkeit) verfügt, werden sowohl der jeweilige
Fußabdruck als auch die Biokapazität standardisiert in globalen Hektar (gha)
berechnet. Ein globales Hektar entspricht einem Hektar biologisch produktiver
Oberfläche (etwa Heiden, Wiesen, Wälder, Gewässer etc.), angepasst an die
weltweit durchschnittliche Produktivität (cf. Wackernagel et al. 2019). Die
Methode des ökologischen Fußabdrucks stellt also einen Versuch dar, die
Nachfrage der Menschen in Bezug auf die natürlichen Ressourcen – was dann
als Fußabdruck dargestellt wird – in Zahlen zu fassen und mit den vorhandenen
regenerativen Kapazitäten der Erde ins Verhältnis zu setzen (cf. Galli et al. 2007:
250).
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Seine Erfinder, Mathis Wackernagel und William Rees, haben das Konzept 1994
ausgearbeitet und seitdem hat es sich zu einem der weltweit führenden Messinstrumente
für den globalen Ressourcenverbrauch durch den Menschen entwickelt.
2003 wurde von Wackernagel (und Susan Burns) das Global Footprint
Network gegründet, ein NGO und Forschungseinrichtung, die neben aktuellen
Berechnungen jedes Jahr den Tag ermittelt, an dem rechnerisch die Jahresressourcen
der Erde für die aktuell lebende Zahl an Menschen aufgebraucht
sind. Der Tag ist als Earth Overshoot Day (dt.: „Erdübernutzungstag“) bekannt.
Das war im Jahr 2021 der 29. Juli, was bedeutet, dass die Menschheit an allen
restlichen Tagen des Jahres über ihre Verhältnisse gelebt hat. „Measure what
you treasure” ist daher das Motto der Forschungseinrichtung Global Footprint
Network, die das Konzept des ökologischen Fußabdrucks mit Daten unterfüttert
und als Open Source zur Verfügung stellt sowie international aktive Businessund
Politikberatung für Nachhaltigkeit und Klimaschutz betreibt.
Im Zentrum der Bemühungen des Global Footprint Networks steht die Frage, wie
viel der regenerativen Kapazität des Planeten durch menschliche Aktivität
beansprucht wird. So werden Aussagen generiert, die den kollektiven oder
individuellen Verbrauch mit einer bestimmten Anzahl an ‚Erden‘ ins Verhältnis
setzt. Was vom Prinzip her einfach klingt, ist in der genauen Bestimmung sehr
komplex. Die zugrundeliegenden volkswirtschaftlichen und umweltwissenschaftlichen
Parameter sowie die notwendigen statistischen Erhebungen werden
für die landläufig verwendeten sogenannten Fußabdruckrechner enorm
vereinfacht, was als didaktisches Verfahren der Informationsreduktion zu
werten ist, zugleich aber ungemein voraussetzungsreich ist (cf. Kirchhoff/
Mölter/Hoiß 2022). In den Rechnern – Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt aus
dem Fußabdruckrechner des Global Footprint Networks (cf. York University
Ecological Footprint Initiative/Global Footprint Network 2022) – werden von
den Nutzer:innen unterschiedliche Bereiche des Lebens beleuchtet (z.B. Ernährung,
Mobilität, Wohnen). Fragen wie „Wie oft essen Sie tierische Produkte?“
werden über mehrstufige Antwortskalen (z.B. zwischen „nie“ und „sehr
oft“) beantwortet und schließlich individuell quantifiziert, sodass man am Ende
erfährt, wie hoch der eigene Verbrauch in globalen Hektar ist oder wie viele
Erden man bräuchte, wenn alle Menschen so lebten wie man selbst (cf.
Abbildung 2).
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Abb. 1: Ausschnitt aus dem Fußabdruckrechner des Global Footprint Networks (Creative
Commons Lizenz)
Abb. 2: Mögliches Ergebnis nach Beantwortung der Fragen im Fußabdruckrechner des
Global Footprint Networks (Creative Commons Lizenz)
Im pädagogisch-didaktischen Kontext ist jedoch durchaus kritisch zu betrachten,
dass die diversen Fußabdruckrechner vor allem auf eine individuelle Verhaltensänderung
oder -regulierung abzielen. So erfolgt auch der schulische
Einsatz der Rechner oft noch nach der umweltpsychologisch und politisch
naiven Vorstellung, das bloße Wissen über die Höhe des eigenen Ressourcenverbrauchs
führe zu nachhaltigen Veränderungen beim Individuum und
dass diese Veränderungen große Auswirkungen auf Phänomene wie den
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Klimawandel haben. Diese einseitige Beanspruchung des Individuums für
globale Probleme lässt jedoch außer Acht, dass insbesondere auf politischstruktureller
Ebene Veränderungen notwendig wären, auf die gerade im
Unterricht näher einzugehen wäre. Auch Jana Tereick sieht darin eine starke
Tendenz, ethisch-moralische Verantwortung beim Individuum anzusiedeln,
etwa indem man den eigenen Abdruck verbessert. Zudem erkennt sie im
ökologischen Fußabdruck vor allem einen Handlungsappell an das Individuum,
das einen weniger tiefen Fußabdruck hinterlassen und diesen durch Kompensationsleistungen
ausgleichen solle (cf. 2016: 361).
Zugleich ist festzuhalten, dass diese kulturelle Praxis des Errechnens des
individuellen Fußabdrucks nicht dem Grundanliegen der Erfinder des ökologischen
Fußabdrucks entspringt. Denn zum einen wurde das Instrument des
ökologischen Fußabdrucks geschaffen, um vor allem für Regierungen, Firmen
und andere Organisationen eine wissenschaftlich fundierte und nachvollziehbare
Aussage darüber treffen zu können, wie hoch und wie (wenig) nachhaltig
ihr Ressourcenverbrauch in verschiedenen Bereichen und im Vergleich
z.B. zu anderen Ländern ist. Zum anderen legen seine Erfinder großen Wert
darauf, Vorwürfe zu entschärfen, dass sie mit ihrer Methode Menschen eine
bestimmte Art des Lebens (z.B. eine asketischere) vorschreiben möchten und
bekräftigen, dass ihr Instrument „keine vorgefertigte Moral“ (Wackernagel/
Beyers 2010: 12) habe. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich
hinter den Anliegen eines guten und erfüllten Lebens für alle normative
Implikationen verbergen, sodass der ökologische Fußabdruck auch als Wertevehikel
fungiert, da er nach bestimmten kognitiven Schemata funktioniert, die
normativ aufgeladen sind (z.B. DRUCK IST NEGATIV, KEIN bzw. WENIGER DRUCK IST
POSITIV; cf. Kapitel 2.4).
3. Analyse der Metapher des ökologischen Fußabdrucks
Die Metapher des ökologischen Fußabdrucks ist im Sprachgebrauch und der
Kommunikation über globale Umweltfragen kein Einzelfall. Metaphorische
Ausdrücke wie der Treibhauseffekt, Kipppunkte, der fortschreitende Klimawandel
oder Klimaschutz bzw. Klimarettung prägen und strukturieren den Diskurs und
die Imagination der Menschen über die ansonsten nicht sinnfälligen Phänomene
(cf. Grassinger 2018). Jana Tereick zeichnet dies in ihrer Arbeit zur
multimodalen Diskursanalyse des Klimawandels (2016) eindrücklich nach. Im
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Kontext der Klimadiskurse können mithilfe von Metaphern bestimmte Aspekte
des Diskurses besonders beleuchtet werden, wodurch komplexe Kausalitäten
veranschaulicht werden (z.B. dass die Erdatmosphäre ein Treibhaus ist).
Zugleich können mithilfe von Metaphern aber auch normative Aussagen mit
appellativem Charakter gemacht werden (z.B. über die Verantwortung des
Menschen in der Metapher der Klimarettung). Dass Metaphern eine fokussierende
Funktion haben, steht in direktem Zusammenhang mit ihrem narrativen
Potenzial: Sie werden gerne weitererzählt und das macht sie zum bevorzugten
Mittel der Umweltkommunikation (cf. Tereick 2016: 313).
Die beschriebenen Zusammenhänge beziehen sich auf die Grundlagen der
kognitiven Linguistik, wie sie von Lakoff und Johnson 1980 unter dem Titel
Metaphors we live by formuliert wurden. Dementsprechend wird die Verwendung
von Metaphern weniger auf einer Wortebene, sondern einer kognitivstrukturellen
Ebene gesehen, die sowohl unser Denken als auch unser Handeln
durchdringt (cf. Lakoff/Johnson 2000: 11):
Unser alltägliches Konzeptsystem, nach dem wir sowohl denken als
auch handeln, ist im Kern und grundsätzlich metaphorisch. Konzepte,
die unser Denken strukturieren, sind nicht auf den intellektuellen
Bereich begrenzt. Sie lenken auch unser nichtreflektiertes Alltagshandeln
bis in die prosaischsten Einzelheiten. Unsere Konzepte strukturieren
das, was wir wahrnehmen, wie wir uns in der Welt bewegen
und wie wir uns auf andere Menschen beziehen. Folglich spielt unser
Konzeptsystem bei der Definition unserer Alltagsrealitäten eine
zentrale Rolle (ibid.).
Dies gilt in besonderem Maße für die Versprachlichung von klimabezogenen
Phänomenen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit und globalen Emergenz für die
menschlichen Sinne nicht wahrnehmbar sind. Metaphern finden daher im
Reden über den Klimawandel besonders rege Verwendung (cf. Grassinger 2018,
14; auch Harré/Brockmeier/Mühlhäusler 1999) und eignen sich so auch als
Ausgangspunkt für die Erschließung naturwissenschaftlicher Bildungsangebote
im Kontext des Klimawandels (cf. Niebert/Gropengiesser 2013 und
2015).
Definitorisch befindet sich die Metapher an der „Schnittstelle zwischen kognitiven
und ästhetischen Zugangsweisen zur Welt“ (Gansen 2010: 417). Darauf
aufbauend und mit Bezug auf Lakoff und Johnson handelt es sich nach Rudolf
Schmitt dann um eine Metapher, wenn
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a. ein Wort/eine Redewendung in einem strengen Sinn in dem für
die Sprechäußerung relevanten Kontext mehr als nur eine
wörtliche Bedeutung hat; und
b. die wörtliche Bedeutung einem prägnanten Bedeutungsbereich
(Quellbereich) entstammt,
c. jedoch auf einen zweiten, oft abstrakteren Bereich (Zielbereich)
übertragen wird (Schmitt 2003: 5).
Bei der Wortkombination ökologischer Fußabdruck trifft Kriterium (a) offensichtlich
zu: Die wörtliche Bedeutung der Lexeme ökologisch und Fußabdruck
ergibt keinen Sinn und verweist auf einen semantischen Zusammenhang, der
deutlich über die Bedeutung der Einzelkomponenten hinausreicht (cf. Einleitung).
Doch gerade die Verbindung des Quellbereichs (b) und Zielbereichs (c)
stellt sich im Detail durchaus als Problem (auch im Verstehensprozess der
Schüler:innen) dar, nicht zuletzt aufgrund der komplexen Wortzusammensetzung:
Die folgende Analyse der Metaphorik des ökologischen Fußabdrucks dient
daher als Grundlage für die spätere kulturwissenschaftliche Kritik und die
Impulse für das sprachliche Lernen.
3.1 Ökologisch
Beim ökologischen Fußabdruck ist der Mensch als Verursacher semantisch
,verborgen‘.1 Zwar symbolisieren Fußspuren, die sich semantisch eigentlich
vom Fußabdruck noch einmal unterscheiden, die physische Präsenz des
Menschen (cf. Böhmer 2021: 207), doch die verursachende Person ist in der
Metapher bereits nicht mehr präsent. Der Abdruck steht also nur noch für deren
Abwesenheit bzw. macht ihre vergangene Anwesenheit sichtbar. Im Kontext
des ökologischen Fußabdrucks ist dies jedoch doppelt problematisch. Zum einen
ist die reale Belastung auf die Erde durch den Menschen nach wie vor vorhanden
und die menschliche Aktivität keine flüchtige Tätigkeit. Zum anderen
verzerrt das Adjektivattribut ökologisch semantisch gesehen das Verhältnis
1 Kognitive Mechanismen, die dafür sorgen, dass bestimmte Aspekte oder Facetten im
metaphorischen Ausdruck besonders hervorgehoben oder ausgeblendet werden, werden
nach Lakoff und Johnson als Beleuchten und Verbergen (highlighting und hiding; cf. 2000: 18-21)
bezeichnet (s. dazu auch Meer; Scheitza/Visser i.d.H.).
Hoiß: Der ökologische Fußabdruck im Deutschunterricht
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zwischen schädigender und geschädigter Instanz, denn im Grunde handelt es
sich um einen menschlichen Fußabdruck, der für Schäden in und an der Ökosphäre
steht. Nicht die Ökosphäre hinterlässt den Fußabdruck, sondern der
Mensch hinterlässt ihn in der Ökosphäre.2
3.2 Fuß
Der Fuß kann metaphorisch für die Wanderung durchs Leben, das Leben selbst,
für den Menschen als pars pro toto (von Kopf bis Fuß, mit beiden Füßen im Leben
stehen), für die Freiheit (auf freien Fuß gesetzt werden), aber auch für Macht
(jemandem den Fuß auf den Nacken setzen, jemandem auf die Füße treten), Gewalt
(mit jemandem auf Kriegsfuß stehen) und Unterwerfung (jemandem zu Füßen fallen
oder die Füße waschen) stehen (cf. Zwipp 2019). Der Aspekt des Unterwerfens
und Gefügigmachens offenbart sich unter anderem auch in metaphorischen
Ausdrücken wie dem Betreten eines Grundstückes oder von Land ganz
allgemein; es ist als machtbeanspruchender Akt zu werten, der sprachlich durch
den Fuß realisiert wird.
Bei der Metapher des ökologischen Fußabdrucks changiert die Bedeutung des
Fußes zwischen mehreren Orientierungsmetaphern im Sinne von Lakoff und
Johnson (cf. 2000: 22-30):
KONTROLLE UND MACHT AUSÜBEN IST OBEN vs. KONTROLLE UND MACHT
AUSGESETZT SEIN IST UNTEN: Diese Orientierungsmetapher wirkt im
ökologischen Fußabdruck auf zweifache Weise. Der Fuß steht für die Macht
des Menschen über die Erde. Als Kontrolle ausübende Instanz steht der
Mensch daher oben, die Erde als kontrollierte und unterworfene Instanz
befindet sich unter ihm. Das Ausüben der menschlichen Macht findet sich
auf einer zweiten Ebene auch im Instrumentarium des Fußabdruckrechners,
denn durch den Prozess des Vermessens der gesamten global verfügbaren
natürlichen Ressourcen durch den Menschen und für die Zwecke des
Menschen wird die Natur in menschliche Metriken eingeebnet und deren
systemimmanenter Logik unterworfen.
2 Diese Logik rekurriert auf die im ökologischen Fußabdruck angelegte Dichotomie
zwischen Mensch (Kultur) und Umwelt (Natur), eine künstliche Trennung, die in der
Vergangenheit vielfach kritisiert wurde. Denn der Mensch ist immer auch ein natürliches
Wesen und als solches Teil der Natur, der Umwelt oder der Ökosphäre.
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MEHR IST OBEN vs. WENIGER IST UNTEN: Diese Orientierungsmetapher enthält
auch eine ethisch-moralische Wertigkeit mit anthropozentrischer Prägung:
Der Mensch und seine Bedürfnisse sind wichtiger als der Rest der Welt.
GESUNDSEIN IST OBEN vs. VERFALL UND ERKRANKUNG IST UNTEN: Dem Bild des
auftretenden Fußes ist eine Vitalität zu eigen, der zufolge eine vor Kraft
strotzende Menschheit schwungvoll voranschreiten kann und von oben die
Abdrücke setzt. Die vom Fuß stark beeinträchtigte und geschädigte Erde
befindet sich unter dem Fuß.
Darüber hinaus ist der Fuß auch metonymisch als pars pro toto zu verstehen. So
steht ein Teil des menschlichen Körpers, hier der Fuß, für den gesamten Menschen,
ja in bestimmten Kontexten sogar für die gesamte Menschheit. In diesem
Kontext ist darauf hinzuweisen, dass die Metonymie im Gegensatz zur Metapher
dann verwendet wird, wenn sich eine Entität auf eine andere bezieht, diese
also „für eine andere Entität steht“ (Lakoff/Johnson 2000: 47). Dies ändert jedoch
nichts an der Tatsache, dass der ökologische Fußabdruck als Gesamtbild als
Metapher einzuordnen ist.
3.3 Abdruck
Im Sinne von Lakoff und Johnson lässt sich der ökologische Fußabdruck – als
Metapher für alle Effekte individuellen oder kollektiven menschlichen Handelns
– als ontologische Metapher kategorisieren: „Wenn Dinge nicht eindeutig
Einzelgebilde sind oder scharfe Grenzen haben, dann kategorisieren wir sie so,
als ob sie diese Eigenschaften besäßen, z.B. Gebirge, Nachbarschaft, Hecke
usw.“ (Lakoff/Johnson 2000: 35). Konzeptuell müssten die Menschen so verfahren,
denn die von ihnen gesteckten Ziele könnten bezeichnenderweise nur
dann erreicht werden, wenn konzeptuelle Entitäten geschaffen werden, die von
einer Oberfläche eingegrenzt oder begrenzt sind (cf. ibid.). Der ökologische Fußabdruck
setzt künstliche Grenzen für nicht wahrnehmbare globale menschliche
Aktivitäten, die sich in der Metapher des Abdrucks eben deutlich sichtbar
machen lassen. Im Fußabdruck wird schließlich die Raumorientierung mit dem
Fuß – und damit mit der menschlichen Erfahrung mit dem eigenen Körper –
kombiniert. Folgende konzeptuelle Akzente lassen sich hierbei erkennen:
Gefäßmetapher: Menschen betrachten eine Vielzahl an Objekten als Gefäße
mit einer Innen- und einer Außenseite. Man geht beispielsweise in ein Haus
hinein, steht im Wald oder wandert durch ein Gebirge (cf. Lakoff/Johnson
Hoiß: Der ökologische Fußabdruck im Deutschunterricht
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2000: 39f.). Auch vom Menschen umgrenzte Gebiete wie Landflächen sind
metaphorisch gedacht als Gefäß zu verstehen (z.B. „In Deutschland gibt es
viele Straßen.“). Der ökologische Fußabdruck enthält eine solche Gefäßmetapher,
die ontologisch betrachtet einer Innen-Außen-Orientierung folgt.
Der Fußabdruck ist durch eine klar definierte Oberfläche gekennzeichnet,
er geht aber auch in die Tiefe, hat also ein Volumen und ist damit als Gefäß
vorstellbar. Interessanterweise scheinen wir den ökologischen Fußabdruck
aber nicht als in die Tiefe gehenden Abdruck zu konzeptualisieren, sondern
als sich vergrößernde oder verkleinernde Landfläche (z.B. „Tipps, wie Du
Deinen Fußabdruck verringern kannst“) oder in Einzelfällen gar als in die
Höhe gehende Fläche (z.B. „Klima-Fußabdruck der Superreichen 30-mal
höher als mit Pariser Abkommen verträglich“ (Oxfam Deutschland 2021:
o.S.)). Derartige Abgrenzungen sind immer „Akt[e] des Quantifizierens“
(Lakoff/Johnson 2000: 40) und korrelieren mit den vorangestellten
Ausführungen mit Blick auf die Erfinder des ökologischen Fußabdrucks, die
darin allem voran ein Instrument zur Vermessung der natürlichen
Ressourcen sehen.
Die an sich statische Gefäßmetapher erhält im Fußabdruck jedoch eine
dynamische Komponente, die mit der (natürlich nicht mehr sichtbaren, aber
a priori notwendigerweise vorhanden gewesenen) Bewegung des Fußes zu
tun hat. Als relationale Kraft geht der Druck des Fußes in eine bestimmte
Richtung und kreiert über die Berührung mit der Erde erst den Abdruck.
Da der Abdruck jedoch erst nach Verlassen des Fußes von der Oberfläche
des Fußabdrucks sichtbar wird, beinhaltet die Metapher des Fußabdrucks
immer auch eine gewisse Flüchtigkeit mit Blick auf die verursachende
Person, steht also für deren Ab- und Anwesenheit gleichermaßen. Der
Fußabdruck erscheint dabei ähnlich sichtbar wie die Fußspur, weniger flüchtig
als der Schatten aber intensiver als beispielsweise die Fährte.3
3 Mit der Ursache-Wirkungs-Relation der Spur setzt sich vor allem Lutz Danneberg
auseinander; die folgenden Erkenntnisse erscheinen auch mit Blick auf den Fußabdruck als
relevant (cf. im Weiteren Danneberg 2012). So sei die Spur ein relationaler Ausdruck mit drei
Merkmalen: Intentionalität („Spuren kann man setzen, aber man kann auch Spuren unbeabsichtigt
hinterlassen“ (ebd.: 163)), situative Sichtbarkeit („Das, wovon eine Spur kündet,
kann ebenfalls sichtbar sein, aber zumindest nicht dann, wenn man es aus Spuren erschließen
will; das ist der Aspekt der fehlenden Präsenz. […] Von der situativen Sichtbarkeit ist die
Präsenz zu unterscheiden; das, wovon eine Spur eine Spur ist, kann anwesend sein, ist aber
nicht sichtbar […]“ (ebd.: 164)) sowie eine Referenz auf den Ursprung („Es gibt ein Etwas, das
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Natur als Ressource: Die Metapher des ökologischen Fußabdrucks folgt
darüber hinaus einer Strukturmetapher (cf. Lakoff/Johnson 2000: 75-83)
nach dem Schema Natur ist eine materielle Ressource. Mitgedacht ist dabei,
dass sie immer nur als Ressource für den Menschen gesehen wird, nicht aber
für andere Lebewesen. Entsprechend zielt das Konzept des ökologischen
Fußabdrucks darauf ab, „unsere ökologischen Grundlagen abzusichern und
vernünftig zu managen. Nicht zuletzt, um den ökologischen Bankrott im 21.
Jahrhundert zu verhindern“ (Wackernagel/Beyers 2010: 12). Damit wird
Natur im Rahmen einer buchhalterischen Logik als materielle Substanz
imaginiert, die (entsprechend der Maßgaben der Erfinder des ökologischen
Fußabdrucks) sehr präzise quantifiziert werden kann, einen gewissen Wert
enthält (z.B. gemessen in globalen Hektar), und beständig gebraucht, verbraucht
oder aufgebraucht wird. Ihr Manager ist der Mensch.4
Der Mensch ist aktiv, die Natur ist passiv: Entsprechend lässt sich eine Strukturmetapher
nach dem Schema Der Mensch ist aktiv, die Natur ist passiv
erkennen. Der Mensch fungiert hier als kausale Kraft, sowohl was seine
Wirkung auf die Erde anbelangt, aber auch hinsichtlich der Berechnung des
Fußabdrucks und womöglich dadurch ausgelöster Verhaltensveränderungen.
Die Natur ist nur passive Projektionsfläche für menschliche
Interessen. Der Akt des Verbrauchens findet sich im Akt des Betretens mit
dem Fuß wieder; hier findet sich schließlich ein kausaler Zusammenhang
zwischen dem sich bewegenden menschlichen Fuß und den dadurch
erzeugten Schäden an der Natur, die der Abdruck verbildlicht.
Leibmetaphorik: In der passiven Darstellung der Natur lässt sich außerdem eine
verkappte Leibmetaphorik entdecken, die ideengeschichtlich einer langen
Tradition folgt. Die oben beschriebene Dynamik beim Erzeugen des Fußabdrucks
kann als männlich konnotiertes aktives Eindringen in eine weiblich
konnotierte passive Natur (oder „Mutter Natur“) gelesen werden. Die extraktivistischen
Bemühungen des Menschen werden dabei oft – so auch in der Metapher
des ökologischen Fußabdrucks – als nicht zu hinterfragende Gegebenheit
angesehen. Der Satz Machet euch die Erde untertan! im Alten Testament (Gen 1,28)
die Spur hinterlassen hat. Das erklärt zusätzlich, weshalb es keinen Sinn zu machen scheint,
von der Spur als Spur seiner selbst zu sprechen […].“ (ebd.: 164)).
4 Zur Kritik eines narzisstischen und imperialistischen Anthropozentrismus cf. Hoiß (2019:
214ff.) sowie Crist (2013).
Hoiß: Der ökologische Fußabdruck im Deutschunterricht
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wurde nicht selten mantraartig in diese Richtung uminterpretiert. In der Vergangenheit
wurden dazu oft noch Vorstellungen einer gierigen (Stief-)Mutter
bemüht, die ihre Kinder verhungern lässt und Schätze verbirgt (cf. Bredekamp
1984). Da die „Menschenkinder“ aber ihre Ressourcen (z.B. Kohle oder Erze aus
dem Erdreich) benötigen, sind sie dazu gezwungen, die Natur aktiv zu schädigen;
daher rühren auch zahlreiche Beschreibungen und Abbildungen der
Natur in Menschengestalt mit zerschlissenen Kleidern (cf. ebd.). So betrachtet
muss der ökologische Fußabdruck als Euphemismus bezeichnet werden, da er
zwar mit naturwissenschaftlicher Präzision die Schäden an der Natur beziffert,
in seiner konzeptuellen Beschaffenheit Natur aber nur als passive Substanz
denkt und den Menschen als eindringende und zerstörerische Kraft nicht beim
Namen nennt, sondern als Verwalter inszeniert.
3.4 Druck
Die eingangs skizzierten Grundlagen des ökologischen Fußabdrucks lassen
keinen Zweifel daran, dass die beschriebenen sozioökonomischen und erdsystemischen
Trends anthropogene Ursachen haben. Ein dreiviertel Jahrhundert
nach Beginn der Großen Beschleunigung in den 1950er Jahren erhöht sich
der exponentiell steigende Druck des Menschen auf die Erdsysteme. Diese
Trends sind letztlich das, was das ökonomische Modell des ökologischen
Fußabdrucks messbar und sichtbar machen will.
Die Metapher des Abdrucks enthält dabei sowohl als lexikalischen als auch als
semantischen Kern von (Fuß-)Abdruck den Wortstamm Druck, ohne den,
ausgelöst vom Fuß, der Abdruck nicht zustande käme. Die dahinterstehende
Kausalität, dass der Fuß beim Auftreten Druck auf die Oberfläche erzeugt, der
dann begleitet von Verdichtung und Verdrängung der Erde zu einem Abdruck
führen, ist gleichermaßen als Metonymie zu sehen. Denn der Druck des Fußes
steht für die zunehmende weltweite Aktivität der Menschheit oder eines
einzelnen Menschen. Die Formulierung der ökologische Fußabdruck ist jedoch als
metaphorisches Konzept anzusehen.
Konzeptuell beinhaltet Druck eine Strukturmetapher nach dem Schema Druck
ist negativ, kein Druck ist positiv. Um diesen negativen Zustand zu beseitigen,
bedarf es also Gegenmaßnahmen, die diesen Druck weniger werden lassen. In
den Klimadiskursen paart sich dieser erdsystemische Druck mit einem zeitlichen
und existenziellen Druck: Da viele globale Problemstellungen wie die
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Klimakrise oder der Verlust der Biodiversität zeitsensitiv sind und einer
schnellen Lösung bedürfen, verwendet man andere Metaphern wie das sich
schließende Fenster der Gelegenheit (window of opportunity) oder eine Fünf-vor-
Zwölf-Rhetorik, im Rahmen derer man betonen will, dass man kaum noch Zeit
hat, um eine Lösung zu finden. Zugleich implizieren alle Bilder ein für den
Menschen existenzielles Problem: Wenn der Druck zu hoch wird, kollabieren
darunter die Erdsysteme, die den Menschen bislang getragen haben und
gefährden seine Existenz. Das ist letztlich das Ereignis, das durch den Management-
Ansatz in den Instrumentarien des Global Footprint Networks verhindert
werden soll.
4. Kulturwissenschaftliche Kritik am ökologischen Fußabdruck
Die Komplexität des Instruments bleibt in der öffentlichen Diskussion in der
Regel unberücksichtigt und tritt oft zugunsten einer vermeintlich leicht zu
dechiffrierenden Metaphorik sowie leicht verständlicher Zahlen in den Hintergrund.
Dies führt dazu, dass vielfach die Grundidee zu beobachten ist, der
ökologische Fußabdruck müsse nachhaltiger, grüner oder umweltverträglicher
sein. Entsprechend der Gefäßmetapher, aber auch rechnerisch muss der ökologische
Fußabdruck aber einfach nur kleiner werden. Der ökologische Fußabdruck ist
zudem kein direkter Indikator für eine nachhaltige Lebensweise, sondern die
Folge von derzeit in den meisten Ländern nicht-nachhaltigen Lebensweisen. Je
nachhaltiger diese Lebensweisen wären, umso kleiner wäre der globale Fußabdruck.
Die grünen Blätter in Grafiken wie in Abbildung 3 finden sich zwar
äußerst häufig in medialen Darstellungen, sind aber mit Blick auf die zugrunde
liegenden Umweltschäden irreführend. Da das Auslegen des Fußabdrucks mit
grünen Blättern als Symbol für einen nachhaltigen Lebensstil verstanden wird,
beschönigt man die Realität. Nur die grau hinterlegten Icons deuten den Ist-
Zustand in Ansätzen an: der ökologische Fußabdruck der Gegenwart setzt sich
maßgeblich aus Mobilität, Überfischung, Konsum etc. zusammen. Folglich sind
die grünen Blätter als verklärendes Zerrbild zu werten (cf. Kirchhoff/Mölter/
Hoiß 2022: 362f.).
Hoiß: Der ökologische Fußabdruck im Deutschunterricht
199
Abb. 3: Cover einer Publikation des Global Footprint Networks
Anhand des Untertitels „Managing our Biocapacity Budget“ kann zudem noch
etwas anderes exemplarisch aufgezeigt werden: In ihrer Analyse des ökologischen
Fußabdrucks als Metapher spricht Anita Girvan davon, dass die
Metapher in ihren Grundzügen bereits an Hybris grenze. Sie suggeriere letztlich
die Möglichkeit einer exakten Kalkulation und einer präzisen Verwaltung der
Natur durch den Menschen (cf. Girvan 2018: 3). Eine eigene Agency oder ein
Eigenwert jenseits ökonomischer Logiken werden der Natur nicht zugesprochen
(cf. Kapitel 2.2 und 2.3). Diese anthropozentrische Grundhaltung
sowie die dem Konzept inhärente Kosten-Nutzen-Logik machen deutlich, dass
der ökologische Fußabdruck keine wertneutrale Berechnungsinstanz ist, wenngleich
er in der öffentlichen Wahrnehmung genau so gesehen wird. Seit seiner
metaphorik.de 33/2023
200
Entstehung wurde und wird er von politischen Institutionen, Firmen, NGOs,
den Medien etc. weitgehend unkritisch als Schlüsselwort im Kontext von
Klimaschutzfragen verwendet (cf. Girvan 2018: 3), um vermeintlich genaue
Aussagen darüber zu treffen, wie groß die Effekte unseres (individuellen und
kollektiven) Lebensstils auf die Ressourcen der Erde sind. Als Instrument gänzlich
unhinterfragt ist er zu einem Indikator für umweltbewusstes Leben, nachhaltiges
Wirtschaften, verantwortungsvolles Handeln geworden (cf. Kirchhoff/
Mölter/Hoiß 2022: 363f.). Als gesellschaftliche Leitmetapher prägt er unsere
Vorstellung von nachhaltiger Lebensweise im 21. Jahrhundert wesentlich mit
(cf. Tereick 2016: 207-215).5
Doch die zuvor dargestellte Analyse der Metapher des ökologischen Fußabdrucks
legt offen, dass das Konzept des ökologischen Fußabdrucks auf einer
Denkhaltung fußt, die zur Prämisse hat, dass der Mensch im Rahmen seiner
kulturellen Praktiken den natürlichen Raum nach eigenem Ermessen glätten
kann, d.h. für seine Zwecke verfügbar, vermessbar, kontrollierbar machen kann
(cf. Deleuze/Guattari 2006). Dabei sind Zahlen in der modernen Welt das Mittel
der Wahl, um die Natur der Kultur zu unterwerfen. Die Verfügbarkeit des
Menschen über die Natur basiert dabei historisch betrachtet auf mehreren
Faktoren, wobei zwei ganz besonders hervorstechen:
Zunächst bereitet die in der westlichen Ideengeschichte entwickelte und bis
heute dominierende Dichotomie zwischen Natur (vom Menschen unberührt)
und Kultur (vom Menschen geschaffen) den Weg dafür, den menschlichen
Anliegen mehr Raum zu erkämpfen und die oft bedrohliche Natur weitgehend
kontrollieren und einschränken zu wollen. Anders als in Kulturen, in denen der
Mensch als Teil der Natur gedacht wurde, bewirkte die Gegenüberstellung
zwischen Natur und Kultur, dass die Beherrschung der Natur im Zuge der
technologischen Entwicklung und dem Aufkommen der empirischen Wissenschaften
als Kulturaufgabe gesehen wurde. Von der Natur gesetzte Grenzen
galt und gilt es auch heute noch zu überwinden (etwa die Überquerung von
Gebirgen, Flussströmen und Ozeanen oder die Bewegung in der Luft, im All
5 Diskursanalytisch lässt sich sogar nachweisen, dass in den frühen 2000er Jahren der Begriff
des ökologischen Fußabdrucks zunehmend im öffentlichen Diskurs in Erscheinung tritt und
sogar andere benachbarte Konzepte aus dem Klimabereich wie das Treibhaus zurückdrängt (cf.
Tereick 2016: 181ff.).
Hoiß: Der ökologische Fußabdruck im Deutschunterricht
201
und unter Wasser), Gefahren zu limitieren, Risiken zu minimieren, die Vorhersage
von Ungewissem durch Modellierungen zu präzisieren. Nicht zuletzt deswegen
ist unsere Sprache auch heute noch stark von mentalen Konzepten
geprägt, die von einer unbeherrschbaren Naturgewalt ausgehen.
Zugleich ermöglichte die zunehmende technologische Entwicklung dem
Menschen eine sich selbst beschleunigende räumliche Ausweitung:
Die Dynamik von Neuzeit und Moderne entsteht durch den Aufbruch
in neue Räume. Den gegebenen Räumen entfliehen, um neue
zu entdecken, das ist das Programm. [...] Die Entdeckung der ‚Neuen
Welt‘ ist dafür ebenso ein Beispiel wie die astronomischen Erkundungen
des Weltraums (Schroer 2006: 22f.).
Die Menschen breiteten sich nicht nur kollektiv betrachtet auf der ganzen Erde
aus, auch jede einzelne Person konnte zunehmend mehr Raum einnehmen (auf
andere Kontinente, auf und unter dem Meer, unter und durch die Erde, in und
durch die Luft, in und durch das Weltall), im Kleinen neue Räume betreten
(etwa im mikroskopisch sichtbaren oder im Nano-Bereich) oder neu erschaffene
Räume für sich nutzen (etwa virtuelle bzw. digitale Räume). Mit Blick auf den
ökologischen Fußabdruck bedeutet Raum einnehmen (symbolisiert durch die
Oberfläche) aber zugleich Druck ausüben (symbolisiert durch den Fuß). Als ein
potenzieller Zugang zur Welt ermöglicht der ökologische Fußabdruck zwar eine
kognitive Bewältigung des menschlichen Einflusses auf die globale Umwelt.
Doch bei seiner Inanspruchnahme gilt es immer mitzudenken, dass er eine
Perspektive schafft, die problematische Denkmuster aufruft und potenziell
verfestigt (cf. Kapitel 2.2, 2.3 und 3).
5. Sprachliches Lernen mit dem ökologischen Fußabdruck
Sprachreflexiver Unterricht hilft dabei zu lernen, dass Modelle wie der
ökologische Fußabdruck vereinfachte Zugänge zur Welt darstellen, weil sie
lediglich auf eine bestimmte Facette der Welt fokussieren und andere
ausblenden (highlighting und hiding; cf. Kapitel 2.1). Die hier vorgebrachten
sprachdidaktischen Überlegungen zielen daher weniger darauf ab, mit Kindern
und Jugendlichen eine Vorstellung vom Konzept des ökologischen Fußabdrucks
zu entwickeln, sondern seine sprachlich-konzeptuellen Grundlagen
kritisch hinterfragen zu lernen und dabei ein erweitertes Metaphernverständnis
zu schulen. Zudem können sie Anreiz für andere Fächer sein, in denen der
metaphorik.de 33/2023
202
ökologische Fußabdruck thematisiert wird, seine sprachlich-konzeptuellen Grundlagen
kritisch zu beleuchten.
Die folgenden Überlegungen rekurrieren auf ein Metaphernverständnis, das
die Metapher nicht als Mittel der Wirkung, der Rhetorik, des Stils, der poetischen
Sprache verkürzt. Vielmehr zielen sie darauf ab, ein Bewusstsein für die
wechselseitigen Zusammenhänge zwischen Denken und Sprache zu schaffen
(cf. z.B. Katthage 2004 und 2006) und dabei die Reduktion der Metapher als
reine textanalytische Kategorie zu überwinden, etwa indem sie als ein im
alltäglichen Sprachgebrauch übliches konzeptuelles Muster erkannt wird (cf.
Dube/Kammler 2017: 202).6 Wie die Analyse der Metapher des ökologischen
Fußabdrucks zuvor zeigen konnte, handelt es sich bei Metaphern im Sinne der
kognitiven Linguistik um komplexe Gebilde, die nicht als reine Substitutionsfiguren
(wie bei Quintilian) zu verstehen sind, sondern deren Bestandteile selbst
miteinander interagieren. Daher gilt es auch im Unterricht, „das Potential der
Metaphernkommunikation“ (Katthage 2006: 3) zu nutzen. Auch für das Lernen
mit und an Metaphern gilt, was Hans Blumenberg als allgemeine Anforderung
formulierte: „Einer Analyse muss es ja darauf ankommen, die logische ‚Verlegenheit‘
zu ermitteln, für die die Metapher einspringt[.]“ (Blumenberg 2013:
13f.).
Die Spurensuche nach dem sprachdidaktischen Potenzial der Metapher des
ökologischen Fußabdrucks fördert relevante Impulse für die schulische Sprachreflexion
zutage (cf. auch Spieß 2015: 324). Im Zuge dessen können Schüler:
innen unter anderem
eine wesentliche Funktion von Metaphern kennenlernen, überkomplexe
Zusammenhänge und lebensweltliche Problemstellungen in ein sprachliches
Bild zu fassen und damit Komplexität verständlich zu machen,
6 Die Kritik am verkürzten Verständnis von Metaphern und ihre unzureichende Erschließung
im Deutschunterricht ist umfangreich: Die Marginalisierung auf Teilkompetenzen
wie dem Erkennen von stilistisch-rhetorischen Mitteln und der Deutung sprachlicher Bilder
greife nach Ansicht Katthages (2004, 2006) deutlich zu kurz. Das reduktionistische Verständnis
äußere sich in der anhaltenden Praxis im Literaturunterricht, die Komplexität von Metaphern
mit katalogartigen Etikettierungen einzufangen, die nach dem Muster Bild steht für konkreten
Inhalt funktioniere (cf. Katthage 2009: 21ff.). Lessing-Sattari legt hierbei auch den Verdacht
nahe, dass dieser Substitutionspraxis eine bewahrpädagogische Tendenz zugrunde liege (cf.
2017: 12), die „vor der chaotisierenden Wirkung der poietischen Metapher“ (Biebuyck 1998:
308) schützen solle und zugleich einer besseren Handhabbarkeit im Deutschunterricht diene.
Hoiß: Der ökologische Fußabdruck im Deutschunterricht
203
zugleich die Grenzen metaphorischen Sprachgebrauchs erfahren, indem sie
erkennen, dass jede Metapher nur einen speziellen Blick auf die Welt
eröffnet und andere ausblendet,
einen Zusammenhang zwischen Denken und Sprache verstehen, indem sie
die sprachlich-konzeptuellen Grundlagen der Metapher des ökologischen
Fußabdrucks nachverfolgen und relevante Kategorien der kognitiven
Linguistik lernen und anwenden,
anhand von Textbeispielen (z.B. aus Wackernagel/Beyers 2010) verschiedene
Konzepte nachverfolgen, die unser Denken strukturieren (z.B. Orientierungsmetaphern,
Gefäßmetaphern als Beispiel für ontologische Metaphern
etc.), und auf der Grundlage dessen den Gebrauch von konkreten
Sprachbildern wie dem ökologischen Fußabdruck kritisch reflektieren,
den Gebrauch von Metaphern in Diskursen erkennen, sie einordnen und
bewerten und so ein kritisches Diskursbewusstsein fördern und
Freude an der Arbeit mit Sprache verspüren.
Darüber hinaus kann Metaphernverstehen als problementdeckender Prozess (cf.
Zabka 2012: 47) oder als Problemlösen (cf. Lessing-Sattari 2017) angesehen
werden. Mit Bezug auf Dietrich Dörner und Joachim Funke sieht Marie Lessing-
Sattari vor allem in den Kategorien Komplexität, Vernetztheit, Dynamik,
Intransparenz und Vielzieligkeit Möglichkeiten, Prozesse beim Verstehen von
Metaphern zu beschreiben und anzuregen (cf. 2017: 199ff.). Besonders ist dabei,
dass Metaphern eben nicht nur als Stützen, sondern auch als Probleme im Verstehensprozess
begriffen werden. Schüler:innen, denen zum Beispiel der Begriff
des ökologischen Fußabdrucks nicht geläufig ist, dürften zunächst genau
solchen Verstehensproblemen begegnen, da er in seiner Kombination eben
nicht logisch erschließbar ist (cf. Kapitel 2) und zudem voraussetzungsreiche
Denkschemata aufruft.
Um diesem Problem konstruktiv zu begegnen, kann im Unterricht gemeinsam
versucht werden, Vorstellungen von dieser Metapher zu entwickeln. Dies kann
über eigene Zeichnungen der Schüler:innen oder von der Lehrperson mitgebrachte
Beispiele geschehen, die dann unterschiedliche Aspekte sowie benachbarte
Sprachbilder beleuchten (z.B. Grafiken, die den ökologischen Fußabdruck
als Schaden zeigen oder als grüne Fläche wie in Abbildung 4; Karikaturen, die
den Erdball mit oder ohne den Menschen als Verursacher zeigen; das Bild eines
Fußes, der auf eine Blume tritt, oder von Fußspuren im Sand etc.). Im Anschluss
metaphorik.de 33/2023
204
verbalisieren die Schüler:innen diese visuellen Darstellungen und gebrauchen
dabei entsprechendes Fachvokabular.
Des Weiteren kann man mit Schüler:innen ein sprachliches Alternativenbewusstsein
fördern, etwa indem man dem ökologischen Fußabdruck metaphorische
Konkurrenzmodelle (wie beispielsweise der CO₂-Fußabdruck, der
ökologische Rucksack, der ökologische Handabdruck) gegenüberstellt und
deren Bildlichkeit vergleichen lässt. Der CO₂-Fußabdruck etwa ist im Gegensatz
zum ökologischen Fußabdruck eindimensional und bezieht sich lediglich auf
den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid sowie andere klimaschädliche Gase durch
menschliche Aktivität. Der ökologische Rucksack bilanziert alle Ressourcen, die
für Herstellung, Transport, Nutzung und Entsorgung eines Produktes benötigt
werden. Die Metaphorik ruft aber andere Schemata auf als der Fußabdruck,
zum Beispiel hängt die Last hier physisch und moralisch an den Schultern des
Menschen. Der ökologische Handabdruck wiederum bezeichnet Möglichkeiten für
positive Effekte menschlichen Handelns auf die Ökosysteme. Hier ist der Vergleich
der Hand- und Fußmetaphorik reizvoll und aufschlussreich, zumal diese
eine Veränderung des Körperteils die Anlage der gesamten Metapher verändert.
Daneben können auch noch Unterschiede zur Fußspur, zum Fußstapfen oder zur
Fährte besprochen werden.
6. Metaphernverstehen und sprachliche Welterschließung im
21. Jahrhundert
Bildung regt zur Weltbegegnung an. Dazu gehört notwendigerweise auch ein
Nachdenken über sprachliche Weltbeziehungen und Weltbilder, wobei diese
nicht einfach bereits etablierte Weltverhältnisse reproduzieren, sondern immer
auch selbst die Welt eröffnen und erschließen. Die sprachliche Beziehung des
Menschen zur Welt ist also keine Einbahnstraße. Menschen nehmen die Welt
nicht einfach nur wahr und reagieren in passiver Weise auf sie, sondern sie
konzeptualisieren sie zugleich auf interaktive und dynamische Weise (cf. Hoiß
2020: 148).
Wie der vorliegende Beitrag zeigen konnte, spielen Metaphern im Prozess der
Weltwahrnehmung und Weltaushandlung im Allgemeinen und im Kontext
von Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskursen im Speziellen eine wesentliche
Rolle. Zu einem reflektierten Umgang mit der Welt gehört auch ein aktives
Hoiß: Der ökologische Fußabdruck im Deutschunterricht
205
Erkennen und Durchdenken von sprachlichen Strukturen und Bildern inklusive
der kognitiven Strukturen, auf denen sie gründen, und der normativen
Implikationen, die sie enthalten. Ein Nachdenken über Sprache und ihre Funktionen
und Leistungen, über den individuellen wie kollektiven Sprachgebrauch
bzw. über das eigene und allgemeine kommunikativ-diskursive Verhalten ist
Teil einer solchen Weltbegegnung. Damit schließt der vorliegende Beitrag an
eine bildungstheoretisch fundierte Deutschdidaktik an, die es als ureigenste
Aufgabe von Schule ansieht, „einer neuen Generation die Welt, in die sie eintritt
und die sie für die Spanne ihres Lebens bewohnen und formen wird, zu
erschließen“ (Ivo 1999: 1).
In Anbetracht dieser Aufgabe hat der Sprachunterricht im 21. Jahrhundert zwei
elementare Herausforderungen zu bewältigen: Es gilt zum einen zu klären,
welche Rolle die Sprache bzw. das Sprechen über die Welt angesichts der
radikal veränderten Weltbeziehungen eines Großteils der Weltbevölkerung in
der heutigen Zeit einnimmt. Gemeint sind hier globale Phänomene wie der
Klimawandel, das Artensterben oder der exzessive Ressourcenverbrauch, der
sich in der Rodung von Urwäldern, der Überfischung der Meere oder der Überdüngung
der Böden äußert und letztlich auch in der Metapher des ökologischen
Fußabdrucks wiederfindet. Zum anderen ist eine intensive Debatte über die
Rolle des Deutschunterrichts selbst und, eng damit verbunden, über die Rolle
der Lehrpersonen angesichts der globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
anzuregen (cf. Hoiß 2020: 149).
Eine Vision für einen Deutschunterricht, der sich diesen Fragen stellt, kann in
einer fachdidaktischen BNE-Forschung liegen. Bildung für nachhaltige Entwicklung
(kurz: BNE) greift als Bildungskonzept die skizzierten globalen
Phänomene aus einer pädagogischen Perspektive heraus auf und beschreibt die
damit verbundenen Lehr- und Lernprozesse als Querschnittsaufgabe für den
gesamten Bildungsbereich. Im holistischen Ansatz verbirgt sich jedoch ein
blinder Fleck: die genuin fachdidaktische Bearbeitung BNE-typischer Fragestellungen.
Anders als der gegenwärtige BNE-Diskurs nahelegt, kann es nicht
darum gehen, mehr oder weniger fachfremde Inhalte lediglich in ein Fach
einzubinden. Vielmehr liegt die Initiative bei den Fächern selbst, die ein
intrinsisches (Forschungs-)Interesse an der Verknüpfung ihres Faches mit BNE
entwickeln können. Insofern ist der vorliegende Beitrag zugleich Beispiel und
Plädoyer für eine fachdidaktische BNE-Forschung, die im Bewusstsein um eine
metaphorik.de 33/2023
206
sprachliche Gestaltungsfähigkeit im Zusammenhang mit unseren kulturellen,
gesellschaftlichen und politischen Beziehungen ein elementares Ziel deutschdidaktischen
Handelns sieht.
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