Der Einfluss von Metaphern auf fremdsprachliche
Lehr- und Lerntheorien
Abstract
Different concepts of learning – be it in teacher’s or pupil’s minds – are predominantly generated by and transmitted via language. Metaphors, though unconsciously used in many educational settings, play a decisive role in these contexts due to their reflexive impact? The present article displays basic principles of a theory of learning including learning instructions which may evoke certain learning efforts with the students. These efforts bear positive or negative effects on learning based on the respective metaphorical framing. Thus, metaphors originating from different domains such as computer-metaphors, metaphors for the mental lexicon, metaphors for neuronal conjunctions or the brick or pattern metaphors definitely have an impact on concepts and contexts of learning. The article investigates different theories in detail and shows their constituting metaphors
Die Auffassungen oder Konzepte vom Lernen, die in den Köpfen von Lehrenden und Lernenden vorherrschen, werden vor allem durch Sprache vermittelt. Dabei spielen offensichtlich Metaphern, die oft gar nicht als solche bewusst sind, eine gewichtige Rolle. Der Beitrag zeigt, wie sprachliche Metaphern aufgrund ihres bewusstseinssteuernden Potentials den konkreten Unterricht in bestimmte Bahnen zu lenken vermögen. Dies geschieht durch eine in Handlungsanweisungen mündende Lehrtheorie, die bei den Schülern bestimmte Lernanstrengungen provoziert, die sich wiederum positiv oder negativ auf das Lernen auswirken können. Es handelt sich hier um mehr oder weniger abstrakte Metaphern, die aus anderen Wissensgebieten übernommen sind, wie z.B. die Computer-Metapher, die Metapher des ‚mentalen Lexikons’, des ‚morpho-syntaktischen Regelapparats’, des ‚prozeduralen und deklarativen Wissens’, des ‚Moduls’, der ‚neuronalen Verknüpfung’, des ‚Bausteins’, des
‚Musters’.
1. Einleitung
Der Zusammenhang zwischen der Fremdsprachendidaktik und der Metaphern-Diskussion, die ich für ein Spezialgebiet der Literaturwissenschaft zu halten gewohnt war, wurde mir erstmals durch die Themenstellung des Saarbrücker Workshops über „Metapher und Wissenstransfer“ deutlich. Der Öffnung für das Metaphern-Konzept verdanke ich eine nicht unerhebliche Erhellung in meiner nun schon über 20 Jahre währenden Auseinandersetzung mit zwei gegensätzlichen Lehr-/Lerntheorien, die nachweisbar in unterschied- liche konkrete Handlungsanweisungen für den Fremdsprachenunterricht münden. Dieser Bezug zur Praxis lässt es als lohnenswert erscheinen, die unterschiedlichen Vorstellungen von fremdsprachendidaktischer Theorie und
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daraus abgeleiteter Praxis hier einmal unter dem Aspekt des philosophisch ausgeweiteten Metaphernbegriffs zu untersuchen.
Die Theorie der metaphorischen Konzepte nach Lakoff und Johnson (1980) lässt sich – wie Goschler (2007) gezeigt hat – auch auf wissenschaftliche Theorien anwenden, vor allem auf solche, die mit der Beschreibung kognitiver Prozesse befasst sind. Um einen Begriff von im Gehirn ablaufenden 'geistigen' Prozessen zu gewinnen, ist man gezwungen, sich einer Bildersprache zu bedienen, die das eigentlich Unsichtbare für unser Denkvermögen sichtbar und damit fassbar macht. Dass es sich hier jedoch um mehr als rein sprachliche Metaphern handelt, wird deutlich, wenn man untersucht, welche Bildersprache von wissenschaftlichen Theorien benutzt wird, die in ihren Grundlagen als miteinander unvereinbar einzustufen sind. Ihnen liegen unterschiedliche Sichtweisen und unterschiedliche Muster für die Struk- turierung von Erkenntnis zugrunde, die sich gerade in der Wahl der Metaphern manifestieren. Wenn die Unterschiedlichkeit zur Gegensätzlichkeit wird, sind bei den Beschreibungsmodellen der sog. angewandten wissen- schaftlichen Disziplinen auch die Handlungsanweisungen betroffen, im Falle der Fremdsprachendidaktik die konkreten Vorschläge zur Methodik des Lehr- und Lernprozesses. Wie das Denken in bestimmten Metaphern das Be- wusstsein der Theoretiker und die unbewusste subjektive Theorie der Praktiker steuert, soll im Folgenden gezeigt werden.
Ein Aspekt, der sich durch die Bewusstwerdung der metaphorischen Konzeptualisierung unserer gesamten Welterfahrung als überaus segensreich erweisen könnte für unser menschliches Miteinander ist die wahrhaft befreiende Einsicht, dass es auch in der wissenschaftlichen Kontroverse nicht um richtig bzw. wahr und falsch geht, also eigentlich gar nicht um Wissen bzw. Wahrheit, sondern um Verstehen, um eine andere Sichtweise, hier auf fremdsprachliche Lehr-/Lernprozesse. Weder die im mainstream vor- herrschende Auffassung noch alternative Auffassungen können für sich so etwas wie objektive Richtigkeit oder Wahrheit beanspruchen. Dieser Gedanke
macht bei aller Streitlust bescheidener und auch diskussionsfähiger.
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2. Sprachliche Erklärungsmodelle und ihre Erkenntnisziele
Die Erklärungsmodelle in Bezug auf Sprache können sich auf verschiedene Erkenntnisziele richten, nämlich auf das Sprachsystem (wie es in sich als Formsystem funktioniert), auf den Prozess der Sprachverwendung (was passiert, wenn wir sprechen?), auf den Erwerb der Muttersprache (wie lernt das Kind sprechen?) und auf den Fremdsprachenerwerb. Während bei den ersten drei Bereichen ein Erklärungs- oder Beschreibungsmodell erstellt wird für etwas, was ist, was man weder beeinflussen will noch kann, geht es beim Fremdsprachenerwerb (insbesondere dem unterrichtlich gesteuerten) um etwas, was erst noch in Gang gesetzt werden soll, was auf Handlungs- anweisungen angewiesen ist, damit etwas entsteht, nämlich Kommunikations- und Handlungskompetenz in einer fremden Sprache. Somit hat also die Theoriebildung hier eine unmittelbare Verantwortung für das, was in der Praxis geschieht. Wenn der Fremdsprachenerwerb etwa im institutionellen Rahmen erfolgt, dann liegt dem Unterricht selbstverständlich ein theoretisches Lehr-/Lernkonzept zugrunde, das allerdings meist weder dem Lehrer noch dem Schüler bewusst ist. Es basiert auf Vorstellungen, die der mainstream über Sprache tradiert. In diese Vorstellungen sind also die theoretischen Modelle der ersten drei Bereiche1 eingespeist – wiederum weitgehend unbewusst – wenn sie via Lehrbücher und Lehrpläne als Handlungsanweisungen in den Klassenraum gelangen.
Eine schlüssige Ableitung der theoretischen Annahmen aus den jeweils konstitutiven Metaphern könnte den Zusammenhang bis in die konkreten Handlungsanweisungen für den Unterricht hinein sichtbar – und damit auch bewusst machen. Eine solche Bewusstmachung ist bekanntlich der erste Schritt bzw. die Vorbedingung für jedwede Veränderung – wenn man sie denn will. Ein Vorschieben des sog. Theorie-Praxis-Problems – d.h. das Argument, dass die Praxis der Theorie eben nicht unbedingt folgt – entbindet meiner Meinung nach den Fremdsprachendidaktiker nicht von der Verpflichtung, sich für die Praxis, wie sie momentan ist, verantwortlich zu
1 Ich werde mich im Folgenden auf die Bereiche der Sprachverwendung und des Fremdsprachenerwerbs beschränken; das Sprachsystem und der Erwerb der Muttersprache bleiben hier ausgespart.
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fühlen und sie verändern zu wollen, wenn sie den gesellschaftlichen
Ansprüchen nicht mehr gerecht wird.
3. Die divergierenden Erklärungsmodelle und ihre Metaphernsprache
3.1 ERKLÄRUNGSMODELL A
Für das Erklärungsmodell A erweisen sich die Container-Metapher, die Maschinen-Metapher und – sie beide umfassend – die Computer-Metapher als konstitutiv. Die Container-Metapher begreift alles Geistige, also das menschliche Gehirn, die Kognition, das Denken, das Bewusstsein als etwas Objekthaftes, in sich Verstehbares und Unterscheidbares, als etwas Substantielles mit feststellbaren Eigenschaften oder Merkmalen, als etwas Isolierbares und Eigengesetzliches. Die Maschinen-Metapher sieht das Funktionieren alles Geistigen als quasi mechanisches Regelwerk an, das nach internen Gesetzen arbeitet und auf das Produzieren von Etwas ausgerichtet ist. Die Computer-Metapher mit den Begriffen Hardware – Software, Daten – Programme, deklarativ – prozedural basiert ihrerseits auf den Container- und
Maschinenvorstellungen.
Leitende Metaphern
CONTAINER Speicherkapazität
Gefäss/ Speicher von diskreten, substantiellen Objekten mit inhärenten, unabhängig analysierbaren Eigenschaften
MASCHINE Produktionskapazität Formaler Apparat Funktioniert nach einem regelgeleiteten internen Mechanismus
COMPUTER Hardware – Software Daten – Programme deklarativ – prozedural
3.1.1 Sprachverarbeitungsmodell A
Die Modelle der Sprachverwendung oder Sprachverarbeitung liegen mit ihrer Fragestellung schon sehr nahe an dem Erkenntnisinteresse der Fremd- sprachendidaktik. Umso interessanter sind daher ihre Vorstellungen über das
Funktionieren von Sprechen. Nun gibt es diesbezüglich ein allseits bekanntes
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und auch vielfach anerkanntes Modell, auf das man sich allenthalben – und eben auch für die Fremdsprache2 - bezieht, das Sprachproduktionsmodell des Niederländers Willem Levelt von 1989 (Speaking: From Intention to Articulation). Es wird hier in einer etwas vereinfachten Darstellung präsentiert, die den Bezug zu der Metaphernsprache verdeutlicht.
Modulares psycholinguistisches Sprachproduktionsmodell
(nach W.J.M. Levelt)
SPEICHER
für Welt- und Situationswissen
(Datenbank für Wissen)
MENTALES LEXIKON Datenbank für Wortformen und Lemmata (semantische, morphosyntaktische und phonologische Merkmale)
Prozessor für Konzeptbildung: Generieren der zu äußernden Vorstellungen
Prozessor für Verbalisierung: Grammatisches und phonologisches Enkodieren
Prozessor für die Artikulation
Das Modell ist im Kern modular, d.h. es postuliert in sich geschlossene Systeme, sog. 'Module'. Inwieweit diese Module als ‚autonom’ gedacht sind, d.h. als eingekapselte Systeme mit geringer oder gar keiner Fähigkeit zur Interaktion, bleibt bei Levelt unklar, doch ist die Orientierung an der Modularitätshypothese von J.A. Fodor3 sowie an M.F. Garrett4 unverkennbar.
Da sind zunächst zwei 'Container', nämlich die 'Speicher'-Module, die Wissen enthalten, Weltwissen und sprachliches Wissen in Form von Wörtern. Diese Wörter sind als Lemmata mit ihren semantischen, morpho-syntaktischen und phonologischen Merkmalen gespeichert und als solche abrufbar. Der Zugriff
(access) auf diese 'Speicher' geschieht durch 'Prozessoren', also eine Art von
2 Vgl. De Bot (1992).
3 The Modularity of the Mind 1988; s. auch The Language of the Thought Revisited, OUP 2008.
4 “Processes in language production”, in F.J. Newmeyer (ed. 1988:69-97).
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'Maschinen', nämlich durch den Prozessor für Konzeptbildung (Conceptualizer), den Prozessor für die Formgebung, d.h. die Verbalisierung, also das grammatische und phonologische Enkodieren (Formulater) und den Prozessor für die lautliche Artikulation (Articulator).
Die inhärente Schwachstelle dieses Modells liegt in dem ungeklärten Verhältnis der Wissensmodule zu den Prozessoren, also von statischen Objekten zu Prozessfaktoren, die gemäß der Computer-Metapher als gespeicherte feste Daten gedacht werden, die durch Programme in Bewegung zu setzen sind.
Der Umgang mit Sprache, d.h. Sprechen und Verstehen, wird demzufolge als computerisierbare Sprachverarbeitung angesehen5. Aus dem 'Mentalen Lexikon', das Einzelwörter nach unterschiedlichen Ordnungsprinzipien
'speichert' – was eine relativ große 'Speicherkapazität' des Gehirns voraussetzt
– muss der 'Prozessor' die jeweils passenden, also dem Kontext und dem
Sprechakt gemäßen Wörter 'auffinden', 'auswählen', 'adaptieren' und
'konvertieren'. Allein der access stellt vor allem bei Polysemie, Synonymie, Hyponymie und Homophonie ein nicht unerhebliches Problem dar. Insgesamt sind aufwendige und komplizierte Rechenoperationen erforderlich, die u.U. die zur Verfügung stehende Sprechzeit übersteigen. Im Computer ist diese Modellierung zwar simulierbar, im menschlichen Gehirn dagegen empirisch schwer nachweisbar.
Durch die Orientierung am Computermodell der Informationsverarbeitung6 beraubt sich diese Sprachverarbeitungstheorie zwangsläufig eines Faktors, der wesentlich ist für die sprachliche Kommunikation menschlicher Wesen, nämlich des Faktors der Bedeutung. Denn der formale, morpho-syntaktische Regelapparat, der beim kindlichen Spracherwerb – dieser Theorie zufolge – durch die Entwicklung eines genetisch festgelegten internen Programms (das sog LAD = Language Acquisition Device, eine Art Spracherwerbsmechanismus) gestartet wird, generiert seitdem beim muttersprachlichen Sprecher relativ
5 Dass diese Theorien mit den Forschungen zur künstlichen Intelligenz eng verbunden sind, ist mehr als einleuchtend.
6 Im Übrigen in der Nachfolge Noam Chomskys, dessen Forschungen bekanntlich ebenfalls in engem Zusammenhang mit der Künstlichen Intelligenz stehen.
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unbewusst Sätze aus Wörtern, und zwar offenbar ohne sich um die Bedeutung kümmern zu müssen.
3.1.2 Fremdsprachenerwerbsmodell A
Bei der Übertragung dieses weitgehend durch die Computermetapher als Rechenmaschine bestimmten Sprachverarbeitungsmodells auf den Fremdsprachenerwerb fällt als erstes die Kühnheit auf (anders kann man es wohl kaum bezeichnen), mit der das, was beim Erwerb der Muttersprache spielerisch leicht und offenbar völlig unbewusst geschieht, nun als etwas bewusst zu Lernendes postuliert wird. Daraus ergeben sich die folgenden unterrichtlichen Handlungsanweisungen:
a) Es hat ein bewusster Erwerb des mentalen Lexikons und der grammatischen
Erscheinungen in der Fremdsprache zu erfolgen.
Die völlig unreflektierte Selbstverständlichkeit, mit der - nach Meinung der meisten Praktiker - Schüler fremdsprachliche Wortformen (das 'Mentale Lexikon' der Fremdsprache) und die grammatischen Erscheinungen in der Fremdsprache (den fremdsprachlichen 'Regelapparat') zu lernen haben, setzt erst dann in Erstaunen, wenn man es unternimmt, diese Fremdsprachen- erwerbstheorie auf ihre metaphorischen Denkschemata hin zu be- und hinterfragen.
Das psycholinguistische Problem dabei – das Modell soll ja doch das tatsächliche psychische Geschehen abbilden – ist eine unvermeidliche kognitive Überlastung beim Sprechen, die jedem Fremdsprachenlerner sattsam bekannt ist. Es ist schier unmöglich, all die gelernten Regeln, die bei der Produktion eines Satzes zu beachten sind, gleichzeitig und richtig im Kopf zu haben und 'anzuwenden', wenn man in einer natürlichen Kommunikations- situation gefordert ist. Erfolgreiche Verständigung kann da leicht utopisch erscheinen – was durch die Ergebnisse des gängigen, normalen Fremd- sprachenunterrichts ja leider in erschreckendem Ausmaß bestätigt wird.
b) Der Zugang zu den Bedeutungen der fremdsprachlichen Wortformen erfolgt über die muttersprachlichen Wortformen (dt.-frz. und frz.-dt. Vokabelgleichungen).
Wundern könnte man sich gleichermaßen über die Selbstverständlichkeit, mit der der Erwerb des fremdsprachlichen Lexikons weitgehend wie eh und je
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über Vokabelgleichungen erfolgt, d.h. die semantischen und natürlicherweise auch die Merkmale des grammatischen Anschlusses werden über die muttersprachliche Wortform vermittelt. Die Folge davon ist ebenfalls aus eigener Erfahrung bekannt. Hier einige Beispiele zur Erinnerung:
Wenn der Schüler mit dem frz. Wort arriver das dt. Wort 'ankommen' assoziiert, so müssen ihm die weit häufiger vorkommenden frz. Äußerungen J'arrive. - Qu'est-ce qui t'arrive? – Il m'est arrivé quelque chose de très curieux zunächst sehr merkwürdig vorkommen. Wenn er nach einer frz. Entsprechung für dt. 'abnehmen' sucht, so muss er sich durch mindestens fünf verschiedene semantische Konzepte kämpfen: La lune décroît - Personne ne décroche - La température baisse - J’ai beaucoup maigri - Il enlevait son chapeau - Le vent a diminué.
Durch die unreflektierte Übertragung von einem System auf das andere bleibt meist der idiomatisch richtige Gebrauch der fremden Wörter sowie deren richtiger grammatischer Anschluss auf der Strecke. Erinnert sei nur an die Gleichsetzung des dt. Dativs bzw. Akkusativs mit dem frz. indirekten bzw. direkten Objekt, z.B. in 'helfen' = aider; 'fragen' = demander.
c) Die lexikalischen, grammatischen und phonetischen Kenntnisse sind in konstruierten, formbezogenen Übungen gezielt 'anzuwenden'. Durch häufige Anwendung erfolgt eine 'Internalisierung' (= unbewusstes Funktionieren) des Regelapparats.
Aus dem zugrunde liegenden Sprachverarbeitungsmodells folgt konsequenterweise auch eine didaktische Trennung des Sprachsystems in die drei linguistischen Teilsysteme: Lexik=Wortschatz, Morpho-Syntax= Grammatik und Phonetik=Aussprache. Um den Regelapparat in Gang zu setzen, müssen die entsprechenden Teilkenntnisse in extra zu diesem Zweck konstruierten, formbezogenen Übungen gezielt 'angewendet' werden. Die Häufigkeit der Anwendung („man kann nie genug üben“) entscheidet dann darüber, ob die notwendige 'Internalisierung des Regelapparats', also ein unbewusstes Funktionieren erreicht wird – man soll ja irgendwann zum flüssigen Sprechen kommen. Aber genau hier liegt das Problem. Der Begriff der Anwendung postuliert, dass es beim Fremdsprachenerwerb einen Weg vom Wissen zum Können gibt. Dieser Gedanke hat durch die Inanspruch-
nahme der beiden aus der Informatik stammenden Begriffe "deklarativ" und
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"prozedural" eine vermeintlich wissenschaftliche Absicherung erfahren. Bekanntlich hat John R. Anderson (1983) diese Begriffe auf ein allgemeines Modell zum Wissenserwerb übertragen. Danach vollzieht sich das Erlernen einer Fertigkeit (skill) grundsätzlich auf der Basis deklarativen Wissens ("knowing that"), das dann allmählich in prozedurales Wissen ("knowing how") übergeht. Bemerkenswert ist allerdings, dass Anderson in den beiden der Sprache gewidmeten Kapiteln seines Buches die beiden Begriffe kein einziges Mal erwähnt. Die (also nicht durch den Gewährsmann Anderson erfolgte) Übertragung auf den Fremdsprachenerwerb gehört inzwischen völlig unreflektiert zum selbstverständlichen Begriffsinventar der Fremdsprachen- didaktik – ungeachtet der Tatsache, dass dieser Übergang vom Wissen zum Können das eigentliche Problem des real existierenden Fremdsprachen- unterrichts darstellt7.
d) Der Lehrgang folgt dem Prinzip der grammatischen Progression. Lektionstexte dienen zur Einführung von Vokabeln und Grammatik.
Die Stufung des Lehrgangs nach den grammatischen Erscheinungen ist die logische Folge der Auffassung, dass ein fremdsprachliches Regelsystem aufgebaut werden muss. Dies kann nur mit didaktischen Texten erfolgen, die eigens zu diesem Zweck komponiert werden. Als Hauptproblem ergibt sich daraus sehr oft eine mangelhafte inhaltliche Motivierung. Nur in Glücksfällen wird es einem Lehrbuchautor gelingen, trotz der grammatischen und lexikalischen Beschränkung einen ansprechenden, 'normalen' Lese- oder Hörtext zu verfassen8. Die Didaktisierung der Texte verhindert darüber hinaus die Ausbildung einer echten kommunikativen Haltung, die darauf aus ist, zu erfahren, was in diesem Text an Inhalt bzw. Gehalt 'drin steckt'. Jeder Schüler weiß, dass in den Lektionstexten die einzuführenden grammatischen Erscheinungen 'versteckt' sind. Diese gilt es heraus zu finden. Der Inhalt ist demgegenüber fast gleichgültig. Insgesamt hemmt diese Vorgehensweise also eher die Entwicklung der kommunikativen Sprachtätigkeiten als dass sie sie
7 Eine ausführliche Diskussion dieser Thematik findet sich in Segermann (2007).
8 Darunter leidet dann allgemein die Rezeptionsfähigkeit der Schüler, die künstlich auf dem Niveau der Produktion gehalten wird, obwohl jeder Sprachbenutzer mit der entsprechenden Kluft zwischen seinen produktiven und rezeptiven sprachlichen Fähigkeiten aufwächst.
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fördert – ein Fazit, das angesichts der nun schon seit mindestens über einem halben Jahrhundert als Lernziel des Fremdsprachenunterrichts postulierten interkulturellen Kommunikationsfähigkeit zum Nachdenken bzw. Über- denken der von der Maschinen- und Speichermetapher bestimmten fremdsprachlichen Unterrichtstheorie anregen sollte.
3.2 ERKLÄRUNGSMODELL B
Das Gegenmodell greift in seiner Metaphernsprache auf eine Vorstellung zurück, die scheinbar nur eingeschränkt als Metapher zu werten ist.
Leitende Metapher
NEURONALES NETZWERK Neuronale Verknüpfung von Erfahrungen physischer, emotionaler, kognitiver Art
in kaum zu analysierender Komplexität und unvorstellbarer Quantität
(weder als Substanz noch als Objekt, sondern nur als Verknüpfung fassbar)
Das neuronale Netzwerk des Gehirns ist zwar nicht mit unseren Sinnen zu greifen, aber mit technischen Mitteln darstellbar und so für uns fassbar – wenn auch die Numerik9 unser Fassungsvermögen wieder übersteigt. Andererseits sind auch die Neurologen nach wie vor weit davon entfernt, die Nervenzellen und ihre komplizierten Verknüpfungen vollständig erforscht zu haben. Dass die Netzwerkvorstellung als solche nicht daran hindert, in Container- und Maschinenmetaphern zu denken, zeigen Ausführungen von führenden Neurologen wie z.B. von Braitenberg und Pulvermüller vom Max-Planck- Institut in Tübingen. In einer 1992 vorsichtig formulierten Antwort auf die Fragestellung: „Ist die in der theoretischen Linguistik angenommene modulare Organisation des Sprachsystems empirisch gerechtfertigt?” wird offenbar bei der Erklärung der Grammatik das linguistische ‚Vorurteil’ der getrennten Systeme mit ihren eigenständigen Modulen ungeprüft übernommen:
9 30 bis 100 Milliarden neuronale Zellen, verbunden durch etwa eine Billiarde Synapsen, ergibt 10.000 Neuronen pro mm². Die Anzahl möglicher Kombinationen von Verbindungen zwischen den Nervenzellen übersteigt somit die Anzahl der Atome in unserem Universum.
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„Es ist, als ob im Gehirn bestimmte kategoriale Markierungen der Inhaltsmorpheme zusammen mit den Funktionswörtern eine eigene Welt bildeten, in der besondere Regeln gelten. Diese Regeln sind offenbar im Spiel, wenn aus Wörtern Sätze gebildet werden.“10
Aber gerade die Lokalisierung spezifischer Funktionen in bestimmten Hirnregionen, die dem Denken in objekthaften, substantiellen Entitäten Vorschub zu leisten scheint, bietet keine überzeugende Argumentationsstütze, denn die Lokalisierung als solche steht dem Modell der substanz- und objektlosen Verknüpfung keineswegs im Wege. Erst wenn die Netzwerk- metapher sozusagen in ihrer radikalen Bedeutung, d.h. in ihrer reinen
'Verknüpfheit' (connectivity11), ohne Substanz- oder Objektbegriff, verstanden wird, hat sie das Potential, alternative Modelle hervorzubringen.
3.2.1 Sprachverarbeitungsmodell B
Das im Folgenden vorgestellte neuronale Verknüpfungsmodell stellt sprachliche Kommunikation als Verknüpfung von Inhalt und Form dar, wobei weder der Inhalt noch die Form als diskrete Objekte zu fassen sind. Im Moment des Sprechens wird die Verknüpfung aktiviert und die Form-Inhalt- Beziehung tritt konkret in Erscheinung, ohne dass die einzelnen Elemente irgendwo 'gespeichert' wären.
Rückendeckung für dieses Sprachverwendungs-Modell kommt von der sog. Kognitiven Grammatiktheorie, repräsentiert durch die Arbeiten von R. W. Langacker (construction grammar), von der korpusbasierten Lexikonforschung (J. Sinclair), von den Arbeiten zur Idiomatizität und zu formulaic language (A. Wray) sowie von Neurokognitiven Modellen (S.M. Lamb), die inzwischen in wachsender Zahl gegen den generativistisch bestimmten mainstream rebellieren12.
10 Braitenberg/Pulvermüller (1992:112).
11 Der amerikanische Neurolinguist Sydney M. Lamb (1999:65) bringt diese konsequente Auffassung wie folgt auf den Punkt: “If the relationships of linguistic units are fully analyzed, these ‘units’ turn out not to be objects at all, but just points of interconnection of relationships [...] the linguistic system is not in itself a symbol system after all, but a network of relationships, a purely connectional system, in which all of the information is in its connectivity.”
12 Siehe ausführlich dazu: Segermann (2007).
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Neuronales Verknüpfungsmodell der Sprachverwendung
Phonologisch-prosodische
Assoziationen
Logisch-semantische
Assoziationen
Emotional-wertende
Assoziationen Senso-motorische
Assoziationen
Thematisch-situative
Assoziationen
INHALTSKONZEPT
Sprachliche Formen als funktionale Bausteine
Einzelwort Syntagma Satz
Dass das Inhaltskonzept im Mittelpunkt des Modells steht, rechtfertigt sich aus der Tatsache, dass sprachliche Kommunikation ihrem Wesen nach Vermittlung von Bedeutung ist, und zwar – gemäß den beiden möglichen Kommunikationsrichtungen der Produktion und Rezeption – von der Form zur Bedeutung und von der Bedeutung zur Form.
Das in einem bestimmten Situationsmoment zu versprachlichende Inhaltskonzept ist mit einer Vielzahl von weiteren sinnlich-geistigen Erinnerungsmustern verknüpft, die je nach bestehender Aktivierungsstärke mit in Erscheinung treten und über das Inhaltskonzept auch mit den konkreten sprachlichen Formen verbunden sind bzw. werden. Diese Assoziationen erstrecken sich auf den auditiven, visuellen, motorischen Bereich, den Bereich der Wertungen und Gefühle ebenso wie auf den gedanklichen Bereich (z.B. die paradigmatischen semantischen Beziehungen der Synonymie, Antonymie oder Hyponymie von Einzelwörtern oder deren thematische bzw. situative Verknüpfungen) sowie auf den formalsprachlichen Bereich z.B. der lautlichen bzw. prosodischen Phänomene (etwa gleiche oder ähnliche Lautfolgen bzw. Intonationsmuster). In der muttersprachlichen
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Kommunikation wird es dagegen wohl kaum nennenswerte Verknüpfungen mit Phänomenen der formalen Grammatik geben oder Assoziationen mit der alphabetischen Reihenfolge oder gar Verknüpfungen mit anderssprachigen Wortäquivalenten. Solche Verknüpfungen kann man jedoch – z.B. im Fremdsprachenunterricht – herstellen lassen. Das neuronale Netz ist offen für jedweden steuernden Eingriff. Die Aktivierung irrelevanter Verknüpfungen wird allerdings auch schnell wieder eingestellt. Vielleicht hängt die Schwierigkeit, formale Bezüge zwischen Wörtern der Fremdsprache (und anderssprachigen Formen) zu 'behalten', mit dieser (Prioritäten setzenden) Selbstregulierung des Nervensystems zusammen.
Die Frage, welche sprachlichen Einheiten nun jeweils mit dem Inhaltskonzept verknüpft werden, lässt sich im Lichte der erwähnten psycho- und neurolinguistischen Forschungen dahingehend beantworten, dass dem Syntagma hier eindeutig der Vorrang einzuräumen ist, da sich ein Inhaltskonzept meist nur in diesem Mehrwort-Gebilde adäquat ver- sprachlichen lässt. Einzelwörter13 sind ebenso die Ausnahme (z.B. „Feuer!“) wie ganze Sätze, die nur aufgrund von Pronominalisierung kurz genug sind (z.B. „Je ne le lui ai pas encore dit.“).
Diese sprachlichen Formen werden nun als funktionale Bausteine konzipiert, die der Sprecher zu seiner Gesamtäußerung zusammensetzt. Die Baustein- Metapher suggeriert zwar Substanzhaftigkeit, doch handelt es sich hier gleichfalls nur um neuronale Verknüpfungen, und zwar diesmal um syntagmatische Beziehungen, die den in der Zeit ablaufenden Sprechfluss abbilden.
3.2.2 Fremdsprachenerwerbsmodell B
Dieses durch die neuronale Netzwerk-Metapher bestimmte Modell bildet – wie das Modell A – sowohl die Sprachverwendung als auch den Spracherwerb in der Muttersprache ab. Bei der Übertragung auf den Fremdsprachenerwerb ergeben sich - wie bei Modell A – bestimmte didaktisch-methodische Konse- quenzen, die einen vom tradierten Unterricht grundlegend verschiedenen,
13 Die Lexikon-Bedeutung von Wörtern ist nicht mit einem in der Kommunikation zu versprachlichenden Inhaltskonzept zu verwechseln.
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alternativen Ansatz auch für den schulischen Fremdsprachenerwerb bereitstellen.
Die Funktionsbausteine der Sprache, die nun als kommunikative Lerneinheiten fungieren14, sind z.T. die bekannten Satzkonstituenten, die je- doch für den Schüler in dem Sinne relevant sein müssen, dass sie Wirklichkeitsaspekte abbilden. So wird der Handlungsträger zum Subjekt- Baustein, derjenige, an dem eine Handlung vollzogen wird, zum Objekt- Baustein, und zwar direkt ohne Präposition und indirekt mit Präposition. Die Handlung selbst wird durch den Verb-Baustein konstituiert, die Umstände der Handlung stehen im Umstands-Baustein und die den Substantiven im Subjekt-, Objekt- oder Umstands-Baustein zugeschriebenen Erläuterungen bilden den Attribut-Baustein. Aus didaktischen Gründen kommen noch einige weitere Bausteine hinzu, die durch folgendes konkrete Unterrichtsbeispiel
illustriert werden.
FRAGE-BS
pourquoi
FRAGE-BS
est-ce que
SUBJEKT-BS
l’homme
VERB-BS
en sortait
OBJEKT-BS
un foulard
ATTRIBUT-BS
au manteau noir
ATTRIBUT-BS
d’une couleur criarde
PRONOMEN-VERB-BS
il était
PRÄDIKATIV-BS
très inquiet
VERKNÜPFUNGS-BS
et
PRONOMEN-VERB-BS
on ne l’avait jamais vu
INFINITIV-BS
se comporter
UMSTANDS-BS
comme ça
Die beim Erlernen der französischen Sprache wegen ihres kleinen Umfangs und der daraus resultierenden Verwechslungsgefahr problematischen Prä- positionen sowie die Pronomen (Subjekt-, Objekt- und Adverbialpronomen) werden in die Bausteine eingebunden und so in ihrem jeweiligen Kontext gelernt. Die Präpositionen finden sich im Umstands-Baustein und im indirekten Objekt-Baustein. Für die Einbindung der Pronomen wurde ein sog. Pronomen-Verb-Baustein konzipiert, der u.U. auch einen ganzen Satz
14 Vgl. hierzu die für den Mutterprachenerwerb postulierte neue Lerneinheit bei Peters
(1983).
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enthalten kann. Desgleichen sind die Substantive immer mit ihren Begleitern verbunden sowie gegebenenfalls auch mit ihren Adjektiven. Der Prädikativ- Baustein ist nach Zustandsverben wie SEIN unumgänglich und der Inifinitiv- Baustein rechtfertigt sich didaktisch aus der Tatsache, dass seine Funktionen (durch die er in die anderen Bausteine integriert werden müsste) zu vielfältig sind. Schließlich ergibt sich noch die Notwendigkeit des sog. Frage-Bausteins und eines Verknüpfungs-Bausteins. Die Bausteine und ihre Benennung sind also nicht den üblichen linguistischen Kategorien verpflichtet, sondern verstehen sich als didaktische Maßnahme.
Damit die neuen lexiko-grammatischen Lernbausteine kreativ einsetzbar werden, muss dem Lernenden ihre Bauweise und ihre Musterhaftigkeit bewusst gemacht werden. Dies geschieht einmal durch interne Variation (lexikalisch und grammatisch), zum anderen durch das Durchspielen ihrer Kombinierbarkeit. Eine bestimmte Kombination der farbig markierten Bausteine ergibt einen bestimmten Strukturtyp, der wiederum unterschiedlich besetzt sein kann. So ergibt sich eine neue Systematik in Form einer elek- tronischen Lexiko-Grammatik, die sich als Übungs- und Systematisierungs- instrument eignet. Sie ist integraler Bestandteil des in Jena in den 90er Jahren entwickelten Baustein-Konzepts und lässt sich sowohl an unterschiedliche Alters- als auch Niveaustufen anpassen15.
4. Zusammenfassung und Ausblick
Abschließend seien die wichtigsten Merkmale eines alternativen Fremd- sprachenunterrichts auf der Grundlage des neuronalen Netzwerk-Modells skizziert16.
- Grundlage des fremdsprachlichen Lernprozesses ist die neuronale Ver- knüpfung sprachlicher Formen mit (sinnlich) erlebten Inhaltskonzepten.
- Grammatik und Wortschatz sind in lexiko-grammatischen Lerneinheiten als Klang- und Schriftgestalt zu vermitteln und zu lernen.
15 Die neuesten Entwicklungen werden jeweils auf der Homepage der Verfasserin
(www.romanistik.uni-jena.de) bekannt gegeben.
16 Für eine ausführliche Diskussion des Baustein-Konzepts sei auf die obig genannte
Homepage verwiesen.
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- Durch häufige Aktivierung der neuronalen Verknüpfungen erfolgt eine gewisse Automatisierung der Inhalt-Form-Verknüpfung.
- Der kreative Umgang mit den sprachlichen Mitteln beruht auf der bewusst oder intuitiv erfolgenden Analogiebildung aufgrund von Strukturmustern bzw. Schemata von Syntagmen und Sätzen.
- Die Progression des Lehrgangs orientiert sich an den
Äußerungswünschen der Schüler.
- Üben ist Sprachhandeln zur Entwicklung der kommunikativen Sprach- tätigkeiten.
- Die pragmatischen und emotionalen Faktoren werden über die neuronale Verknüpfung mit erlebten Vorstellungskonzepten in die unterrichtliche Kommunikation mit einbezogen.
Unterrichtstheoretisch findet in einem solchen Konzept eine methodische Integration derjenigen Faktoren des Lernprozesses statt, deren Isolierung und Konfrontation im herkömmlichen Unterricht die bekannten Probleme mit sich bringt. Grammatik und Lexik, Form und Inhalt, Wissen und Können, Sprachsystem und Sprachverwendung, Analyse und Automatisierung, Idiomatizität und Kreativität müssen nicht länger als statische Gebilde in Konkurrenz zueinander gesehen werden, sondern können sich im integrierten Miteinander neuronaler Aktivitäten und ihren vielfachen Verknüpfungs- prozessen entfalten, die vielleicht eher der Wirklichkeit der Sprach- verwendung entsprechen als das Speichern von Einzelwörtern und morpho- syntaktischen Regeln.
Die Fragestellung des Metaphern-Workshops kann also durchaus dazu beitragen, das gegenseitige Verstehen gegensätzlicher Lehr-/Lerntheorien zu fördern, indem diese auf unterschiedliche metaphorische Konzeptbildungen zurück geführt werden. In der Bewusstwerdung dieser Bedingtheit liegt der Schlüssel zum Fortschritt auch in der Fremdsprachendidaktik.
5. Literaturverzeichnis
Anderson, John R. (1983): The architecture of cognition, Mahwah, N.J. Braitenberg, Valentino/Pulvermüller, Friedemann (1992): „Entwurf einer
neurologischen Theorie der Sprache“, in: Naturwissenschaften 79, S. 103-
117.
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Segermann, Einfluss vcn Metaphern auf fremdsprachlichen Lehr- und Lerntheorien
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