Katrin Kohl (2007): Metapher, Stuttgart/Weimar: J.B. Metzler,
186 S.
Katrin Kohls Buch Metapher hat der deutschsprachigen Literatur zum Thema Metapher wirklich gefehlt. Vielleicht ist dies das größte Kompliment, das man einem Beitrag zur gegenwärtigen Metaphernforschung machen kann, die in ihrer stetig expandierenden Vielfalt und Komplexität unüberschaubar zu werden droht. Kohl meistert souverän die Herausforderungen, die sich einer Einführung in die Thematik dadurch stellen: Sie liefert ihren LeserInnen auf sehr zugängliche Weise einen umfassenden Einblick in die zentralen Frage- stellungen der Metapherntheorie.
Dabei ist es eine Stärke der Arbeit, dass sie besagte Komplexität weder auf eine einzige Perspektive reduziert, noch den Anspruch auf eine erschöpfende Systematisierung der metapherntheoretischen Diskurse erhebt. Vielmehr führt Kohl die Pluralität der existierenden Forschungsansätze auf die Eigenart des zu erforschenden Phänomens selbst zurück: „Die Vielfalt der Metapherntheorien gründet darin, dass die Metapher ein Phänomen ist, das sich zwischen Kognition und artikulierter Sprache bewegt und kontinuierlich Denken in Sprache, Sprache in Denken umsetzt.“ (S. 22) Dieses
‚ganzheitliche‘ Verständnis des Phänomens Metapher erklärt das vielseitige Forschungsinteresse, das ihm entgegengebracht wird und das sich – abhängig von seiner fachspezifischen Perspektive – jeweils auf unterschiedliche Dimensionen des metaphorischen Prozesses fokussiert. Kohls Analyse verbietet sich dagegen eine solche strategische Reduktion, indem sie die prozessuale Eigenart der Metapher durchgängig im Blick zu behalten sucht.
Insofern ist auch die Wahl ihrer primären theoretischen Instrumentarien evident: Als sprachtheoretischen Rahmen nutzt Kohl das begriffliche Instrumentarium Saussures, da es einen ganzheitlichen und zugleich differenzierten Blick auf Sprache in ihren physischen, physiologischen und psychologischen Aspekten erlaubt und den Horizont für ein prozessuales Verständnis der Metapher zwischen Kognition und Sprache (Kap. 1) erschließt. Für die Analyse des metaphorischen Prozesses selbst nutzt Kohl vor allem die Erkenntnisse und Methodik der kognitiven Metapherntheorie nach Lakoff
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und Johnson, da sie ihrem ganzheitlichen Verständnis am ehesten gerecht wird. Sie bleibt sich aber der mangelnden Aufmerksamkeit dieses Ansatzes gegenüber den sprachlichen und kontextuellen Dimensionen des metaphorischen Prozesses bewusst. Kohl sucht dieses Defizit zu kompensieren, indem sie dem kognitiven Ansatz die Erkenntnisse der antiken rhetorischen Analysen der Metapher (Cicero/ Quintilian) zur Seite stellt. Schnittpunkte zwischen beiden Konzepten ergeben sich vor allem dann, wenn man die Aussagen antiker Denker zur Metapher nicht isoliert, sondern im Rahmen ihrer Überlegungen zur bildlichen Sprache (Kap. 2) betrachtet. Denn das Konzept der bildlichen Sprache verweist auf „sprachliche Phänomene die über die Sprache hinausführen: einerseits in die physische Welt des sinnlich Wahrgenommenen und andererseits in die mentale Welt der Imagination – wobei die Imagination wiederum das sinnlich Wahrgenommene verarbeitet und mentale Entsprechungen dazu ausbildet.“ (S. 12) Die Korrelationen zur kognitiven Metapherntheorie, die die Metapher nicht als abgrenzbare linguistische oder kognitive Kuriosität betrachtet, sondern sie im Zusammenhang einer dynamischen Mensch-Umwelt-Interaktion verorten, werden somit greifbar. Beide Konzepte erweisen sich damit in komplementärer Ergänzung für Kohls ganzheitliche Analyse als nützlich.
Eine ganzheitliche Perspektive, die dem metaphorischen Prozess eine zentrale Rolle in der Mensch-Umwelt-Interaktion einräumt, unterstreicht allerdings auch die Einsicht in die Unmöglichkeit, die Metapher selbst aus den Reflexionen über sie auszumerzen. Die empirischen Analysen, die durch die moderne Hirnforschung möglich werden, weisen die Metaphernbildung und
–verarbeitung zwar als „grundlegende kognitive Fähigkeit“ aus, sind aber
zumindest gegenwärtig noch nicht in der Lage eindeutig zu klären, „wie diese Fähigkeit mit anderen kognitiven Prozessen zusammenwirkt und inwieweit sie eine eigene ‚Identität‘ hat […] geschweige denn darüber, was das Gehirn bei der Produktion und Verarbeitung von Metaphern ‚tut‘. […]“ (S. 40) Kohl plädiert daher für eine „wissenschaftliche Bescheidung“, die die metaphorische Qualität der Metapherntheorie selbst ernst nimmt. Konkret bedeutet dies, sich der reduktiven Effekte jeder Metapher für die Metapher bewusst zu bleiben und zugleich der konkreten Analysearbeit an Metaphern ein möglichst vielseitiges begriffliches Instrumentarium zur Verfügung zu stellen. Kohl hält es daher für sinnvoll, „die von den unterschiedlichen theoretischen Ansätzen in die Diskussion eingebrachten Begriffe verfügbar zu
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halten – denn angesichts der Komplexität dessen, was unter dem Begriff
‚Metapher‘ verhandelt wird, dürfte ein einziger Begriff kaum für alle
Instanzen gleichermaßen hilfreich sein.“ (S. 41)
Diese Forderung setzt Kohl in ihrer problemorientierten Analyse des Phänomens Metapher (Kap. 3) um, indem sie sich differenziert mit metapherntheoretischen Problemstellungen auseinandersetzt. Ihr differenzierter Blick erlaubt Kohl sehr präzise zu benennen, welche Aspekte der Analyse des metaphorischen Prozesses strittig sind: Als Konsens kann demnach begriffen werden, dass im metaphorischen Prozess zwei konzeptuelle Bereiche in Beziehung zueinander gesetzt werden; strittig ist dagegen sowohl die Beschaffenheit der Bereiche als auch die Art ihrer Beziehung. Kohl stellt die zentralen Modelle dieser Konstellation (Aristoteles/ Quintilian/ Richards/ Black/ Weinrich/ Lakoff&Johnson) und ihre kon- kurrierenden Beschreibungen des metaphorischen Prozesses (Substitution/ Übertragung/ Interaktion/ Projektion/ A mittels B verstehen) vor und prüft ihre jeweilige Leistungsfähigkeit an konkreten Beispieltexten, an denen sich ihr Erklärungspotential jeweils erhellt.
Grundsätzlich ist Kohl um eine kritisch-konstruktive Einschätzung des Potentials kontrovers diskutierter Begrifflichkeiten bemüht. Sie plädiert für einen funktionalen Einsatz der betreffenden Konzepte, der die ihnen zugrunde liegenden Polaritäten (eigentliche uns uneigentliche Rede/ lebendige und tote Metapher) nicht absolut setzt. So schätzt Kohl etwa den Begriff der Uneigentlichkeit insofern als hilfreich ein, als er „das Moment der Destabilisierung herkömmlicher oder als ‚wirklich‘ erfahrener Bezüge zwischen dem Bezeichneten und dem Bezeichnenden verdeutlicht“. (26) Mit Kövecses und Kurz plädiert sie dafür, die Beziehung zwischen lebendiger und konventioneller Metaphorik als Kontinuum zu verstehen, da mit einer ständigen Wechselwirkung zwischen diesen beiden Aggregatzuständen des Metaphorischen zu rechnen ist.
Dass Kohl durchaus in kritischer und originärer Weise über die von ihr favorisierte kognitive Metapherntheorie hinausgeht, zeigen vor allem ihre Überlegungen zur Kontextualität und Grammatik der Metapher. Sie stimmt der Kritik von Erika Linz bezüglich einer Kontextvergessenheit in den metapherntheoretischen Analysen Lakoffs und Johnsons zu, weist aber
zugleich den von Linz umrissenen Kontextbegriff als nicht weit genug zurück.
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Da der „Mensch mental auf jeden Aspekt seiner inneren und äußeren Welt reagieren kann [ist] kein Aspekt jener Welt von vornherein aus dem mentalen Kontext ausgeschlossen“ (S. 52). Einen solchen weiten Kontextbegriff sieht Kohl tendenziell in den Arbeiten von Kövecses realisiert.
Wesentlich bleibt dabei vor allem die Beachtung der „sprachlichen Heimat“ der Metapher: Kohl skizziert eine Grammatik der Metapher, zwischen Substantiv-, Adjektiv- und Verbalmetaphern, wodurch ihre spezi- fische Wirkkraft in den Blick kommt. Dies erweist sich vor allem für eine Bestimmung der Funktion der Metapher als sinnvoll, die Kohl grundsätzlich
„in ihrer strukturgebenden Vermittlungsrolle zwischen Kognition und Sprache [sieht, wodurch sie] zu einem zentralen Medium der Kulturstiftung“ (S. 64) wird. Kohl entwickelt diese Funktionsbestimmung weiter, indem sie diverse Funktionen der Metapher unterscheidet: (Bereicherung des Wortschatzes/ Fokussierung/ Stimulierung der Imagination/ Erschließung geistiger Territorien/ Aktivierung und Vermitt- lung von Emotionen/ Ästhetischer Reiz/ Unterhaltung/ Verpflichtung auf moralische Werte/ Stimulierung von Handlungen.)
Ganz auf der Linie ihres Anliegens, das breite Spektrum der rhetorischen Begrifflichkeiten für eine differenzierte Analyse der Spielarten bildlicher Rede zu nutzen, liegt Kohls Diskussion der Begriffe im Umkreis der Metapher (Kap.
4). Diese Umschau ist zudem sinnvoll, insofern sich der metaphorische Diskurs durch eine sehr unscharfe und keinesfalls einheitliche Verwendung der diskutierten Begriffe auszeichnet. Kohl geht es auch hier nicht um eine absolute Systematik, sondern darum, die betreffenden Phänomene (Vergleich/ Analogie/ Metonymie/ Synekdoche/ Allegorie/ Emblem/ Symbol) in Beziehung zu Metapher zu setzen und ihnen somit Kontur zu verleihen. Zugleich kann die Metapher dadurch selbst als „Teil eines Netzwerks von Begriffen für unterschiedliche Spielarten ‚bildlicher‘ Rede“ (S. 73) begriffen werden. Zentral ist für Kohl auch hier die Einsicht, dass die diskutierten Phänomene „nicht auf die Kognition beschränkt [sind], sondern […] in die Wirklichkeit hinein[reichen]; und die Dinge der Wirklichkeit […] immer wieder Anlass zur sinnstiftenden Bedeutungsfindung [geben]. Dieser Prozess bewegt sich zwischen Konvention und Innovation, zwischen gesellschaftlich
vorgegebener Bedeutung und individueller Erfindung von Bedeutung,
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zwischen Metapher, Metonymie, Allegorie, Symbol – ohne begriffliche
Grenzen zu respektieren.“ (S. 105)
Der theoretischen Erläuterung ihres ganzheitlichen Ansatz schaltet Kohl einen Überblick über historische wie gegenwärtige metapherntheoretische Ansätze (Kap.5) voraus. Inhaltlich geht sie dabei zwar nur auf die Konzeptionen der Antike und des 20. Jahrhunderts ein, sie verweist jedoch auf das große Interesse, das der Metapher im Mittelalter und der frühen Neuzeit entgegengebracht wurde und äußert sich skeptisch gegenüber der Annahme, dass in den betreffenden Zeiträumen lediglich antike Theorien rezipiert, nicht aber weiterentwickelt worden seien. Für eine Erforschung der innovativen metaphorologischen Leistung entsprechender Autoren sei aber nicht nur eine Untersuchung ihrer theoretisch-reflexiven Überlegungen zur bildlichen Sprache, sondern ebenso eine Analyse des praktischen Einsatzes metaphorischer Elemente in ihren Texten erforderlich.
Bei ihrer Besprechung der Metapherntheorien des 20. Jahrhunderts fällt auf, dass Kohl die – im Hinblick auf die Möglichkeit einer Metapherntheorie – skeptischen Ansätze von Jaques Derrida und Donald Davidson unbe- rücksichtigt lässt. Sie konzentriert sich auf die kognitive Metapherntheorie nach Lakoff und Johnson und ihre Beziehung zu früheren Konzepten und in ihrer Ausrichtung verwandten Konzepten (Richards/ Black/ Weinrich/ Blumenberg). Deutlich wiederspricht Kohl der These, dass sämtliche Erkenntnisse der kognitiven Metapherntheorie in besagten Vorläufermodellen bereits enthalten seien. Dagegen sieht Kohl in Lakoffs und Johnsons Arbeit den „wohl bedeutendsten Paradigmenwechsel in der Metaphernforschung“ (S.
119), durch den die Metapher nicht mehr als philosophisches Spezialproblem sondern als „anthropologische Universalie“ begriffen wird. Kohls ganz- heitlicher Ansatz – den sie abschießend in Thesenform darstellt - muss dem- entsprechend als eine Weiterführung der kognitiven Metaphorologie gelesen werden, der es vorrangig um die Integration der von Lakoff und Johnson vernachlässigten sprachlich-kommunikativen Dimension der Mensch- Umwelt-Interaktion geht. Kohl wertet diese Vernachlässigung als internen Widerspruch der kognitiven Metaphorologie und erhärtet die Notwendigkeit einer Integration dieses Aspektes durch den Verweis auf neurologische
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Kohl schließt ihr Buch mit einer Reflexion zur Bedeutung der Metapher in unterschiedlichen Disziplinen als Mittel der Erkenntnis, Identitätsstiftung und Veränderung (Kap. 6). Die Erkenntnis der Ubiquität der Metapher bringt es mit sich, dass sie für alle Wissenschaften relevant wird, wenn sich diese Relevanz auch im Einzelnen unterschiedlich darstellt. Dies gilt grundsätzlich für die Geistes- wie für die Naturwissenschaft: „Ohne die Metaphern können wir uns geistig nicht bewegen, und metaphorische Topoi erfüllen eine bedeutende Funktion in der Vermittlung wissenschaftlicher Werte.“ (132)
Fazit: Mit ihrem Werk Metapher ist es Katrin Kohl gelungen, eine Lücke in der Metaphernliteratur zu schließen. Im Hinblick auf seine zugängliche Präsen- tation und Verständlichkeit bietet es eine hervorragende Einführung in die Metaphernforschung und einen verlässlichen Überblick über ihren aktuellen Forschungsstand. Der bereits mit der Thematik vertraute Leser wird zudem in Kohls ganzheitlicher Perspektive auf den metaphorischen Prozess einen
originären Beitrag zur Metapherntheorie erkennen.
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